»Ich mache Euch aufmerksam«, sagte er, bevor er anfing, »es wird brennen!«

Tatsächlich brannte es wie die Hölle. Trotz seiner Warnung preßte Cathérine mit aller Kraft die Zähne zusammen. Sie unterdrückte den Schmerzensschrei, der ihr auf die Lippen drang, ebenso heftig wie die Tränen, die ihr in die Augen stiegen, aber sie sagte kein Wort. Eine ihrer Tränen fiel auf MacLarens Hand. Er hob die Augen, sah sie mit unerwarteter Zartheit an und lächelte.

»Ihr seid tapfer, das habe ich gleich gesehen. Wir sind fertig.«

»Was habt Ihr da verwendet?« wollte Sara wissen.

»Eine Flüssigkeit, die die Mauren Weingeist nennen und derer sie sich bedienen, um die Kranken zu beleben. Man hat beobachtet, daß sie Entzündungen verhütet, wenn man die Wunden damit wäscht.«

Während er sprach, tat er etwas Salbe auf die Wunde und verband sie dann richtig. Seine Hände waren jetzt von erstaunlicher Sanftheit, und Cathérine vergaß plötzlich ihren Schmerz und hielt den Atem an. Eine Hand glitt von ihrer Schulter in die Höhlung ihres Rückens und verharrte dort in einer Liebkosung, unter der die junge Frau verwirrt fröstelte. Zorn und Scham trieben ihr das Blut in die Wangen. Die Unruhe, die die Berührung dieser Männerhand in ihr auslöste, ließ sie um so mehr schaudern, als sie das Bewußtsein ihrer unterdrückten Jugend in ihr wachrief. Sie hatte geglaubt, ihr Körper sei für immer zum Schweigen gebracht worden, weil ihr Herz keiner Hoffnung mehr fähig war, und in dieser flüchtigen Minute hatte er sie brutal Lügen gestraft.

Sie wandte den Kopf ab, um seinem Blick auszuweichen, der forschend auf ihr lag, und zog ihr Hemd mit einer kalten Bewegung wieder empor.

»Vielen Dank, Messire! Jetzt ist es nicht mehr so schlimm. Ich werde versuchen zu schlafen.«

Ian MacLaren zog seine Hände zurück, neigte den Kopf, ohne zu antworten, und entfernte sich, während Cathérine, rot bis an die Ohren, unter dem argwöhnischen Blick Saras hastig ihre Kleider wieder anzog und dann aufs Stroh sank. Sie wollte gerade die Augen schließen, als Sara sich zu ihr hinunterbeugte. Der Widerschein des niederbrennenden Feuers ließ die Zähne der Zigeunerin blitzen. Ihre Augen glänzten schadenfroh:

»Meine Kleine«, flüsterte die Zigeunerin, »es genügt nicht, daß man zu leben aufhören will, um alles in einem zu töten. Du wirst noch deine Überraschungen erleben.«

Cathérine zog es vor, nichts darauf zu erwidern. Sie schloß fest die Augen, wünschte sich, alsbald einschlafen zu können und nicht mehr denken zu müssen. Um sie herum erhoben sich die kräftigen Schnarchlaute der Schotten und die zarten, fast melodiösen Bruder Etiennes. Ihnen gesellte sich sehr bald der kräftige und lebhafte Atem Saras hinzu. Dieses seltsame Konzert hinderte Cathérine lange, im Schlaf ihre peinlichen Gedanken zu vergessen. Das Feuer erstarb, warf noch einen schwachen roten Schein und ging dann aus. Die junge Frau lag mit weit geöffneten Augen in der Dunkelheit.

Am anderen Ende der Scheune suchte Gauthier ebenfalls den Schlaf und konnte ihn nicht finden. Draußen war die tiefe, kalte Winternacht, aber der Instinkt des Waldmenschen flüsterte ihm ein, daß der Frühling nicht mehr fern sei.

