Der leichte Druck einer kleinen Hand auf ihrem Arm brachte sie zu sich.
Honorine, der die Zeit offenbar lang geworden war, hatte sich mit der Vorsicht eines Kätzchens zu ihr geschlichen.
Ihr Anblick machte Angélique begreiflich, daß sie nicht hierbleiben konnten.
Was würde mit ihnen geschehen, wenn die Piraten sie überraschten? Die Freibeuter der Meere standen nicht gerade in dem Ruf, zarte Seelen zu sein. Der Gefahr, in der sie schwebten, entsprechend, würden sie sich unerbittlich zeigen. Und wenn ihr Anführer wirklich jener Rescator war, den sie vorhin erkannt zu haben glaubte, hatte sie durch ihre Gefangennahme schon gar nichts zu gewinnen ...
Sich unter unendlichen Vorsichtsmaßnahmen von Düne zu Düne schleichend, gelang es ihnen, sich von der Küste zu entfernen. Als sie endlich den Karrenweg erreichte, nahm sie Honorine wieder auf den Rücken und hastete La Palice zu. Atemlos betrat sie das Gasthaus, in dem die Fischer ihr Glas Wein zu trinken pflegten, nachdem sie ihre Netze zum Trocknen ausgespannt hatten.
»Man möchte meinen, Ihr hättet den Teufel gesehen«, sagte die Wirtin, indem sie einen Krug Wein von der Ile de Ré vor sie hinstellte.
»Ja doch, wir haben ihn gesehen!« stimmte Honorine eifrig zu.
»Munter, die Kleine«, meinte die Frau lachend.
Angélique bat um Milch und eine Schnitte für ihre Tochter und um eine warme Brühe für sich. Den Wein lehnte sie trotz des Drängens ihrer freundlichen Gastgeberin ab, da er sie allzu müde gemacht hätte. Sie durfte nicht vergessen, daß sie hierhergekommen war, um Martial und Séverine abzuholen.
Zwei Stunden später betrat sie den Boden der kleinen Inselstadt Saint-Martin, in der es von den goldverbrämten blauen und roten Uniformröcken der königlichen Offiziere nur so wimmelte.
Sie fragte nach dem Weg und fand schließlich ohne Schwierigkeiten das Haus Madame Demuris’, der Schwester Maître Bernes. Noch bleich und ein wenig abwesend, war Angélique für die ihr zugefallene Rolle gut gerüstet. Maître Gabriel Berne sei plötzlich schwer erkrankt, fühle sein Ende nahe und wolle seine Kinder vorher noch einmal sehen.
Seine Schwester hatte nicht das Herz, sie zurückzuhalten. Übrigens zeigte sie sich durch die Nachricht tief erschüttert. Sie war keine böse Frau. Sie hatte sich bekehren lassen, weil sie Ehrgeiz und genug Intelligenz besaß, um zu begreifen, daß sie als Angehörige der reformierten Religion in diesen Zeiten nur Schimpf und Verdruß erfahren würde. Jünger als Maître Gabriel, hatte sie unter dem Bruch mit dem von ihr bewunderten Bruder sehr gelitten. In Gedanken ausschließlich mit seinem bevorstehenden Ton beschäftigt, schluchzte sie und ließ die beiden Ältesten, mit deren Erziehung sie durch den Statthalter des Königs beauftragt worden war, gehen, völlig vergessend, daß sie ohne besondere Erlaubnis ihre Behausung nicht verlassen durften.
Der Patron der Barke, die sie zum Festland zurückbrachte, betrachtete besorgt den Himmel, der sich mit düsteren Wolken überzog. Ein Sturm war im Anzug. Das Boot begann auf den allmählich höher werdenden, schwärzlichen, von weißen Schaumstreifen durchzogenen Wogen zu tanzen, und als sie landeten, fiel der Wind mit Böen sprühenden Regens über sie her. Angélique gelang es, einen mit einer Plane überdeckten Karren zu mieten. Auch ohne das Unwetter hätte sie es nicht gewagt, zu Fuß durch die Heide zurückzugehen. Der Kutscher, ein Hugenotte, war erfreut, den Kindern Maître Bernes einen Dienst erweisen zu können.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Ehe sie sich’s versahen, waren sie unter den Wällen La Rochelles in der Nähe des Saint-Nicolas-Tors angelangt. Ein Posten in einem Überwurf aus geölter Leinwand bewachte es. Er warf ihnen kaum einen Blick zu und ließ den Bauernkarren ohne Anstände passieren. Angélique beglückwünschte sich bereits zu dem Sturm, der es ihnen erlaubte, sich so leicht aus der Affäre zu ziehen, als zwei Polizisten aus der Wachtstube tragen.
Sie stellten sich vor das Pferd, um es anzuhalten, und warfen sodann einen Blick ins Innere des Karrens.
»Das ist sie«, sagte einer von ihnen.
Angélique erkannte denjenigen wieder, der sie nach ihrem Namen und ihren Verhältnissen befragt hatte, als sie am Vormittag beim Verlassen der Stadt hier vorbeigekommen war.
»Seid Ihr Dame Angélique, Magd bei Maître Gabriel Berne, wohnhaft an der Ecke der Rue Sous-les-Murs und des Buttermarkts?«
»Ja, das bin ich.«
Die beiden Männer beratschlagten miteinander. Dann schwang sich einer von ihnen auf den Sitz neben dem Kutscher.
»Wir haben Order bekommen, Euch zum Justizpalast zu bringen, sobald Ihr zurückkehrt.«
Der Hugenotte, der den Karren lenkte, wechselte die Farbe. Für einen Angehörigen der reformierten Religion war es nicht gut, sich in Gesellschaft von Personen zu befinden, die zum Justizpalast gebracht werden mußten.
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