»Dame Cathérine! Dame Cathérine kehrt zu uns zurück! Gott sei gelobt! Willkommen unserer Herrin!«

Er war ganz außer Atem. Bewegt und ein wenig belustigt, wollte Cathérine absteigen, um ihn zu begrüßen, aber er warf sich buchstäblich gegen das Pferd.

»Bleibt im Sattel, Herrin! Der alte Saturnin will Euch zur Abtei führen, wie er Euch damals zu seiner Meierei geführt hat.«

»Ich bin so glücklich, Euch wiederzusehen, Saturnin … und Montsalvy wiederzusehen!«

»Nicht so glücklich wie Montsalvy, Euch wiederzusehen, gnädige Dame. Seht!«

Wirklich öffneten sich wie durch ein Wunder sämtliche Fenster und Türen, Köpfe lugten heraus, Männer und Frauen traten über die Schwellen, Fackeln wurden geschwenkt. Im Augenblick war das Gäßchen festlich erleuchtet, während von überallher freudige Stimmen riefen:

»Heil! Heil unserer Dame, die zu uns zurückkehrt!«

»Ich beneide Euch«, murmelte Tristan. »Ein solcher Empfang muß ungeheuer labend sein.«

»Das ist wahr! So habe ich ihn nicht erwartet, und ich bin sehr glücklich darüber … sehr glücklich!«

Sie hatte Tränen in den Augen. Saturnin, hochaufgerichtet vor Stolz, hatte die Zügel ihres Pferdes ergriffen und führte sie langsam die Straßen entlang, zwischen zwei Reihen strahlender, von Freude und Fackelschein geröteter Gesichter hindurch, überall sah man nur leuchtende Augen, offene Münder, die Freudenrufe ausstießen.

»Was fürchtet Ihr noch?« flüsterte Tristan. »Die ganze Welt betet Euch hier an!«

»Vielleicht. Und ich weiß noch immer nicht, was ich fürchtete. Es ist wunderbar! Es ist …«

Die Worte erstarben auf ihren Lippen. Sie war vor dem Portal der Abtei angelangt, das ebenfalls weit geöffnet war. Auf der Schwelle erhob sich die riesige Gestalt Gauthiers. Cathérine erwartete, daß er bei ihrem Anblick auf sie zueilen würde, wie Saturnin es getan hatte, aber er rührte sich nicht. Statt dessen verschränkte er die Arme, als wollte er ihr den Eintritt verwehren. Sein Gesicht hatte die Unbeweglichkeit von Granit. Kein Lächeln erhellte es. Und als Cathérine dem eisigen Blick seiner grauen Augen begegnete, konnte sie sich eines Fröstelns nicht erwehren.

Von Saturnin gestützt, stieg sie vom Pferd und ging auf den Normannen zu. Er verharrte bewegungslos, ohne ihr auch nur einen Schritt entgegenzugehen. Sie versuchte zu lächeln.

»Gauthier!« rief sie. »Welche Freude, dich wiederzusehen!«

Doch aus dem verkniffenen Mund kam kein Wort des Willkommens. Nichts als ein trockenes:

»Seid Ihr allein?«

»Wie?« fragte sie verdutzt.

»Ich habe gefragt, ob Ihr allein seid«, wiederholte der Normanne ungerührt. »Ist er nicht bei Euch, dieser schöne blonde Galan, den Ihr heiraten wollt? Zweifellos ist er ein wenig zurückgeblieben, um Euch allein Einzug halten zu lassen!«

Cathérine errötete jählings, mehr aus tiefer Kränkung als aus Zorn. Die Unverschämtheit Gauthiers verwirrte sie. Er wagte es, sie brutal vor allen Leuten anzugreifen und Rechenschaft von ihr zu fordern! Wenn sie in den Augen ihrer Bauern nicht das Gesicht verlieren wollte, mußte sie zurückschlagen. Ihr kleines Kinn vorschiebend, schritt sie entschlossen dem Portal zu.

