»Messire, Ihr beliebtet zu sagen, ich sei Witwe. Tatsächlich trage ich Witwenkleidung; aber nehmt Kenntnis davon, daß ich mich niemals als Witwe betrachten werde. Für mich lebt mein vielgeliebter Gatte und wird so lange leben, wie ich atmen werde. Aber Ihr wäret der letzte, jawohl, der letzte, den ich als seinen Nachfolger wählen würde!«

»Und warum, wenn ich fragen darf?«

»Holt Euch die Antwort aus den Ruinen von Montsalvy, Messire. Was mich betrifft, so habe ich Euch gesagt, was ich zu sagen hatte. Ich wünsche Euch einen guten Tag.«

Sie stand auf, um anzudeuten, daß die Unterhaltung beendet sei, aber ein zweideutiges Lächeln stahl sich auf die roten Lippen des Kastiliers.

»Anscheinend habt Ihr mich falsch verstanden, Madame. Ich habe Euch meine Hand angetragen … aus reiner Höflichkeit, aber tatsächlich müßt Ihr mich heiraten. Es ist ein Befehl.«

»Ein Befehl? Was für ein seltsames Wort. Von wem, bitte?«

»Was glaubt Ihr wohl, von wem? Von König Karl, Madame! Seine Majestät haben auf Grund der Vorstellungen des Großkämmerers La Trémoille geruht, den Schaden zu vergessen, den Ihr voll Feuereifer in Gemeinschaft mit Eurem Gatten der Krone zugefügt habt, unter der Bedingung, daß Ihr, indem Ihr meine Frau werdet, wieder in den Rang der unterwürfigen Ehefrauen eintretet … und in den Rahmen eines schicklichen Lebens!«

Das blasse Gesicht Cathérines färbte sich rosa, dann rot, dann scharlachrot unter dem Druck eines solchen Zorns, daß Sara ihr erschrocken die Hand auf den Arm legte, um sie zu beruhigen. Doch Cathérine, wahnsinnig vor Wut, war jenseits jeder Beruhigung. Stand es denn im großen Buch des Schicksals geschrieben, daß ein Fürst stets und nach Belieben über sie verfügen konnte? Nach dem Herzog von Burgund der König von Frankreich! Mit geballten Fäusten und unter größter Anstrengung, ihre Stimme ruhig zu halten, rief sie aus:

»Ich habe selten einen unverschämteren Schurken als Euch gehört, Messire! Wenn ich Euch trotz Eurer Freveltaten zum Dank für einige Lebensmittel bisher ein nachsichtiges Andenken bewahrte, dann habt Ihr es heute dazu gebracht, daß ich dies bitter bereue. Nicht zufrieden damit, meinen Gatten aus dem Wege zu schaffen, trachtet La Trémoille also danach, auch über mich zu verfügen? Ich möchte gern wissen, wie Ihr mich zwingen wollt, Seigneur? Denn natürlich habt Ihr diese Eventualität einkalkuliert?«

»Die von mir geführte Armee«, erwiderte der Spanier mit beleidigender Herablassung, »zeigt Euch deutlich den Preis, den ich Eurer Hand beimesse. Ich habe tausend Mann unter den Mauern von Carlat, Madame … und wenn Ihr ablehnt, werde ich die Belagerung über diesen Maulwurfshügel verhängen, bis Ihr um Gnade fleht.«

»Das kann lange dauern.«

»Ich habe Zeit … und es würde mich sehr wundern, wenn Ihr für viele Monate verproviantiert wäret. Ihr werdet nicht umhin können, Madame, Euren Sohn Hungers sterben zu sehen, und zwar in nicht allzu langer Zeit.«

Cathérine unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. Er wußte nichts von der Abreise Michels, und es war wichtig, daß er noch lange nichts davon erfuhr. Aber sie verbarg ihre Gefühle unter einem Schulterzucken.

