»Na und?« begehrte Cathérine ärgerlich auf. »Daß Pierre de Brézé sich als mein Ritter erklärt und öffentlich seine Liebe bekennt, geht Messire Bernard d'Armagnac gar nichts an. Die Tatsache, daß er ein Vetter des Königs ist, gibt ihm nicht das Recht, sich in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen, möchte ich annehmen!«
Saras Augen verengten sich, während sie Cathérine scharf ansah.
»Es ist nicht der Vetter des Königs, der sich in deine Angelegenheiten eingemischt hat. Es ist der Jugendfreund deines Gatten, Cathérine! … Ich hab' dich schon einmal vor deiner Neigung für den jungen Brézé gewarnt. Schon verführt sie dich zur Undankbarkeit. Als Bernard dich in Montsalvy vorm Scheiterhaufen rettete, als er dir Carlat als Zufluchtsort bot, hast du ihm nicht vorgeworfen, daß er sich in deine Angelegenheiten mische. Erinnere dich an die echte, tiefe Liebe, die ihn an Messire Arnaud bindet. Dieser Mann wird es nie überwinden, dich einem anderen zugehörig zu sehen. Er hat den Instinkt eines Wachhundes, der in Abwesenheit seines Herrn dessen Gut behütet. Du gehörst seinem Freund, und nichts wird ihn das vergessen machen.«
»Wenn es mein Wunsch wäre, hätte niemand etwas dazu zu sagen!« erwiderte Cathérine trocken. Sie fühlte sich unbehaglich, innerlich und äußerlich, denn die Juninacht war warm, und sie glaubte in dem schwarzen Flor, der ihr Gesicht umschloß, zu ersticken. Gereizt wollte sie einen der Schleier lösen, aber ihre nervösen Finger waren ungeschickt; sie stach sich, riß ein Stück aus dem zarten Stoff.
»Hilf mir doch!« sagte sie ärgerlich. »Du siehst doch, daß es mir nicht gelingt.«
Sara lächelte und machte sich ruhig daran, die Stecknadeln eine nach der anderen herauszuziehen. Sie hatte Cathérine auf einen Schemel gesetzt und verhielt sich für ein Weilchen still. Wenn der Zorn sich dieses überempfindlichen Wesens bemächtigte, war es besser zu schweigen, bis es sich wieder beruhigte. Nachdem sie sie von ihrem zarten Schleierkopfputz befreit hatte, schnürte sie ihr das Kleid auf und zog es ihr aus. Als Cathérine nichts mehr auf dem Leib hatte als ein dünnes Batisthemd, begann sie, das kurze Haar zu bürsten, das sich bereits auf dem Kopf der jungen Frau lockte und ihr das fremde, zauberhafte Antlitz eines griechischen Hirten verlieh. Erst als sie merkte, daß Cathérine sich allmählich entspannte, erkundigte sie sich vorsichtig:
»Darf ich dir eine Frage stellen?«
»Aber … natürlich!«
»Wie, glaubst du wohl, hätte sich Messire de Xaintrailles gegenüber Brézé verhalten … oder auch der Hauptmann La Hire?«
Cathérine antwortete nicht, und Sara gab sich mit diesem Schweigen zufrieden, das ihrer Meinung nach die beste Antwort war. Gewiß hätte der jähzornige La Hire an Ort und Stelle, König hin, König her, den Unvorsichtigen gefordert, der es wagte, eine von ihm sicher als ungehörig betrachtete Liebe für die Frau seines Freundes zur Schau zu tragen. Was Xaintrailles betraf, konnte Cathérine sich mühelos seine zornblitzenden braunen Augen und das drohende Lächeln vorstellen, das seine Lippen wie die Lefzen eines Wolfs zurückzog. Und sie war zu ehrlich, um sich nicht einzugestehen, daß das Recht auf ihrer Seite gewesen wäre, aber sie wollte es nicht zulassen, daß man sie wie ein verantwortungsloses kleines Mädchen behandelte, das sich nicht zu benehmen wußte und auf das man aufpassen mußte. Das Bedürfnis, sich ihre Unabhängigkeit zu bewahren, bemächtigte sich ihrer gebieterisch und trieb sie zur Herausforderung. Nachdem sie frisiert war, ließ sie sich ein leichtes, knisternd frisches weißes Hauskleid geben, das ein breiter Silbergürtel unter der Brust zusammenhielt, legte etwas Rot auf die Lippen, drehte sich dann zu Sara um und warf ihr einen herrischen Blick zu.