»Platz!« sagte sie trocken. »Wer hat dir erlaubt, mir Fragen zu stellen?«

Gauthier rührte sich nicht von der Stelle. Er versperrte weiter den Eingang mit seiner riesigen Gestalt. Tristan runzelte die Stirn, legte die Hand auf den Degen. Aber Cathérine hielt ihn zurück.

»Laßt, Freund Tristan. Das ist meine Sache! Also«, befahl sie scharf, »laß mich durch. Empfängt man so eine Lehnsherrin, die in ihr Haus zurückkehrt?«

»Das ist nicht Euer Haus, sondern das des Abtes! Und was die Herrin betrifft, Dame Cathérine, seid Ihr dieses Titels noch würdig?«

»Welche Anmaßung!« rief Cathérine außer sich. »Bin ich dir Rechenschaft schuldig! Ich will meine Schwiegermutter sehen!«

Wie mit Bedauern trat Gauthier zur Seite. Cathérine schritt hocherhobenen Hauptes an ihm vorbei und betrat den Hof der Abtei. Kalt rief er ihr nach:

»Beeilt Euch! Denn sie wird nicht mehr lange leben!«

Wie von einem Peitschenhieb getroffen, blieb Cathérine stehen. Einen Moment schien sie wie erstarrt, dann wandte sie sich langsam um und warf dem Normannen einen entsetzten Blick zu.

»Wie?« stammelte sie. »Was hast du gesagt?«

»Daß sie im Sterben liegt! Aber das wird Euch ja nicht sehr berühren! Ein weiteres hinderliches Band, das nun wegfallen wird!«

»Ich weiß nicht, wer du bist, Freund«, warf Tristan wütend ein, »aber du hast ein sonderbares Benehmen! Wieso diese Grobheit deiner Herrin gegenüber?«

»Wer seid Ihr?« fragte Gauthier verächtlich.

»Tristan l'Hermite, Stallmeister des Herrn Konnetabel, vom König beauftragt, die Gräfin de Montsalvy nach Hause zu geleiten und darüber zu wachen, daß ihr nichts zustößt. Zufrieden?«

Gauthier nickte. Aus ihrer Eisenklammer nahm er eine Fackel, die dicht unter dem Kreuzgewölbe brannte, und ging schweigend den Reisenden zum Gästehaus der Abtei voraus. Nach der Aufregung und dem Gelärm des Dorfes war die Stille des Klosters auffallend. Die Mönche hatten sich bereits in ihre Zellen zurückgezogen, der Abt war unsichtbar. Nur einige Kerzen brannten hinter den kleinen Fenstern des Gästehauses. Auf der Schwelle stand niemand, und Cathérine hielt Gauthier plötzlich an, indem sie seinen Arm ergriff:

»Und Sara? Ist sie hier?«

Er sah sie mit überraschten Augen an.

»Warum sollte sie hier sein? Sie hat Euch nie verlassen …«

»Doch, sie hat mich verlassen«, entgegnete Cathérine betrübt. »Sie hat mir gesagt, sie kehre nach Montsalvy zurück. Mehr weiß ich nicht, auch unterwegs habe ich sie nicht getroffen.«

Gauthier antwortete nicht sofort. Seine grauen Augen hefteten sich für einen Moment prüfend auf die Cathérines. Er hob die breiten Schultern und murmelte mit bitterer Ironie:

»Sie auch! Dame Cathérine, wie konntet Ihr uns das alles antun?«

Im höchsten Grad erbittert, schrie sie fast:

»Was antun? Was habe ich denn getan, um euer aller Mißbilligung zu verdienen? Was werft ihr mir vor?«

»Uns diesen Mann geschickt zu haben!« erwiderte Gauthier schroff. »Ihr hättet Euch ihm hingeben können, wenn Euch das richtig erschien, ohne ihn herzuschicken und ihn mit seiner angeblichen großen Liebe hier paradieren zu lassen! Woran, glaubt Ihr, stirbt die Dame de Montsalvy … in Wahrheit? An den vertraulichen Mitteilungen Eures Geliebten!«

»Er ist nicht mein Geliebter!« wandte Cathérine wütend ein.