»Das Schloß ist fest, seine Verteidiger sind tapfer. Ihr verschwendet Eure Zeit, Messire!«

»Und Ihr würdet Euch dummerweise das beste Gut der Welt entgehen lassen. Ihr würdet besser fahren, Madame, meinen Antrag anzunehmen, da Ihr schließlich doch nachgeben müßt. Bedenkt, daß ich Eurer schönen Augen wegen einen sehr schmeichelhaften Antrag ausgeschlagen habe, nämlich die Hand Madame Marguerites, Tochter Monseigneurs, des Herzogs von Bourbon …«

»Tochter … zur linken Hand!« warf Bruder Etienne überfreundlich ein.

»Das Blut bleibt Fürstenblut! Andererseits ist Euer Gouverneur Schotte, Dame Cathérine. Die Schotten sind arm, Hungerleider und Geizhälse … und lieben das Gold über alles …«

Es blieb ihm keine Zeit, den Satz zu vollenden. Ganz in ihren Wortwechsel vertieft, hatten weder er noch Cathérine bemerkt, daß Kennedy, von Gauthier gefolgt, in den Saal getreten war. Erst als der Schotte sich auf den Spanier stürzte, wurde man seiner Anwesenheit gewahr. Mit einem Wutschrei packte Kennedy Villa-Andrado am Kragen seiner Rüstung und am Hosenboden, hob ihn halb über den Boden und beförderte den Heulenden und Schimpfenden derart bis zur Tür.

»Es gibt etwas, was die Schotten noch mehr lieben als das Gold, Meister Schacher, und das ist ihre Ehre! Richtet das Eurem Herrn aus!« schrie er wütend.

Mit verdrießlicher Miene, weil man ihm ein so kümmerliches Wild übriggelassen hatte, nahm nun Gauthier den Pagen unter den Arm und tat genau das gleiche, was sein zorniger Gouverneur ihm vorgemacht hatte. Als beide verschwunden waren, wandte sich Bruder Etienne mit einem gütigen Lächeln an Cathérine, die immer noch zitterte:

»Nun, Madame, das hat Euch eine Antwort erspart. Was haltet Ihr von der Sache?«

Sie sagte nichts, blickte ihn nur an, schämte sich, sich einzugestehen, daß sie zum erstenmal seit langem Lust hatte zu lachen. Den Anblick des wie eine rote Spinne in den Fäusten des schottischen Feldhauptmanns zappelnden Villa-Andrado würde sie nie vergessen.

Zweites Kapitel

Als der Abend kam, war dieser erheiternde Zwischenfall schon vergessen. In dem hohen Raum des Schloßturms, in dem Kennedy kurz nach dem Tod des alten Jean de Cabanes vor drei Monaten sein Quartier eingerichtet hatte, waren Cathérine, Sara, Gauthier, Bruder Etienne, Hugh Kennedy und der Seneschall von Carlat, ein Gaskogner namens Cabriac, der diesen Posten seit zehn Jahren bekleidete, versammelt. Er war ein rundlicher Mann, einfach und gutmütig, der nichts mehr als seine Ruhe liebte. Ohne Ehrgeiz, hatte er nie nach dem Gouverneursposten der Festung getrachtet, fand es unendlich bequemer, diese Verantwortung auf kriegerischeren Schultern ruhen zu sehen als den seinen. Aber er kannte die Feste und ihre Umgebung wie kein zweiter.

Sobald der kurze, winterliche Tag jäh zu Ende gegangen war wie eine Kerze, die man ausbläst, waren alle zum Verschlag des Ausgucks hinaufgestiegen, um die Stellungen des Feindes zu beobachten.

