»Man darf nie an der Vorsehung verzweifeln, Dame Cathérine. Sehr oft schlägt sie die, welche sie liebt, nur um sie desto höher zu belohnen …«

Der schöne, traurige Mund verzog sich verächtlich. Cathérine hob überdrüssig die Schultern.

»Was bedeutet schon Belohnung? Was gilt mir der Himmel, von dem Ihr mir zweifellos sprechen wollt, Bruder Etienne? Käme Gott, als ein Wunder, zu mir, würde ich zu ihm sagen: ›Seigneur, Ihr seid der allmächtige Gott. Gebt mir meinen Gatten wieder … und nehmt den Rest, selbst meine Unsterblichkeit, aber gebt ihn mir zurück!‹«

Innerlich schalt der Mönch sich einen Idioten, trug aber dennoch eine verdrossene Miene zur Schau.

»Madame, Ihr lästert! ›Nehmt den Rest‹, sagtet Ihr? Schließt Ihr in diesen Rest auch Euren Sohn ein?«

Das schmale, von weißem Linnen umrahmte Gesicht wandte sich ihm mit Entsetzen zu.

»Warum sagt Ihr das? Glaubt Ihr, ich sei noch nicht genügend heimgesucht worden? Seid versichert, ich habe nicht meinen Sohn gemeint, sondern nur so nutzlose Dinge wie Macht, Schönheit … oder das hier!«

Sie deutete mit dem Finger auf den funkelnden Juwelenhaufen auf dem Tisch. Sie trat brüsk heran, nahm die Geschmeide in ihre Hände und hob sie ans Licht.

»Das hier genügte, ganze Provinzen zu kaufen, und vor weniger als einem Jahr wäre ich glücklich gewesen, sie zurückzuerhalten, um sie ihm zu geben … ihm, meinem Gatten! In seinen Händen hätten sie sich in ein Leben des Glücks für uns und für unsere Leute verwandelt. Jetzt aber –«, langsam rollten die Steine in vielfarbigem Feuerregen aus ihren Fingern auf den Tisch, »– jetzt sind sie nicht mehr, als was sie sind, Juwelen, leblose Juwelen.«

»Die Eurem Hause Leben und Macht geben werden. Dame Cathérine, beenden wir diese bittere Philosophie! Ich bin nicht einzig und allein hierhergekommen, um Euch einen Schatz zu bringen. Man hat mich zu Euch geschickt: Die Königin Yolande verlangt nach Euch.«

»Nach mir? Ich glaubte nicht, daß sich die Königin meiner noch erinnert.«

»Sie vergißt nie jemand, Madame … und am wenigsten diejenigen, die ihr treu gedient haben! Eins ist sicher: Sie wünscht Euch zu sehen. Fragt mich nicht, warum, die Königin hat sich nicht darüber ausgelassen … wenn ich auch nicht daran zweifeln kann.«

Die dunklen Augen Cathérines musterten den Mönch. Sein unstetes Wanderleben schien ein erstaunlicher Jungbrunnen zu sein. Er hatte sich nicht verändert. Sein Gesicht war nach wie vor rund, frisch und offen. Doch Cathérine hatte so viel gelitten, daß sie sich angewöhnt hatte, allem zu mißtrauen. Die engelhafteste Gestalt schien ihr eine Drohung zu bergen, selbst die eines alten Freundes wie Bruder Etiennes.

»Was hat die Königin Euch gesagt, als sie Euch zu mir schickte, Bruder Etienne? Könnt Ihr mir ihre Worte wiederholen?«

Er neigte zustimmend den Kopf, doch sein Blick lag weiter auf der jungen Frau.

»Gern. ›Es sind unstillbare Schmerzen‹, hat die Königin zu mir gesagt, ›aber selbst bei äußerstem Leid kann Rache zuweilen Linderung bringen. Geht und holt mir die Dame Cathérine de Montsalvy, und erinnert sie daran, daß sie nie aufgehört hat, dem Kreis meiner Hofdamen anzugehören. Ihr großes Leid sollte sie nicht von mir entfernen.‹«

»Ich weiß ihr Dank, daß sie sich an mich erinnert, aber hat sie vergessen, daß alle Montsalvys verbannt sind, zu Verrätern und Treuebrüchigen erklärt wurden und vom königlichen Profos gesucht werden? Daß man tot oder aussätzig sein muß, um den Häschern zu entwischen? übrigens, die Königin hat mein Leid erwähnt. Weiß sie davon?«

