Mittlerweile richteten sich alle Blicke, auch der Cathérines, auf den Konnetabel. Den Kopf gesenkt, die Arme über der Brust gekreuzt, schien er in tiefes Nachdenken versunken. Schließlich war es der mehr als achtzigjährige Bischof, der das Schweigen brach. Seine Stimme zitterte wie ein gesprungenes Glöckchen.

»Zweimal, Sire Konnetabel, habt Ihr den König trotz seines Widerstrebens von seinen unwürdigen Favoriten befreit. Werdet Ihr beim drittenmal Furcht haben? Ist der Sire de La Trémoille mehr als Pierre de Giac oder der Camus de Beaulieu? Den ersten habt Ihr in einen Sack stecken und in den Auron werfen, den zweiten habt Ihr erwürgen lassen. Warum also lebt La Trémoille noch?«

»Weil er besser als die anderen auf der Hut ist. Giac glaubte sich vom Teufel beschützt, dem er seine rechte Hand verkauft hatte. Beaulieus Kopf war nur eine leere Klapper. Trémoilles Kopf ist voll Verschlagenheit und gefährlicher Tücke. Er weiß, daß er verhaßt ist, und handelt entsprechend. Wir haben seinen Untergang beschworen, aber es scheint, daß es keine leichte Sache ist, es zu verwirklichen.«

Der Bischof lachte trocken auf.

»Es handelt sich nur darum zuzuschlagen. Ich sehe nicht, was Euch abhält. Ihr habt Euch vom Hof ferngehalten. Gut! Aber Ihr habt genügend zuverlässige Männer …«

»Und was soll so ein zuverlässiger Mann tun?« warf Richemont barsch ein. »Wer sein Vertrauen nicht hat, kann sich La Trémoille überhaupt nicht nähern. Aus dem König, von dessen Seite er nie weicht, hat er seinen ersten Wächter gemacht. Seit dem Sommer hat er sich mit ihm in die Festung Amboise eingeschlossen und hat sie nur ein einziges Mal, mit dem König natürlich, zu einem kurzen Aufenthalt in seinem eigenen Schloß Sully verlassen. Uns fehlt nicht der Wunsch zu töten, sondern das Mittel dazu!«

Der trübsinnige Ton des Konnetabels ließ Cathérines Blut gerinnen. Sie sah, daß sich die Hand Yolandes um die Armlehne des Thronsessels krampfte, spürte die Gereiztheit der Königin in ihrem eigenen Fleisch. Wozu diese Ausflüchte, diese Fragen, die anscheinend ohne Antwort bleiben mußten? Wem nützte diese Zusammenkunft, wenn man nur die Ohnmacht der Verschworenen feststellen konnte? Doch da die Königin schwieg, wagte auch sie nicht zu sprechen. Zudem erhob sich der Bischof jetzt erregt.

»Ein geschickter Bogenschütze kann jedes Ziel, ganz gleich, wo, treffen. Wenn La Trémoille ausreitet …«

»Er reitet eben nie aus! … Er ist so dick und schwer geworden, daß ihn kein Pferd mehr tragen könnte. Er reist in einer geschlossenen Sänfte, von Wachen umgeben, und trägt ein Panzerhemd unter seinen Seidenkleidern.«

»Er trägt kein Panzerhemd, wenn er schläft, möchte ich annehmen. Benutzt die Nacht …«

»Er teilt nicht einmal mehr das Quartier des Königs, das er für zu unsicher hält. Im Schloßturm, bewacht von fünfzig Bewaffneten, überläßt sich La Trémoille nachts dem Schlaf.«

»Dann mit Gift, während der Mahlzeiten …«

Richemont lächelte müde. Diesmal antwortete sein Freund Prégent de Coétivy mit ernster Stimme:

»Seine Gerichte und Weine werden von drei Offizieren des Königs vorgekostet.«

Monseigneur de Bueil stieß einen Zornesruf aus, riß sich die Brille herunter und warf sie auf den Boden.

