»Ich wußte nicht, daß Ihr aus dem Orient zurückgekehrt seid, Maître Coeur«, sagte der Mönch. »Die Kunde ist noch nicht bis zu meinen Ohren gedrungen.«
»Weil ich sozusagen auf Zehenspitzen zurückgekehrt bin. Ich hatte große Hoffnungen auf diese Reise gesetzt, und wenn ich auch hochinteressante Dinge und Menschen gesehen habe, so habe ich bei diesem Abenteuer doch alles verloren …«
Während Meister Amable und die einzige ihm noch verbliebene Bedienstete sich damit beschäftigten, das Mahl zu bereiten und den Tisch zu decken, setzten die Reisenden sich auf die Ofenbank, um sich aufzuwärmen. Cathérine, die glücklich war, einen so treuen Freund wiedergetroffen zu haben, konnte sich nicht genugtun, ihn zu betrachten. Und sehr häufig traf ihr Blick den Jacques'. Die braunen Augen des Pelzhändlers aus Bourges sprühten Funken, die nicht gänzlich auf den Widerschein des Feuers zurückzuführen waren, und seine schmalen Lippen öffneten sich halb zu einem glücklichen Lächeln.
Er erzählte, wie er im Frühjahr von Narbonne mit der Galeasse ›Notre-Dame et Saint-Paul‹, die dem Bürger Jean Vidal gehörte, aufgebrochen war und in Gesellschaft anderer Kaufleute aus Montpellier und Narbonne die östlichen Länder des Mittelmeers bereist habe, um dort die Richtlinien für zukünftige Wirtschaftsunternehmungen abzustecken. Er hatte Damaskus besucht, Beirut und Tripolis, Zypern und die griechischen Inseln, um seine Reise schließlich in Alexandrien und Kairo zu beenden. Er brachte Erinnerungen mit, deren Zauber in der Tiefe seines Blicks zu lesen war.
»Ihr müßtet in Damaskus leben«, sagte er zu Cathérine. »Die Stadt ist vor genau dreißig Jahren von den Mongolen Tamerlans geplündert und gebrandschatzt worden, aber hol' mich der Teufel, wenn man das heute noch sieht! Alles wird dort für die Schönheit der Frauen getan. Sie finden schimmernde Abendgewänder, durchsichtige Schleier, mit Gold oder Silber durchwirkt, unvergleichliche Duftwasser, wunderbare Kleinode und für ihre Naschhaftigkeit eine Menge Konfekt und Süßigkeiten, deren exquisiteste ohne Zweifel ein erstaunliches schwarzes Nougat und eine Art köstlicher kandierter Pflaumen sind, die man Myrobalane nennt.«
»Ich hoffe doch«, unterbrach Bruder Etienne, »daß Ihr von allem etwas mitgebracht habt. Der König schätzt solche Dinge sehr, von den Hofdamen ganz zu schweigen.«
Jacques Coeurs Seufzer fand ein Echo bei Meister Amable, als der Wirt den Pelzhändler solche köstlichen kulinarischen Genüsse beschwören hörte.
»Leider habe ich gar nichts mitgebracht. Meine Ladung Pelze, Tuche aus Berry und Korallen aus Marseille hatte sich gut verkauft, und ich hatte viele schöne und kostbare Dinge kaufen können. Unglücklicherweise befand sich die ›Notre-Dame et Saint-Paul‹ auf ihrer letzten Reise, mit anderen Worten, sie war nicht mehr die Jüngste. Auf der Höhe der Küsten Korsikas hatten wir einen heftigen Sturm zu bestehen, der uns auf einen Felsen warf, wo die Galeasse auseinanderbrach. Wir wurden ins Meer geworfen. Die Küste war nahe. Trotz des Orkans konnten wir das Land erreichen … und ein neues Unglück. Die Menschen von Korsika sind Halbwilde, und ihnen ist alles recht. Wenn das Meer ihnen nicht das Strandgut liefert, das sie sich sehnlichst wünschen, zünden sie Feuer am Ufer an, um die Schiffe auf verborgene Klippen zu locken. Das erklärt wohl zur Genüge, warum wir mit ihnen keine Verständigung über unsere Schiffsladung erzielen konnten. Die Räuber bargen zwar unser ganzes Hab und Gut, weigerten sich aber, es uns zurückzugeben. Darauf zu bestehen wäre gefährlich gewesen: Sie hätten uns mitleidslos getötet. Wir ließen sie also machen, was sie wollten, worauf sie sich freundlich und sogar gastfreundlich zeigten. Man geleitete uns sehr höflich zum Hafen Ajaccio zurück, wo wir ein Schiff fanden, dessen Kapitän bereit war, uns auf Grund unseres Versprechens, bei der Ankunft zu bezahlen, nach Marseille zu bringen. Ich bin völlig ruiniert und bettelarm nach Bourges zurückgekehrt«, schloß Jacques Coeur lachend.