»Sie weiß stets alles. Messire Kennedy hat sie auf dem laufenden gehalten.«

»Das heißt also, daß der gesamte Hof sich daran weidet!« bemerkte Cathérine bitter. »Was für ein Triumph für La Trémoille, den heldenmütigsten der Hauptleute des Königs im Siechenspital zu wissen!«

»Niemand weiß davon außer der Königin! Und die Königin kann schweigen, Madame«, sagte der Mönch tadelnd. »Messire Kennedy hat sie unter dem Siegel der Verschwiegenheit unterrichtet. Außerdem hat er den Leuten dieser Gegend wie seinen Soldaten angedroht, jedem, wer immer es sei, eigenhändig die Gurgel durchzuschneiden, der das wahre Schicksal Messire Arnauds verraten würde. Für die Welt ist Euer Gatte tot, Madame, selbst für den König! Mir scheint, Ihr wißt wenig davon, was unter Eurem eigenen Dach vorgeht.«

Cathérine errötete. Es stimmte. Seit dem verwünschten Tag, an dem Arnaud zur Leprastation von Calves gebracht worden war, hatte sie sich in ihren Gemächern eingeschlossen, die sie nur bei Einbruch der Nacht verließ, um auf dem Wehrgang ein wenig Luft zu schöpfen. Dort verweilte sie einen langen Augenblick, unbeweglich zwischen zwei Stützbalken, immer in dieselbe Richtung starrend. Gauthier, der Normanne, den sie einst vor dem Galgen gerettet hatte, begleitete sie, hielt sich aber respektvoll zehn Schritte hinter ihr, wagte nicht, sie in ihren Gedanken zu stören. Nur Hugh Kennedy, der Gouverneur von Carlat, hatte den Mut, sich ihr zu nähern, wenn sie wieder hinunterstieg. Die Soldaten betrachteten diese Frau, die, schwarz gekleidet und verschleiert, stets aufrecht und stolz, außerhalb ihrer Gemächer nie ihr Gesicht zeigte, mit einer Mischung aus Mitleid und Besorgnis. Abends, am Feuer, sprachen sie von ihr, riefen sich die blendende Schönheit ins Gedächtnis zurück, die seit sechs Monaten keiner von ihnen wieder gesehen hatte. Die phantastischsten Geschichten machten die Runde. Man erzählte sich sogar, die schöne Gräfin habe sich das Haar abrasiert und sich entstellt, um nie wieder die Liebe eines Mannes erregen zu können. Die Leute im Dorf bekreuzigten sich, wenn sie ihr düsteres Musselintuch sanft im Abendwind gegen den roten Himmel flattern sahen. Und mählich wurde die schöne Gräfin de Montsalvy eine Legende …

»Ihr habt recht«, erwiderte Cathérine nach einer kleinen Pause. »Ich weiß nicht, warum mich nichts mehr interessiert, ausgenommen vielleicht das Wort, das Ihr ausgesprochen habt: Rache … obgleich es im Munde eines Gottesmannes ziemlich seltsam klingt. Doch ich verstehe nicht, weshalb die Königin den Wunsch haben sollte, die Rache einer Geächteten zu unterstützen.«

»Ihr werdet in dem Augenblick nicht mehr geächtet sein, Madame, in dem die Königin Euch zu sich ruft, dann seid Ihr in Sicherheit. Und was Eure Rache betrifft, so fügt es sich, daß sie mit den Wünschen Madame Yolandes übereinstimmt. Ihr überseht, daß die Unverschämtheit La Trémoilles keine Grenzen mehr kennt; daß die Truppen des Spaniers Villa-Andrado, der in seinem Sold steht, letzten Sommer Maine und Anjou, die persönlichen Ländereien der Königin, geplündert, gebrandschatzt und verwüstet haben. Die Stunde ist gekommen, mit dem Günstling Schluß zu machen, Madame. Reist Ihr ab? Ich darf hinzufügen, daß Messire Hugh Kennedy, der ebenfalls von der Königin zurückberufen wurde, Euch zusammen mit Eurem untertänigsten Diener das Geleit geben wird.«

Zum erstenmal sah Bruder Etienne die Augen Cathérines blitzen, während ihr das Blut in die blassen Wangen stieg.

