In ihre Träumerei versunken, fuhr sie auf, als die Stimme der Königin plötzlich verkündete:

»Ehe wir uns trennen, schwört von neuem, Messeigneurs, wie Ihr es in Vannes getan habt, unser Geheimnis getreulich zu bewahren und nicht zu ruhen und zu rasten, bis der Mann, dessen Untergang wir uns geschworen haben, zu Boden geworfen ist. Schwört bei der Heiligen Jungfrau und dem Herrn Jesus Christus!«

In einer einzigen Bewegung streckten die Ritter die rechte Hand aus und legten sie auf das Kreuz aus Saphiren, das sich der Bischof vom Hals genommen hatte und ihnen nun hinhielt.

»Wir schwören es!« riefen sie einstimmig. »La Trémoille muß fallen, oder wir werden untergehen!«

Dann kamen sie, einer nach dem anderen, und beugten das Knie vor Yolande, die allen die Hand zum Kusse bot, und verließen darauf den Saal der Gobelins. Als einzige blieben Richemont und Tristan l'Hermite zurück, um die Einzelheiten des Vorhabens zu besprechen. Während die Königin und der Konnetabel sich unterhielten, ging Cathérine auf den Flamen zu.

»Ich möchte Euch danken«, sagte sie. »Eure Idee hat uns alle gerettet, und ich kann nicht umhin, in ihr ein Zeichen des Schicksals zu sehen. Ihr konntet nicht wissen, daß meine Amme …«

»Dennoch wußte ich es, Madame«, erwiderte Tristan mit einem dünnen Lächeln. »Dankt mir nicht mehr, als recht und billig ist. Denn nicht ich habe Euch eine Idee eingegeben, Dame Cathérine, sondern Ihr mir!«

»Ihr wußtet es? Wieso?«

»Ich weiß stets alles, was ich wissen will! Aber seid ohne Sorge, ich werde Euch ebenso treu dienen, wie ich dem Konnetabel diene.«

»Warum? Ihr kennt mich doch nicht.«

»Nein. Aber ich brauche einen Menschen, Mann oder Frau, nicht zweimal anzusehen, um seinen Wert zu kennen. Ich werde Euch aus dem besten und einfachsten Grunde dienen: weil ich's gern tue!«

Der rätselhafte Flame grüßte und trat wieder zu seinem Herrn, Cathérine nachdenklich zurücklassend. Wer war dieser merkwürdige Mann, der als einfacher Stallmeister wie ein Herr sprach und anscheinend durch Mittel, die nur ihm bekannt waren, alles wußte, was die Leute, mit denen er zusammenkam, betreffen konnte? Daß er etwas Beunruhigendes an sich hatte, leugnete Cathérine nicht, und trotzdem empfand sie keine Furcht bei dem Gedanken, daß er bei dem bevorstehenden Abenteuer ihr Partner sein würde. Vielleicht der Solidität wegen, die von ihm ausstrahlte, einer anderen zwar als der, wie sie Gauthier gegeben war, doch auf ihre Art ebenso beruhigend!

Sie hatte Eile, zu Sara zurückzukehren, um sie ins Bild zu setzen, und bat, sich zurückziehen zu dürfen, was ihr sogleich gestattet wurde. Die Königin und der Konnetabel hatten noch ernste Dinge zu besprechen, die nicht für uneingeweihte, wenn auch treue Ohren bestimmt waren. Doch als sie den Saal verließ, stieß Cathérine auf Pierre de Brézé. Der junge Mann wanderte in der Galerie am Wasserrand auf und ab und kam, als er sie auftauchen sah, auf sie zu. Er schien sehr erregt und bewegt.