Villa-Andrados Landsknechte richteten sich ein. Zelte aus dicker Sackleinwand wuchsen empor wie ebenso viele giftige Pilze, die durch den weißen Mantel des Schnees stachen. Eine Anzahl Soldaten nahm von den Häusern des Dorfs Besitz. Die entsetzten Bauern waren geflohen und hatten hinter den gewaltigen Mauern der Festung Zuflucht gesucht. Man hatte sie überall ein wenig verteilt, da und dort, wo Platz war, in der alten Komturei, in den geräumigen Scheunen und in den Ställen. Innerhalb der Umwallung des Schlosses gab das ein Tohuwabohu wie auf einem Wochenmarkt, denn die Tiere waren ihren Besitzern gefolgt. Und jetzt, nach Einbruch der Nacht, bildete das Lager der Angreifer um den riesigen Felsen einen Kranz, dessen Feuer leuchtenden Blumen glichen. Rote, rauchumwölkte Flammen tupften die tiefschwarze Nacht, erhellten flüchtig da und dort verzerrte, von der Kälte blau angelaufene Fratzen, die nichts Menschliches mehr hatten, über den Mauerkranz des Schloßturms gebeugt, schien es Cathérine, als blicke sie in einen höllischen, von Dämonen bevölkerten Abgrund hinab. Dieser Anblick hatte Kennedys Optimismus beträchtlich verringert. Er hatte die drohenden roten Zangen sich um Carlat schließen sehen.

»Was sollen wir jetzt tun, Messire?« fragte Cathérine. Er wandte ihr sein stolzes Doggengesicht zu und zuckte die Schultern.

»Zur Stunde, Madame, mache ich mir über uns weniger Sorgen als über MacLaren. Wir sind so gut wie eingeschlossen. Wie soll er morgen wieder zu uns stoßen, wenn er von Montsalvy zurückkommt? Er wird diesen Leuten direkt in die Arme laufen, und sie werden ihn gefangennehmen … oder schlimmer! Villa-Andrado schreckt vor nichts zurück, um Euch zur Kapitulation zu zwingen. Man wird ihm Fragen stellen … mit allen unangenehmen Nebenerscheinungen, die dieses Wort bei dem Kastilier einschließt. Unser Feind wird wissen wollen, wo er herkommt.«

Cathérine spürte, daß sie blaß wurde. Wenn MacLaren, gefangengenommen, unter der Folter sprach, würde der Spanier wissen, wo er Michel finden konnte.

Und welch sichereres Unterpfand gäbe es als das Baby, um die Mutter zur Räson zu bringen? Um ihren Sohn vor den Klauen Villa-Andrados zu retten, würde Cathérine, das wußte sie wohl, alles akzeptieren.

»Also«, sagte sie mit müder Stimme, »ich wiederhole meine Frage. Messire Kennedy, was sollen wir tun?«

»Zum Teufel, ich weiß es nicht!«

»Ein Mann«, ließ Bruder Etienne sich ruhig vernehmen, »müßte heute nacht von Carlat ausgesandt werden und in Richtung Montsalvy marschieren, so daß er sie morgen träfe und sie warnen könnte. Das ganze Problem besteht darin, einen Mann durchzuschleusen. Mir scheint, daß die Einschließung der Feste noch nicht vollkommen ist. Dort drüben, jenseits der Nordmauer, gibt es eine breite Stelle, wo ich kein Feuer leuchten sehe.«

Kennedy hob ungeduldig die schweren, lederbekleideten Schultern.

»Habt Ihr Euch noch nie den Felsen an dieser Stelle angesehen? Ein glattes schwarzes Riff, das senkrecht zum Tal abfällt und durch den Wall darüber noch beträchtlich erhöht wird. Man müßte ein verdammt langes Seil und ungeheuren Mut haben, um da hinunterzusteigen, ohne sich den Hals zu brechen.«

»Ich würde es gern wagen«, sagte Gauthier, in den vom Kaminfeuer erhellten Kreis vortretend.

Cathérine öffnete schon den Mund, um zu protestieren, als der Seneschall ihr zuvorkam.

»Ein Seil ist gar nicht nötig, weder für das Mauerwerk noch für den Felsen … Es gibt eine Treppe!«

Sofort richteten sich alle Blicke auf ihn. Kennedy packte ihn an der Schulter, um ihn besser ins Auge fassen zu können.