»Völlig ruiniert?« fragte Cathérine erstaunt, die der Erzählung ihres Freundes mit leidenschaftlicher Aufmerksamkeit gefolgt war. »Aber Ihr scheint mir die Sache mit Humor zu nehmen!«
»Was würde das Klagen nützen? Ich bin schon einmal ruiniert gewesen, durch jene unangenehme Geschichte mit der Münzherstellung für den König, die ich mit Ravand, dem Dänen, zusammen übernommen hatte. Auch damals habe ich wieder von vorn angefangen, wie ich heute von vorn beginnen werde, ich komme aus Limoges, wo ich Handelsabschlüsse in Emailwaren getätigt habe, und ich hoffe, hier ein oder zwei dieser Gobelins zu finden, deren Herstellungsgeheimnis die Sarazenen, wie es heißt, einst in diese Stadt gebracht haben sollen. Ich habe mir etwas Geld von meinem Schwiegervater leihen können, leider zu wenig, aber es wird mir trotzdem ermöglichen, eine kleine Schiffsladung für die nächste Reise zusammenzustellen.«
»Ihr wollt wieder reisen?«
»Natürlich. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, Cathérine, welche Aussichten und geschäftlichen Möglichkeiten der Orient bietet! Zum Beispiel der Sultan von Kairo. Er besitzt Gold in fabelhaften Mengen, aber er hat kein Silber oder zuwenig. Ich kenne nun alte Bergwerke, die früher von den Römern abgebaut und seither aufgegeben wurden. Aufgegeben, aber nicht erschöpft. Könnte ich die Förderung wiederaufnehmen und das Silber nach Kairo transportieren, würde es mich in die Lage versetzen, Gold zu kaufen, unendlich viel billiger als in Europa, und phantastische Gewinne zu erzielen. Ah, wenn mir jetzt große Kapitalien zur Verfügung ständen!«
Während Jacques Coeur sprach, wanderte Cathérines Phantasie. Dieser Mann, dessen wache Intelligenz, dessen Mut und Kühnheit sie kannte, war fähig, die Welt umzukrempeln, um ihr das Glück zu entreißen. Was Ideen betraf, quoll Jacques geradezu von ihnen über. Sie zögerte keinen Augenblick.
»Dieses Kapital, mein Freund, glaube ich Euch beschaffen zu können.«
»Ihr?«
Das ehrliche Erstaunen des Pelzhändlers war offenkundig. Während des langen Aufenthalts in Carlat hatte Cathérine Macée in einem Brief die Katastrophe von Montsalvy berichtet, und wie jedermann in der königlichen Umgebung wußte er, daß Arnaud und die Seinen geächtet waren und daß nach ihnen gefahndet wurde. Auch die ganze Aufmachung Cathérines sah ihm nicht gerade nach Reichtum aus. Die junge Frau lächelte leise, wühlte in ihren Taschen.
»Allein dieser Stein, glaube ich, verbürgt die Ladung einer ganzen Galeasse.«
Drei erstaunte Rufe wurden gleichzeitig neben ihr ausgestoßen. Auf ihrer Hand funkelte Garins Diamant wie eine kleine schwarze Sonne. Vor lauter Aufregung hatte Meister Amable mit kugelrunden Augen einen Topf fallen lassen, während seine Küchenhilfe instinktiv die Hände faltete. Die plötzlich zusammengekniffenen Augen Jacques' wanderten von dem wundervollen Juwel zu dem gleichmütigen Gesicht Cathérines.