»Hol mir Messire de Brézé!« befahl sie.
Vor Verblüffung blieb Sara stumm. Dann wurde sie puterrot und wiederholte:
»Ich soll …«
»Ihn mir holen, jawohl!« sagte Cathérine lächelnd. »Ich möchte ihn augenblicklich sprechen. Und sorge dafür, daß Bernard ihm nicht wie ein Spürhund folgt. Beruhige dich, du wirst bei unserer Unterhaltung dabeisein!«
Sara zögerte einen Augenblick. Sie hatte große Lust, sich zu weigern, aber sie wußte nur zu gut, daß Cathérine imstande war, selbst zu gehen.
»Warum nicht?« erwiderte sie endlich. »Schließlich ist es deine Angelegenheit! Es betrifft dich!«
Voller Würde begab sie sich hinaus, was der jungen Frau ein neues Lächeln entlockte. Ihre alte Sara beherrschte die wunderbare Kunst der Haltungen und kultivierte die Tragödie mit seltenem Geschick. Es war ihre Methode, sich gegen sie aufzulehnen.
Einige Augenblicke später kehrte die Zigeunerin mit einem vor Freude blassen Pierre de Brézé zurück, der, kaum über die Schwelle getreten, sich Cathérine zu Füßen warf, ihre Hände ergriff und sie mit Küssen bedeckte.
»Meine süße Dame! Der Wunsch, Euch zu sehen, hat mich verzehrt. Ihr habt es gefühlt und mich gerufen! Wie glücklich ich bin!«
Er brannte vor Leidenschaft, von neuem zu allen Verrücktheiten bereit, und Cathérine genoß einen Augenblick das Vergnügen, diesen jungen Löwen, dessen Kraft sich mit Schönheit paarte, so innig unterworfen zu ihren Füßen zu sehen. Welcher Frau würde es nicht schmeicheln, einen solchen Mann zur Liebe zu inspirieren? … Dabei entging ihr keineswegs, daß Sara sich trotz ihrer Bereitschaft, sich zu fügen, die sie beim Hinausgehen hatte erkennen lassen, im Hintergrund des Zimmers im Schatten der Bettvorhänge verborgen hielt, die Hände über dem Bauch gefaltet, fast unsichtbar, aber dennoch anwesend, und das in einer zu allem entschlossenen Haltung, die nichts Gutes ahnen ließ.
Es war besser, nicht ihren Zorn zu erregen.
»Steht auf, Messire«, sagte sie sanft, »und setzt Euch neben mich auf diese Bank. Ich wollte Euch ohne Zeugen sprechen … zuerst, um Euch zu danken, daß Ihr nach Montsalvy geritten seid, denn Ihr hättet auch einen Reiter des Großen Marstalls schicken können. Das war sehr liebenswürdig von Euch, und ich weiß Euch Dank dafür.«
Pierre de Brézé schüttelte den blonden Kopf und lächelte.
»Ihr hättet sicher nicht gewollt, daß ich einen Fremden beauftragt hätte, sich mit etwas zu beschäftigen, was Euch so unmittelbar betrifft. Ich wollte, daß Ihr außer dieser Pergamentrolle aus meinem Munde Nachrichten von Eurer Familie empfangt, nach denen Ihr Euch sicherlich gesehnt habt.«
Ein glückliches Lächeln öffnete halb die Lippen Cathérines.