»Holde Dame«, sagte er mit besorgter Stimme, »haltet mich nicht für einen Narren, doch gewährt mir gnädigst einige Augenblicke des Gesprächs. Ich habe Euch vieles zu sagen.«

»So viel?« entgegnete Cathérine schnippisch, halb ernst, halb scherzhaft. »Ich dachte, wir hätten uns gestern abend alles gesagt, was zu sagen war.«

Die Erwähnung ihres vorangegangenen Renkontres trieb Brézé die Schamröte ins Gesicht, und Cathérine konnte trotz des Grolls, den sie noch gegen ihn empfand, nicht umhin, an diesem Koloß, der wie ein junges Mädchen errötete, einen gewissen Charme zu finden. Zudem sah er gut aus, hatte regelmäßige und reine Züge, die an die der Montsalvys erinnerten, besonders an die Michels, des hellen Haars und der blauen Augen wegen, und als Cathérine dies feststellte, spürte sie, wie das instinktive Ressentiment, das er ihr anfangs eingeflößt hatte, schwand. Sie blickte ihn etwas weniger streng an und ließ sich sogar von ihm zu einer der Fensternischen führen. Dort setzte sie sich auf die Steinbank und hob die Augen zu ihm auf.

»Nun, ich höre! Was habt Ihr mir zu sagen?«

»Zuerst, Vergebung für gestern. Ich kam geradewegs von einem Auftrag aus dem Haut-Maine zurück und ging direkt in dieses Zimmer, das in normalen Zeiten das meine ist. Ich wußte nicht, daß es besetzt war.«

»Wenn es so ist, so sei Euch verziehen. Seid Ihr nun zufrieden?«

Er antwortete nicht sofort. Seine nervösen Finger zerrten an den langen, mit grauer Seide unterfütterten Einschnitten seines Wamses aus blauem Tuch, dessen einziger Schmuck aus dem gestickten Kreuz von Jerusalem auf seiner Brust bestand.

»Ich habe noch etwas zu sagen!« meinte er schließlich gedämpft, ohne zu wagen, das zarte, so rührende Gesicht in der Einrahmung seiner schwarzen Schleier anzusehen. Pierre de Brézé war noch nie einer so schönen Frau begegnet, und die Vollkommenheit, die er, ohne zu wollen, entdeckt hatte, das Licht, das aus diesen wunderbaren blauen Augen strahlte, dies alles erregte ihn derart, daß er bebte. Er, der Ritter der Königin, der Mann, vor dem Lord Scales und Thomas Hampton geflohen waren, er, kraftlos und entwaffnet, wünschte jetzt nichts sehnlicher, als das Knie zu beugen und anzubeten. Cathérine war viel zu sehr Frau, zu feinfühlig, um die Verwirrung dieses großen Jungen nicht wahrzunehmen, aber sie war entschlossen, der Versuchung nicht nachzugeben, so charmant sie auch sein mochte.

»Sprecht!« sagte sie ruhig.

Er ballte die Fäuste, holte tief Atem wie ein Schwimmer, der ins Wasser springt, und sagte dann:

»Gebt diesen wahnsinnigen Plan auf, geht nicht da hinunter! Wollt Ihr, daß La Trémoille stirbt? Nun, ich schwöre, daß ich ihn vor dem gesamten Hof, ja vor dem König persönlich in Eurem Namen niederstrecken werde …«

»Ihr würdet nur in Euer Verderben rennen. Der König würde Euch verhaften, ins Gefängnis werfen und ohne Zweifel hinrichten lassen.«

»Was spielt das für eine Rolle?! Lieber renne ich in mein Verderben, als Euch ins Verderben rennen zu sehen! Allein der Gedanke an das, was Ihr tun wollt, macht mich wahnsinnig! Seid barmherzig … gebt es auf!«

»Barmherzig zu wem?« fragte Cathérine leise.