»Eures künftigen Gatten also! Das ist dasselbe.«

Mit beiden Händen umklammerte Cathérine die riesige Hand des Normannen. Ein unwiderstehlicher Drang, sich zu rechtfertigen, erfüllte sie. Sie konnte es einfach nicht mehr aushalten, noch länger unter dieser Anklage zu stehen.

»Hör zu, Gauthier. Wirst du mir glauben, wenn ich dir versichere, daß er es nicht und niemals sein wird, daß ich ihn aller Wahrscheinlichkeit nach niemals wiedersehen werde?«

Zunächst antwortete der Riese nicht. Er schien eher in den Augen Cathérines nach einer Antwort zu suchen, doch nach und nach schwand die Härte aus seinem Gesicht. Spontan nahm er beide Hände der jungen Frau in die seinen.

»Ja«, sagte er mit neuer Wärme, »ich werde Euch glauben! Und wie gern! Jetzt kommt, kommt schnell und sagt ihr, daß es nicht wahr ist, daß Ihr nie daran dachtet, Messire Arnaud zu ersetzen! Sie hat so sehr darunter gelitten!«

Tristan l'Hermite beobachtete sie erstaunt. Offensichtlich begriff er nichts von dem, was sich vor ihm abspielte. Daß Cathérine, eine große Dame, sich dazu hergab, sich vor diesem Bauernlümmel zu rechtfertigen, ging nun wirklich über sein Verständnis! Cathérine bemerkte es, wandte sich ihm mit der Andeutung eines Lächelns zu und sagte kurz:

»Ihr könnt nicht verstehen, Freund Tristan! Ich werde es Euch erklären!«

Er verneigte sich, ohne zu antworten, dachte, daß er bis auf weiteres zweifellos überflüssig sei, und fragte, ob man ihn freundlicherweise an einen Ort führen würde, wo er seine Männer für die Nacht unterbringen und sich selbst ausruhen könne. Gauthier wies auf einen dicken, schläfrigen Mönch, der ein paar Schritte hinter ihnen gähnte, als ob er sich gleich die Kinnlade ausrenken würde.

»Das ist Bruder Eusebius, der Pförtner, der sich um Euch kümmern wird. Die Tiere kommen in den Stall, die Männer finden ein Strohlager in einer Scheune, und Ihr bekommt eine Zelle.«

Wieder verneigte sich Tristan vor Cathérine und folgte dann Bruder Eusebius an der Spitze seiner Männer. Die junge Frau schritt nicht ohne Bewegung über die Schwelle dieses Gästehauses, das sie vor so vielen Monaten mit Arnaud und Bernard verlassen hatte, um nach Carlat zu gehen und dort das zu finden, was sie für das Glück hielt. Aber mit aller Kraft verjagte sie diese niederdrückenden Bilder, denn das, was sie jetzt erwartete, erforderte ihren ganzen Mut.

In der kleinen Halle mit ihrer niedrigen, gewölbten Decke blickte sie Gauthier an:

»Mein Sohn?«

»Er schläft zu dieser Stunde.«

»Laß mich ihn sehen! Es ist so lange her!«

Ein kurzes Lächeln spielte um Gauthiers Lippen, und er nahm Cathérine bei der Hand.

»Kommt! Das wird Euch Mut machen.«

Er zog sie in ein kleines dunkles Zimmer, von dem eine offene Tür in einen anderen, schwach erleuchteten Raum führte, in dem Cathérine Donatienne, die Frau Saturnins, bemerkte. Sie hockte auf einem Bänkchen und schien eingeschlafen zu sein. Der Schein der Kerze zuckte über die verbrauchten Züge der alten Frau und verriet ihre Müdigkeit. Gauthier zeigte mit einer Bewegung auf sie und murmelte: