»Diese sich nähernde Truppe scheint Euch zu belustigen«, sagte sie ziemlich trocken.

»Das wäre zuviel gesagt. Sie interessiert mich … und sie erstaunt mich. Merkwürdiger Mann, dieser Kastilier! Er scheint vom Himmel das Geschenk der Allgegenwart erhalten zu haben. Ich hätte geschworen, daß er in Albi sei, dessen Bevölkerung sich wohl kaum über seine Anwesenheit gefreut haben dürfte. Andererseits hat mir jemand in Angers erklärt, daß dieser stinkende Fuchs …«

»Ist dieser Ausdruck Eurem Denken angemessen, Bruder Etienne?« fragte Cathérine, das Wort Bruder absichtlich betonend. Der kleine Mönch errötete wie ein Jüngferchen, lächelte die junge Frau aber ganz offen an.

»Ihr habt tausendmal recht. Ich wollte sagen: Messire de Villa-Andrado verbrachte den Winter in Kastilien, am Hof des Königs Juan. Natürlich zeigt man sich in Angers diesem Herrn gegenüber nicht besonders nachsichtig. Ich wünschte, Ihr würdet einmal hören, wie die Königin Yolande von ihm spricht. Jedenfalls ist er hier! Was will er eigentlich?«

»Ich glaube, wir werden es bald erfahren.«

Tatsächlich war die Spitze der Kolonne vor dem ragenden Turm angelangt, und der Bannerträger ritt jetzt, sein Pferd mit einer Hand lenkend, bis zum Fuße des Felsens vor, auf dem sich das Schloß erhob. Ihm folgte ein zweiter in der phantastischen Kleidung der Herolde, einer Kleidung, deren Rotgold und deren Federn jedoch die Strapazen der schlechten Wege und des Winters erkennen ließen. Die übrige Truppe hatte haltgemacht.

Vor den Palisaden angelangt, die den zyklopischen Felsen umgaben, hielten die beiden Reiter gleichzeitig an und hoben die Köpfe.

»Wer befehligt hier?« fragte der Herold.

Kennedy beugte sich vor, stellte ein in dickes Leder gehülltes Bein auf die Zinne und rief hinunter:

»Ich, Hugh Allan Kennedy von Gleneagle, Feldhauptmann König Karls VII. Ich bin Statthalter dieses Schlosses für Monseigneur den Grafen d'Armagnac. Habt Ihr etwas dagegen?«

Aus der Fassung gebracht, stotterte der Herold einige undeutliche Worte, hustete, um seine Stimme zu klären, hob wieder hochmütig den Kopf und schrie:

»Ich, Fermoso, im Dienste von Messire Rodrigo de Villa-Andrado, Graf von Ribadeo, Seigneur von Puzignan, Talmont und …«

»Zur Sache«, unterbrach der Schotte ihn ungeduldig. »Was will Messire Villa-Andrado von uns?«

Offensichtlich in der Annahme, daß die Verhandlungen sich zu lange hinziehen würden, trieb der, um den es ging, sein Pferd an und manövrierte es zwischen seinen Bannerträger und seinen Herold. Unter dem hochgeschobenen Visier des goldverzierten Helms konnte die hinter dem Pfeiler versteckte Cathérine die scharfen, sehr weißen Zähne im kurzen schwarzen Bart blitzen sehen.

»Euch einen Besuch abstatten«, antwortete er liebenswürdig, »und plaudern …«

»Mit mir?« fragte Kennedy mit zweifelndem Unterton.

»Aber nein! Bitte, zieht jedoch nicht den Schluß, daß ich Eure Gesellschaft verschmähe, mein lieber Kennedy, aber ich habe es nicht mit Euch zu tun, sondern mit der Gräfin de Montsalvy. Ich weiß, daß sie hier ist!«

»Was wollt Ihr von ihr?« entgegnete der Schotte, immer noch ziemlich schroff. »Die Dame Cathérine empfängt niemand!«

»Was ich zu sagen habe, werde ich ihr persönlich sagen, mit Eurer Erlaubnis. Und ich wage zu hoffen, daß sie gegenüber einem Reisenden, der von so weit herkommt, eine Ausnahme macht. Fügt bitte hinzu, daß ich nicht wieder gehe, bevor ich sie gesprochen habe!«

Ohne sich zu zeigen, flüsterte Cathérine:

»Wir wollen wissen, was er will! Sagt ihm, ich werde ihn empfangen … aber allein! Er möge ohne jede Eskorte erscheinen … Das wird meinem Sohn Zeit geben, zu seinem Bestimmungsort zu gelangen.«

Kennedy machte ein Zeichen, daß er verstanden habe, und wandte sich wieder dem Spanier zu, während Cathérine, von Sara und Bruder Etienne begleitet, den Wehrgang verließ. Sie hatte ihren Entschluß ohne Zögern gefaßt, weil Villa-Andrado der Mann La Trémoilles war, weil sie der Gefahr schon immer hatte ins Gesicht blicken können. Wenn der Kastilier eine Gefahr darstellen sollte – und sie konnte sich schlecht vorstellen, daß es anders sein könnte –, dann war es um so besser, sie sofort kennenzulernen.

Wenige Minuten später schritt Rodrigo de Villa-Andrado, von einem einzigen, seinen Helm tragenden Pagen gefolgt, in den großen Saal, wo Cathérine ihn erwartete. Die junge Frau, Sara und Bruder Etienne links und rechts neben sich, hatte in einem um zwei Stufen erhöhten Sessel mit hoher Rückenlehne Platz genommen. Sehr aufrecht, die hübschen Hände über den Knien verschlungen, sah sie dem Besucher entgegen.

Der Anblick dieser Frau – oder vielmehr dieser schwarzverschleierten Statue – beeindruckte und überraschte den Spanier so, daß er auf der Schwelle des Saales innehielt und nur zögernden Schrittes näher trat, während das Siegerlächeln, das er bei seinem Eintritt aufgesetzt hatte, wie eine Kerzenflamme, die man ausbläst, von seinem Gesicht verschwand.

Vor Cathérine angekommen, verneigte er sich fast bis zum Boden, ohne sich jedoch einen schnellen Blick auf die junge Frau von unten zu versagen.

»Madame«, sagte er mit verhaltener Stimme, »ich danke Euch für die Augenblicke, die Ihr mir liebenswürdigerweise gewähren wollt. Aber ich möchte mit Euch gern unter vier Augen sprechen.«

»Messire, Ihr versteht, daß ich Euch nicht willkommen heißen kann, ehe ich weiß, was Euch herführt. Außerdem habe ich vor Dame Sara, die mich aufgezogen hat, und vor Bruder Etienne Chariot, meinem Beichtvater, keine Geheimnisse.«

Der Mönch unterdrückte ein Lächeln über diese offenkundige Lüge, schmunzelte aber doch, als er merkte, daß der Kastilier ihn mit Mißtrauen betrachtete.

»Ich kenne Bruder Etienne«, murmelte Villa-Andrado. »Monseigneur würde für dieses dicke Fell und die paar grauen Haarsträhnen viel geben!«

Cathérine sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Sie spürte, daß ihr Zornesröte ins Gesicht stieg, und sagte grollend:

»Was immer der Anlaß Eures Besuchs sein mag, Seigneur Villa-Andrado, in jedem Fall scheint es mir eine sehr schlechte Einführung zu sein, diejenigen, die ich verehre und die mir teuer sind, zu beleidigen. Wollt Ihr uns nun bitte ohne jede Ausflucht den Grund Eures Besuches nennen!«

Rodrigo hatte sich seinerseits wieder erhoben, und trotz der beiden Thronstufen befand sich sein Gesicht fast auf gleicher Höhe mit dem Cathérines. Sein zornfunkelnder Blick versuchte unverschämterweise, das Bollwerk des schwarzen Schleiers zu durchdringen. Aber er zwang sich zu lächeln.

»Tatsächlich eine sehr schlechte Einleitung, und ich bitte Euch vielmals um Vergebung. Daß ich mit den besten Absichten hierhergekommen bin, werdet Ihr sogleich selbst beurteilen können.«

Langsam setzte sich die junge Frau wieder, unterließ es jedoch, dem Besucher, von dem sie noch nicht wußte, ob er als Freund oder Feind kam, einen Stuhl anzubieten. Er sprach von guten Absichten. Das war nach allem möglich, wenn man sich an den Lebensmittelkorb in der Höhle erinnerte, wohingegen die rauchenden Trümmer von Montsalvy Mißtrauen erregten. War dieses breite Lächeln nicht das des Wolfs?

»Sprecht!« sagte sie nur.

»Schöne Gräfin«, begann er, ein Knie bis zur ersten Stufe vorbeugend, »das Gerücht von Eurem Unglück ist bis zu mir gedrungen, und mein Herz ist gerührt. So jung … so schön und mit der Bürde eines Kindes beladen, könnt Ihr nicht ohne Schutz, ohne Verteidiger bleiben. Ihr braucht einen Arm, ein Herz …«

»In diesem Schloß mangelt es nicht an Armen … auch nicht an treuen Herzen, die mich und meinen Sohn bewachen«, unterbrach ihn Cathérine. »Ich verstehe nicht recht, Seigneur. Drückt Euch klarer aus!«

Flüchtige Röte überzog das olivfarbene Gesicht des Kastiliers. Er preßte die Lippen zusammen, doch es gelang ihm noch einmal, seinen aufsteigenden Zorn zu zähmen.

»Sei es denn! Ich werde mich so klar ausdrücken, wie Ihr es wünscht. Dame Cathérine, ich bin gekommen, um Euch dies zu sagen: Durch die Gnade König Karls von Frankreich, dem ich treu diene …«

»Hmmm!« hüstelte Bruder Etienne.

»Treu diene!« donnerte der Spanier. »Durch die Gnade auch meines Lehnsherrn, Königs Juan II. von Kastilien, bin ich Seigneur von Talmont, Graf von Ribadeo in Kastilien …«

»Bah!« unterbrach der Mönch liebenswürdig. »König Juan II. hat Euch nur gegeben, was Euch ohnehin zustand. Euer Großvater, der einst die Schwester des Stammlers von Villaines heiratete, war bereits Graf von Ribadeo, nicht wahr? Und was die Seigneurie von Talmont betrifft, so mache ich Euch mein Kompliment. Der Großkämmerer ist großzügig denen gegenüber, die ihm gut dienen … besonders mit dem, was ihm nicht gehört!«

Durch eine ungeheure Anstrengung brachte Villa-Andrado es fertig, die Unterbrechung zu ignorieren, aber Cathérine sah, wie seine Schläfen anschwollen, und glaubte einen Augenblick, er würde bersten.

Aber es geschah nichts. Der Kastilier begnügte sich, zwei- oder dreimal schnell und tief zu atmen.

»Wie dem auch sei«, fuhr er mit zusammengepreßten Zähnen fort, »ich bin gekommen, um Euch diese Titel und Güter zu Füßen zu legen, Dame Cathérine. Die Trauerschleier passen nicht zu Eurer großen Schönheit. Ihr seid Witwe, ich bin frei, reich, mächtig … und ich liebe Euch. Heiratet mich!«

So gewappnet sie gegen jede Überraschung war, zuckte Cathérine doch heftig zusammen. Ihr Blick war verstört, sie rang nervös die Hände.

»Ihr bittet mich …«

»Meine Frau zu werden! Ihr werdet in mir einen Gatten, einen unterwürfigen Sklaven haben, einen tapferen Arm zur Verteidigung Eurer Sache. Und Euer Sohn wird einen Vater finden …«

Die Erwähnung ihres kleinen Michel brachte Cathérine in Wallung. Daß dieser Mann es wagte, Arnaud als Vater seines Kindes ersetzen zu wollen, und daß dieser Mann eben der war, welcher … Nein! Das war unerträglich! Bebend vor Zorn, hob sie mit einer brüsken Bewegung den Schleier, unter dem sie beinahe zu ersticken drohte, und bot den Blicken Villa-Andrados ihr schmales, blasses Gesicht dar, in dem die großen veilchenblauen Augen wie Amethyste in der Sonne blitzten. Sie packte fest die beiden Armlehnen ihres Sessels, unwillkürlich eine Stütze suchend.