»Zum einen zu Euch selbst … und auch zu mir! Was nützen die Ausflüchte, die großen Worte und das Gerede? Für solche Sachen eigne ich mich nicht, bin vor allem Soldat. Aber ihr wißt bereits, daß ich Euch liebe, ich brauche es Euch nicht noch zu sagen!«

»Und … da Ihr mich liebt, wollt Ihr für mich sterben?«

Er fiel auf die Knie, hob der jungen Frau sein von Leidenschaft gezeichnetes Gesicht entgegen, das sie erschreckte. Dieser Junge war aus schönem und reinem Metall gemacht, er verdiente, geliebt zu werden, und sie wollte nicht, daß er sich in die Sackgasse ihres Schicksals verrannte. Indessen murmelte er:

»Ich wünsche nichts anderes.«

»Und ich will, daß Ihr lebt. Ihr liebt mich, sagt Ihr? Und diese Liebe treibt Euch, für mich sterben zu wollen? Dann müßt Ihr verstehen, was mich bewegt, müßt den Wunsch verstehen, der mich treibt, für das Andenken des Mannes, dessen Namen ich trage, alles zu riskieren … des einzigen Mannes, den ich je geliebt habe und immer lieben werde!«

Er senkte den Kopf, dachte über das Endgültige ihrer Worte nach.

»Ich gebe mich nicht der Illusion hin, eines Tages von Euch geliebt zu werden«, murmelte er. »Ich habe Arnaud de Montsalvy oft gesehen, der damals schon Feldhauptmann war, während ich nur Page oder Knappe war, und niemals, glaube ich, habe ich einen Mann mehr bewundert als ihn. Ich habe ihn auch beneidet. Er war alles, was ich sein wollte: tapfer, stark, selbstsicher! Welche Frau, die die Liebe eines solchen Mannes besitzt, könnte einen anderen lieben? Ihr seht … ich mache mir keine Illusionen.«

»Dennoch«, entgegnete Cathérine, bewegter, als sie sich zeigen wollte, »gehört Ihr zu denen, die eine Frau sehr wohl lieben kann.«

»Aber neben ihm, nicht wahr, werde ich niemals bestehen können? Das wolltet Ihr mir doch zu verstehen geben, Dame Cathérine? So sehr habt Ihr ihn geliebt?«

Ein scharfer Schmerz durchbohrte Cathérines Herz bei der Erinnerung an das, was sie verloren hatte. Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, Tränen traten ihr in die Augen, und sie ließ sie ohne Scham fließen.

»Ich liebe ihn immer noch mehr als alles in der Welt! Ich würde mein Leben hingeben, Messire, und meine ewige Seligkeit, um ihn wiederzufinden … und sei es auch nur für eine Stunde! Ihr seht, ich verschweige Euch nichts. Soeben spracht Ihr mir von den Gefahren, in die ich mich begeben würde. Aber hätte ich keinen Sohn, hätte ich den Tod schon lange gesucht, um wenigstens das Recht zu haben, mich mit ihm zu vereinen.«

»Also Ihr seht, Ihr müßt leben! Oh, laßt mich Euch helfen, laßt mich Euer Freund sein, Euer Verteidiger! Ihr seid zu zart, um in dieser gnadenlosen Zeit ohne Hilfe zu existieren! Ich schwöre, ich werde Euch mit meiner Liebe nicht behelligen, werde nichts anderes verlangen als das Recht, Euer Ritter zu sein. Heiratet mich! Ich habe einen guten Namen, ein Vermögen … und großen Ehrgeiz.«

Verdutzt trocknete Cathérine sich die Tränen und wußte nicht sofort, was sie darauf antworten sollte. Sie erhob sich, während er seine kniende Stellung nicht aufgab.

»Ihr habt's aber eilig!« sagte sie artig. »Wie alt seid Ihr eigentlich?«

»Dreiundzwanzig Jahre.«

»Ich bin fast zehn Jahre älter!«

»Was macht das schon! Ihr seht wie ein junges Mädchen aus und seid die schönste Dame, die je den Fuß auf die Erde setzte! Ob Ihr wollt oder nicht, Ihr werdet meine Dame sein, und ich werde nur Eure Farben tragen!«

»Meine Farben, Messire, sind die der Trauer, Schwarz und Silber. Hattet Ihr denn keine Dame, ehe Ihr mich kennenlerntet?«