»Ist das alles, was Ihr uns zu sagen habt, Sire Konnetabel? Ihr beteuert hier Eure Ohnmacht, oder ist La Trémoille vielleicht der verkörperte Teufel? Bei Gottes Tod, Monseigneur, es handelt sich um einen Menschen aus Fleisch und Blut, von anderen schwachen und habgierigen Menschen umgeben, die man kaufen können muß und die ihre Treue gewiß gegen eine gewichtige Summe Goldes verkaufen würden.«

»Ich mißtraue einer Treue, die käuflich ist, Seigneur Bischof. Was wir brauchten, ist ein fähiger Mann, der nicht nur bereit ist, sich ganz der Sache hinzugeben, sondern auch dazu, sein Leben zu opfern, denn der Mörder müßte unter den Augen des Königs selbst zuschlagen und käme nicht lebend davon. Wer unter Euch, Messires, ist bereit, La Trémoille den Dolch in die Kehle zu stoßen und danach unter den Hieben der Wachen zu fallen?«

Eine drückende Stille folgte der sarkastischen Frage des Konnetabels. Die Ritter sahen sich verlegen an, und eine Welle von Wut stieg in Cathérine empor. Diese Männer hatten ihren Ruf als Helden nicht mehr zu begründen. Unter den Tapfersten waren sie die Besten, und doch wagte keiner vorzutreten, wagte keiner, sein eigenes Leben gegen das ihres Feindes aufs Spiel zu setzen. Sie wollten gern bei hellichtem Tag, unter den funkelnden Strahlen der Sonne des Ruhmes kämpfen, bei Waffengeklirr und dem seidenweichen Knattern des Lilienbanners, aber im Schatten töten, überraschend zuschlagen und darauf unter den Hieben der Diener fallen, das wiesen ihr Stolz und ihr Hochmut mit aller Macht zurück. Vielleicht hielten sie sich auch für zu wichtig für das Königreich, zu nötig für den Glanz der Waffen Frankreichs, um sich zum Scharfrichter herabwürdigen zu lassen? … Oder hatten sie vielleicht noch nicht genug unter den Händen La Trémoilles gelitten? Müßten sie sonst nichts sehnlicher wünschen als seinen Tod, sein Blut … mit allen Mitteln? Sie verfolgten ihn mit einem Haß ohne Glut, und ihr Kampf war ein politischer Kampf, mit dem edlen, aber kalten Ziel, die Macht und die Person des Königs seinen unwürdigen Händen zu entreißen. Aber dieser Haß glich nicht dem Haß in ihr, der aus dem tiefsten Innern einer verzweifelten Frau geborenen Wut, die um alles, was ihr einziger Lebenssinn gewesen, betrogen worden war. Diese Männer waren lediglich bei Hofe unerwünscht, und einige hatten mit ansehen müssen, wie eine ihrer Städte durch La Trémoille verwüstet worden war, aber ihre Schlösser hatten sie nicht in Flammen stehen sehen, ihren Namen beschmutzt, ihr Leben bedroht und das ihnen teuerste Wesen für immer aus der Reihe der Lebenden ausgelöscht.

Ein bitterer Geschmack füllte Cathérines Mund, während grimmiger Zorn sich ihrer bemächtigte. Und als die ernste Stimme der Königin in einem Anflug von Mißvergnügen sagte: »Trotzdem, Messires, müssen wir uns für einen Plan entscheiden!«, verließ sie ihren Platz und sank vor dem Thron auf die Knie.

»Wenn es Eurer Majestät gefällt, bin ich bereit, den Schritt zu tun, vor dem sich diese Ritter scheuen! Ich habe nichts mehr zu verlieren außer dem Leben … und das achte ich gering, wenn ich meinen vielgeliebten Gemahl rächen kann. Geruht nur, Madame, Euch zu erinnern, daß ich einen Sohn habe, und haltet Eure schützende Hand über ihn.«

Ein zorniges Grollen begrüßte diese Worte. Wie ein Mann waren die Herren den Thronstufen zugeeilt, auf denen Cathérine kniete, und alle hatten die Hand um ihren Degenknauf gelegt.