Drittes Kapitel

Als der Morgen angebrochen war, traf man Vorbereitungen zum Aufbruch. Cathérine fühlte sich besser. Das Fieber schien gefallen zu sein. Sie zog aus ihrem Zustand Nutzen, indem sie MacLaren fragte, ob man ihr nicht ein Reitpferd geben könne. Sie fürchtete jetzt die körperliche Nähe des jungen Schotten während eines langen Rittes. Der Leutnant nahm ihre Bitte mit eisiger Miene auf.

»Wo soll ich ein Reitpferd hernehmen? Ich habe Eurem Normannen das Pferd gegeben, das Eurem Knappen Fortunat diente, nach Montsalvy zu gelangen. Der Mönch und Sara reiten auf der Kruppe der Pferde zweier meiner Männer. Ich kann nicht noch einem anderen das Pferd wegnehmen und einem weiteren Streitroß doppelte Last auferlegen, nur um Euch zu gestatten, Euch nach Belieben im Sattel zu tummeln. Ist es Euch denn so unangenehm, mit mir zu reiten?«

»Nein«, erwiderte sie etwas zu schnell. »Nein … bestimmt nicht … aber ich dachte …«

Er beugte sich ein wenig vor, um zu verhindern, daß jemand hörte, was er sagen würde:

»Ihr habt einfach Angst, weil Ihr wißt, daß Ihr für mich keine mit Schleiern drapierte Statue seid, die man nur aus der Ferne betrachtet, ohne zu wagen, sich ihr zu nähern, sondern eine Frau aus Fleisch und Blut, die man begehren und der man es sogar ohne Furcht gestehen kann!«

Die schönen Lippen der jungen Frau bogen sich zu einem verächtlichen Lächeln herab, doch ihre Wangen waren merkwürdig gerötet.

»Schmeichelt Euch nicht, Messire, daß ich Eurer Gnade ausgeliefert sei, weil ich schwach und verwundet und fast schutzlos bin. Wenn Ihr damit andeuten wollt, daß Eure Berührung mir etwas ausmachte, dann muß ich Euch enttäuschen, wie Ihr's verdient. In den Sattel also, wenn's beliebt!«

Mit einem Schulterzucken und einem spöttischen Blick schwang er sich aufs Pferd und streckte dann Cathérine die Hand hin, um ihr hinaufzuhelfen. Nachdem sie ihren Platz hinter ihm eingenommen hatte, wollte er den Sattelgurt wieder anschnallen, aber sie weigerte sich.

»Ich bin jetzt viel kräftiger. Ich werde mich aufrecht halten können. Es ist nicht das erstemal, daß ich reite, Messire Ian!«

Er bestand nicht darauf und gab das Zeichen zum Aufbruch. Den ganzen langen Tag verlief der Ritt ohne Zwischenfall. Es war stets die gleiche Einöde, die gleiche gequälte Landschaft. Beim Anblick Bewaffneter flohen die wenigen Bauern, die man traf. Der Krieg hatte diese armen Menschen so schwer getroffen, sie waren so oft gebrandschatzt und ausgeplündert worden, hatten so viel Tränen und Blut vergossen, daß sie sich nicht einmal mehr die Mühe machten herauszufinden, welcher Partei die angehörten, die hier unvermutet auftauchten. Freunde und Feinde waren gleichermaßen unheilvoll, gleich grausam. Der Anblick einer in der Sonne blitzenden Lanze genügte, sie sofort die Türen schließen und die wenigen Fenster verbarrikadieren zu lassen. Man ahnte hinter den stummen Wänden den angehaltenen Atem, das wie rasend klopfende Herz, den Angstschweiß, und Cathérine konnte sich eines Gefühls der Verlegenheit, eines fast körperlich spürbaren Unbehagens nicht erwehren.

Das Pferd, das sie und MacLaren trug, war ein kräftiger Rotschimmel, ein richtiges Schlachtroß, für harte Schläge und den Kampf geschaffen, nicht für Schnelligkeit, nicht für die Flucht durch Wälder oder den langen Galopp über kahle Hochebenen, von Zweigen und Ästen gepeitscht oder vom wirbelnden Wind getrieben. Es war nicht Morgane!