»Das ist wahr!« sagte sie freundlich. »Erzählt mir von meinem Sohn! Wie geht es ihm?«
»Wunderbar! Er ist schön, kräftig, fröhlich … Er spricht schon ganz gut, alle gehorchen ihm … angefangen mit einem rothaarigen Riesen, der sich Gauthier nennt und ihm überallhin folgt! Euer Sohn ist das schönste Kind, das ich je gesehen habe. Er ähnelt Euch!«
Aber Cathérine schüttelte den Kopf.
»Haltet Euch nicht zu lügen verpflichtet, wie sie Eltern immer zu verlangen scheinen, mein Freund. Michel ist Montsalvy von Kopf bis Fuß!«
»Er hat Euren Charme … das ist das Wichtige!«
»Um ein wahrer Ritter zu sein, wäre es für ihn besser, wenn er den seines Vaters hätte!« brummte Sara hinter ihren Bettvorhängen. »Hübsches Kompliment für eine Frau, ihr zu sagen, ihr Sohn sei ihr lebendes Ebenbild!«
Verdutzt warf Pierre einen Blick zum Bett hinüber. Cathérine lachte – nicht ganz ungezwungen, um die Wahrheit zu sagen. Sie sah das Gewitter heraufziehen. Sara war nicht die Frau, ihre Gefühle für sich zu behalten.
»Sara, nörgle hier nicht herum! Messire de Brézé hat mir nur zu Gefallen sein wollen. Komm her!«
Die Zigeunerin trat unwillig näher. Sie gab sich sichtlich große Mühe, die Aversion, die sie gegen den jungen Mann hegte, zu verbergen.
»Für mich wäre das kein Gefallen! Wie es mir auch nicht gefallen wird, wenn man morgen darüber klatscht, daß Messire de Brézé in diesem Zimmer gewesen ist.«
»Ich werde schon wissen, wie ich die bösen Zungen zum Schweigen bringe!« rief der junge Mann. »Ich werde die Urheber zur Zurücknahme ihrer Verleumdungen zwingen, mit dem Degen, wenn's sein muß!«
»Von einer Verleumdung bleibt immer etwas zurück! Wenn Ihr Dame Cathérine wirklich liebt, bleibt nicht hier, Messire. Es ist die erste Nacht, die sie in diesem Schloß verbringt, und sie ist Witwe! Ihr hättet gar nicht hierherkommen dürfen!«
»Aber Ihr habt mich doch geholt! Und welcher Mann würde auch nur einen Augenblick ein Glück ablehnen, das man ihm anbietet?« fügte er hinzu, Cathérine mit Bewunderung anblickend. »Jedesmal, wenn ich Euch sehe, seid Ihr schöner, Cathérine … Warum weigert Ihr Euch, mich für immer für Euch sorgen zu lassen?«
»Weil«, rief Sara, endlich die Geduld verlierend, als sie sah, daß Pierre sich nicht von der Stelle rührte, »meine Herrin erwachsen genug ist, für sich selbst zu sorgen. Außerdem bin ich noch da!«
»Sara!« rief Cathérine, rot vor Zorn. »Du gehst zu weit. Ich bitte dich, uns allein zu lassen!«
»Und ich lasse es nicht zu, daß du deinen Ruf ruinierst. Wenn dieser Herr so viel von dir hält, wie er behauptet, wird er mich verstehen.«
»Du vergißt, daß er uns gerettet hat!«
»Wenn es nur geschehen ist, um dich um so tiefer ins Unglück zu stürzen, kann ich ihm nicht dankbar sein!«
Pierre de Brézé hatte einen Augenblick geschwankt, was er tun sollte. Er schwankte zwischen der Lust, dieser dicken Frau, in der er nur eine unverschämte Dienerin sah, barsch Schweigen zu gebieten, und der Furcht, Cathérine zu mißfallen. Indes, er zog es vor, die Waffen zu strecken.
»Sie hat recht, Cathérine. Es ist besser, wenn ich Euch verlasse, wenn ich auch nicht genau verstehe, wessen sie mich bezichtigt. Ich habe nichts anderes getan, als Euch von ganzem Herzen, mit allem, was ich bin, zu lieben …«
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