»Gott verzeihe mir!« rief Pierre de Brézé erregt aus. »Ich glaube gar, Madame de Montsalvy hält uns für Feiglinge! Wollen wir, Messeigneurs, ihr diese Überzeugung lassen?«

Von allen Seiten erklangen empörte Proteste, die jäh durch eine eiskalte Stimme abgeschnitten wurden.

»Mit Erlaubnis der Königin und des Herrn Konnetabels möchte ich zu sagen wagen, daß uns das alles zu nichts führt, daß Ihr Eure Zeit und Eure Worte vergeudet! Es handelt sich hier nicht darum, darüber zu streiten, wer den größten Heldenmut zeigen wird, sondern nüchtern über den Tod eines Mannes und die Mittel, ihn herbeizuführen, zu diskutieren. Nun denn, keins von denen, die bisher vorgeschlagen wurden, scheint mir gut zu sein.«

Die ruhige Autorität dieser Stimme zwang Cathérine, sich umzuwenden. Der Kreis der Ritter öffnete sich und ließ den Mann durch, den man Tristan l'Hermite genannt hatte und der den ziemlich bescheidenen Posten eines Stallmeisters des Konnetabels bekleidete. Die junge Frau beobachtete ihn aufmerksamer, während er langsam vortrat. Es war ein Flame von etwa dreißig Jahren, blond mit blaßblauen Augen und dem kältesten, undurchdringlichsten Gesicht, das Cathérine je gesehen hatte. Kein Muskel bewegte sich in ihm. Es wirkte schwer und grob geschnitten, aber seine vollkommene Ausdruckslosigkeit verlieh ihm etwas Majestätisches. Er beugte das Knie vor der Königin und wartete auf die Erlaubnis fortzufahren. Richemont warf Yolande einen fragenden Blick zu, dann:

»Die Königin erlaubt dir zu sprechen! Was hast du zu sagen?«

»Dies! Der Großkämmerer ist draußen unerreichbar, weil er sich nicht hinauswagt. Also muß man ihn drinnen treffen, und zwar innerhalb einer der königlichen Residenzen, da er sie zu den seinen gemacht hat und sich hinter ihren Garnisonen verschanzt.«

»Das ist genau das, was wir eben schon sagten«, bemerkte Jean de Bueil mit einer Grimasse. »Anders ausgedrückt, es ist unmöglich!«

»Es ist unmöglich in Amboise«, erwiderte Tristan l'Hermite, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen, »weil der Gouverneur auf seiner Seite ist, aber es wäre möglich in einem Schloß, dessen Gouverneur auf unserer Seite steht. In Chinon zum Beispiel, dessen Gouverneur, Messire Raoul de Gaucourt, sich insgeheim dem Herrn Konnetabel angeschlossen hat und ihm sehr ergeben ist.«

Ein eisiges Frösteln glitt Cathérine den Rücken hinunter. Raoul de Gaucourt! Der ehemalige Gouverneur von Orléans, der Mann, der sie einst der Folter unterworfen und zum Galgen verurteilt hatte! Er haßte die Jungfrau von Orléans und hatte sie unerbittlich bekämpft. Was mochte La Trémoille ihm angetan haben, daß er so radikal ins andere Lager übergeschwenkt war? Aber Richemont antwortete seinem Stallmeister unwirsch:

»Wir hätten tatsächlich eine Möglichkeit, wenn man La Trémoille – und den König selbstverständlich – nach Chinon locken könnte. Aber der Großkämmerer mag Chinon nicht. Der Schatten der Jungfrau ist dort noch zu gegenwärtig, und die kleinen Leute der Stadt haben ihr ihre Liebe bewahrt. Der König ist zu leicht beeinflußbar. La Trémoille fürchtet, daß er im Großen Saal noch das Echo der Stimme Johannes hören könnte. Er weiß nicht, daß Gaucourt sich zu uns geschlagen hat, aber er wäre nie einverstanden, den König nach Chinon zu bringen!«