»Wer wird dann Carlat bewachen? Und meinen Sohn und meine Mutter?«

Der Mönch wandte sich zu Isabelle de Montsalvy, die immer noch reglos in ihrem Sessel saß.

»Madame de Montsalvy soll sich mit dem Kind in die Abtei von Montsalvy begeben, wo der neue Abt, der jung und energisch ist, sie erwartet. Dort werden sie in Sicherheit sein, während sie darauf warten, daß Ihr beim König die Rehabilitierung Eures Gatten und die Freigabe seines Vermögens durchsetzt. Ein neuer, vom Grafen d'Armagnac entsandter Gouverneur wird von Carlat Besitz ergreifen. Überdies war Messire Kennedy nur vorübergehend hier. Werdet Ihr kommen?«

Cathérine wandte sich ihrer Schwiegermutter zu, kniete mit einer Geste, die ihr inzwischen vertraut geworden war, vor ihr nieder und nahm die schönen, runzligen Hände in die ihren. Die Trennung von Arnaud hatte sie einander nähergebracht, wie Cathérine es nie für möglich gehalten hätte. Die anfänglich hochmütige Haltung der großen Dame gehörte der Vergangenheit an, war nur noch eine Erinnerung, und eine tiefe Zärtlichkeit, die keiner Worte bedurfte, um sich auszudrücken, vereinte die beiden Frauen.

»Was soll ich tun, Mutter?«

»Gehorchen, meine Tochter! Man sagt nicht nein, wenn die Königin Yolande ruft, und unser Haus kann durch Euren Aufenthalt da unten nur gewinnen.«

»Ich weiß. Aber es fällt mir so schwer, Euch zu verlassen, Euch und Michel, und fern zu sein von …«

Sie drehte sich von neuem zum Fenster, aber Isabelle zwang sie sanft, sich ihr wieder zuzuwenden.

»Ihr liebt ihn zu sehr, als daß die Entfernung etwas bedeutete! Geht und habt keine Furcht. Ich werde doppelt über Michel wachen.«

Cathérine küßte der alten Dame schnell die Finger und erhob sich.

»Gut also, ich werde reisen.« Ihr Blick fiel plötzlich auf den Haufen kostbarer Steine auf dem Tisch. »Einen Teil davon nehme ich mit«, sagte sie, »denn ich werde Gold brauchen. Ihr hütet den Rest, Mutter, und macht nach Belieben davon Gebrauch. Ihr könnt leicht einige Steine gegen Taler tauschen.«

Sie nahm den schwarzen Diamanten wieder in die Hand, preßte ihn zwischen den Fingern, als wollte sie ihn zermalmen.

»Wo soll ich zur Königin stoßen?«

»In Angers, Madame … Die Beziehungen zwischen dem König und seiner Schwiegermutter sind immer noch ziemlich gespannt. Die Königin Yolande ist auf ihren Ländereien sicherer als in Bourges oder in Chinon.«

»Dann nach Angers. Wenn es Euch jedoch nichts ausmacht, reisen wir über Bourges. Ich möchte Maître Jacques Coeur bitten, mir einen Käufer für diesen verfluchten Stein zu finden.«

Die Nachricht von der bevorstehenden Abreise erfüllte drei Personen mit großer Freude: Hugh Kennedy vor allem. Der Schotte fühlte sich in den Bergen der Auvergne nicht wohl, die ihn zwar an sein eigenes Land erinnerten, die er aber sehr schlecht kannte. Außerdem war ihm die Gefängnisluft der Festung, die von Cathérines Schmerz bis zum Ersticken geladene Atmosphäre unerträglich geworden. Er wurde zwischen der heftigen Neigung, die er für die junge Frau empfand, dem tiefen Wunsch, sie ihr Unglück vergessen zu machen, und dem Verlangen nach dem früheren guten Leben, den Schlachten, den Handstreichen, dem ungestümen Lagerleben und der herzhaften Männerkameradschaft von einst hin und her gerissen. Die reizenden, freundlichen Städte des Loiretals zu sehen und die Reise in Begleitung Cathérines zu machen, das war doppelte Freude! Er verlor keine Minute, um seine Vorbereitungen für die Abreise zu treffen.