Als sie die kleine Stute in ihrer Erinnerung wachrief, zog sich ihr Herz zusammen. Sie wischte sich sogar zornig eine Träne ab. Albern war sie, sich derart an ein Tier zu binden! Morgane hatte ihretwegen die Ställe Gilles de Rais' verlassen und würde sie ebenso ungeniert für andere Herren verlassen … Trotzdem war diese Vorstellung Cathérine gräßlich. Als sie von Carlat aufgebrochen war, hatte sie Kennedy anbefohlen, auf Morgane aufzupassen; aber würde der schottische Feldhauptmann nichts Besseres zu tun haben, als sich um eine Stute zu kümmern, und sei sie noch so rassig? Von Morgane schweiften Cathérines Gedanken wieder zu Michel, dann zu Arnaud, und der Gram überfiel sie von neuem. Sie hatte sich nie mehr aus Carlat wegrühren wollen, hatte die immer gleichen Jahre an sich vorüberfließen lassen wollen, bis der Tod käme, doch offenbar hatte das Schicksal es anders bestimmt. Für ihren Sohn mußte sie den Daseinskampf wiederaufnehmen, mußte sie sich wieder in den Strom eines Lebens stürzen, das ihr nicht gefiel …

Während Cathérine so ihren Gedanken nachhing, lief der Weg unter den Hufen der Pferde dahin. Auf dem ganzen Ritt wechselte sie kein Wort mit MacLaren. Als der Abend herniedersank, hielt man in Mauriac an. Schwarze Häuser aus zermalmter Lava am Fuße der viereckigen Türme einer romanischen Basilika, ein sehr ärmliches Gotteshaus, Rastort der Pilger von San Jago auf ihrem Weg nach Compostela in Galicien: Cathérine sah nicht viel mehr. Aber sie war glücklich, daß dieses von drei Minoriten unterhaltene fromme Asyl ihr das Zusammensein mit den Soldaten und ganz besonders mit ihrem rätselhaften Führer ersparte. Als er ihr vor dem Gotteshaus aus dem Sattel half, hatte er ihre Taille kräftiger als nötig umfaßt. Die Gebärde war vielsagend, doch kaum hatte die junge Frau den Fuß auf den Boden gesetzt, ließ er sie los, drehte sich wortlos um und ging davon, um das Quartier seiner Soldaten zu inspizieren. Inzwischen hatte Sara sich Cathérine genähert.

»Wie findest du ihn?« fragte sie geradeheraus.

»Und du?«

»Ich weiß nicht. In diesem Mann steckt eine außerordentliche Lebenskraft, ein ungeheures Feuer … und doch möchte ich schwören, daß der Tod hinter ihm auf dem Pferd sitzt.«

Cathérine schauderte.

»Vergißt du, daß ich sein Pferd mit ihm teile?«

»Nein«, erwiderte Sara langsam, »ich vergesse es nicht. Aber es kann sein, daß du etwas mit dem Tod dieses Mannes zu tun hast.«

Um ihre Unruhe zu beschwichtigen, trat Cathérine durch die niedrige Pforte des Gotteshauses. In dem mit runden schwarzen Kieselsteinen gepflasterten Vorraum kam ihr ein Mönch, eine Fackel in der Faust, entgegen.

»Was sucht ihr hier?« fragte er, von der Kleidung der beiden Frauen getäuscht. »Das Quartier der schottischen Soldaten liegt im Hinterhof und …«

»Wir sind Frauen«, unterbrach Cathérine. »Wir reisen in dieser Kleidung, um unerkannt zu bleiben.«

Der Mönch runzelte die Stirn. Sein Gesicht von der gelblichen Farbe alten Pergaments legte sich in tiefe Falten.

»Eine so dreiste Kleidung paßt nicht in das Haus des Herrn. Die Kirche mißbilligt solche Aufmachung. Wenn ihr hier eintreten wollt, so zieht euch die anständige Kleidung an, die eurem Geschlecht zukommt! Wenn nicht, dann geht wieder zu euren Reisegefährten zurück!«