»Da ist er also«, sagte er langsam, »der berühmte Diamant des Finanzministers von Burgund! Welcher Glanz! Noch nie habe ich einen Stein gesehen, der diesem zu vergleichen wäre.«
Er streckte die Hand aus, nahm den fabelhaften Stein vorsichtig zwischen zwei Finger und ließ sein Feuer im Licht spielen. Ein Flammengefunkel entzündete sich zwischen seinen Fingerspitzen. Leichte Röte stieg in Cathérines Wangen.
»Nehmt ihn, Jacques, verkauft ihn und holt aus ihm heraus, was Ihr könnt.«
»Ihr wollt ein solches Wunder nicht behalten? Wißt Ihr, daß in diesem kleinen Stein das Lösegeld eines Königs steckt?«
»Ich weiß es. Ich weiß aber auch, daß es ein verwünschter Stein ist. Er verbreitet überall Unglück, wohin er kommt, und die, die ihn besitzen, haben nie Glück. Man muß ihn verkaufen, Jacques … Vielleicht wird mich dann das Unglück verschonen«, fügte sie tonlos hinzu.
Der leise Unterton ihrer Stimme entging dem Pelzhändler nicht. Seine freie Hand legte sich sanft auf die zitternden Hände der jungen Frau.
»Ich glaube nicht an solche Geschichten, Cathérine. Die Schönheit kann nicht unheilvoll sein, und dieser Diamant repräsentiert die reine Schönheit. Wenn Ihr mir ihn anvertraut, werde ich den Wohlstand des gesamten Königreichs daraus ziehen. Ich werde Karavellen über See schicken, werde Kontore errichten, werde diesem verwüsteten Boden seine Reichtümer entreißen und sie ihm in Hülle und Fülle wiedergeben. Ich werde Euch, mir und dem König obendrein ein Vermögen schaffen.«
Er reichte ihn Cathérine von neuem hin, aber sie schob ihn mit einer gleichermaßen sanften und entschlossenen Bewegung zurück.
»Nein, Jacques, behaltet ihn! Er gehört Euch! Ich hoffe, Ihr könnt ihm wirklich seinen bösen Zauber entreißen und ihn dem Wohl aller dienstbar machen. Wenn Ihr keinen Erfolg mit ihm habt, dann bedauert es nicht. Ich gebe ihn Euch.«
»Ich nehme ihn nur in Kommission, Cathérine, oder als Darlehen, wenn Euch das lieber ist. Ich werde Euch das Hundertfache zurückzahlen. Ihr werdet Montsalvy wiederaufbauen, und Euer Sohn wird zu den Größten dieser Welt zählen, deren klangvolle Namen zwangsläufig mit einem großen Vermögen verbunden sind. Aber … dieser Wirt läßt uns ja Hungers sterben! Hallo, Meister Amable, wie steht's mit dem Abendessen?«
Aus seinen Träumen gerissen, lief der würdige Gastwirt eilig in seine Küche, um die zuvor angekündigte Kräutersuppe zu holen. Jacques Coeur erhob sich und bot Cathérine die Hand.
»Kommt zum Souper, meine liebe Teilhaberin, und Gott sei gesegnet, daß er Euch mir über den Weg geführt hat. Wir werden es weit bringen, Ihr und ich, oder ich müßte nicht Jacques Coeur heißen.«
Er half ihr, am Tisch Platz zu nehmen, und nachdem er sich vergewissert hatte, daß Amable und seine Bedienstete sich entfernt hatten, flüsterte er: »Es war leichtsinnig von Euch, diesen Stein in einer Herberge vorzuzeigen. Amable ist ein anständiger Mann, aber zweifellos überseht Ihr, daß La Trémoille diesen schwarzen Diamanten haben will. Sein Vetter Gilles de Rais war so unvorsichtig, ihm davon zu erzählen, und er träumt nur davon, ihn sich anzueignen. Ihr werdet sehr vorsichtig sein müssen, meine Teure, wenn Ihr an den Hof kommt.«
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