«Hi, Tante Bunny.«
«Chris Carter, das ist meine schreckliche kleine Schwester Mignon Catlett Savedge. Ich hab ihren Mittelnamen mitgenannt, damit sie sich besser anhört, als sie wirklich ist.«
«Dein Mittelname ist. «Mignon war drauf und dranScheißhaufen zu sagen, dann besann sie sich, daß sie das nicht vor jemand tun sollte, den sie eben erst kennen gelernt hatte. Nun ja, eigentlich sollte eine Südstaatenlady so etwas überhaupt nicht in den Mund nehmen.»Dein zweiter Mittelname ist Knalltüte.«
«Klugschwätzerin. «Vic schubste Mignon.
«Ist gut jetzt, ihr zwei. «R. J. warf ihnenden gewissen Blick zu.»Chris, komm rein. Ich helfe dir mit deinem Gepäck.«
«Ich hol's schon. «Mignon hatte ihr Stichwort erkannt.
«Es sind bloß zwei Bücher auf dem Rücksitz und eine rote Stofftasche.«
«Alles klar.«
R. J. wandte sich an Jinx.»Schläfst du bei uns oder zu Hause?«
«Meiner Mutter muß man um jeden Preis aus dem Weg gehen. «Jinx zog die Mundwinkel hoch.
«Pfui, so was sagt man nicht. «Bunnys Tonfall ließ das genaue Gegenteil erkennen.
«Du mußt irgendwann zu ihr, wenn ich an Möbel kommen soll«, sagte Vic.
«Kommt Mädels, macht euch erst mal frisch. «R. J. scheuchte sie ins Haus. Bunny ging in die Küche, um für alle Eistee einzuschenken.
Als sie wieder herunterkamen, stellte sie Gläser hin und ein paar Sandwiches, die sie gemacht hatte. Sie trugen alles in den Innenhof.
«Spielst du morgen?«, fragte Vic ihre Tante.
«Sie gewinnt den dämlichen Golf-Cup jedes Jahr. «R. J. ließ sich die Butter auf ihrem Hühnchen-Sandwich schmecken.
«Sicher, aber schmälert das den Triumph? Spielst du Golf, Chris?«
«Nein, ich würd's aber gern lernen.«
«Bleib nur hier. Dann hast du keine andere Wahl. «Bunny sah das Sonnenlicht auf einem geblähten leuchtend gelb-roten Spinnaker glitzern und hob instinktiv ihren Feldstecher an die Augen.
«Tante Bunny trifft man selten ohne ihr Fernglas«, klärte Vic Chris auf.
«Ihr könnte ja was entgehen. «R. J. lachte.
«Sie wäre bestimmt eine gute Detektivin«, meinte Mignon.»Weißt du was, Tante Bun, ich denke ernsthaft über einen Beruf nach, und ich möchte gern Detektivin werden. «Mignon bewunderte den Klang ihrer eigenen Stimme.
«Das würde zu dir passen. «Vic griff nach den Kartoffelchips.
«Schnüfflerin«, fügte Jinx hinzu.
«Ich eine Schnüfflerin? Ha! Jinx, du solltest sehen, was deine kleine Schwester gemacht hat. «Mignon fuhr fort:»Sie hat ein Loch in die Jungs-Umkleide gebohrt und knöpft uns einen Dollar fürs Gucken ab.«
Bunny blinzelte.»Die meisten Männer zeigen's dir umsonst.«
«Chris. «R. J.s Stimme wurde seidenweich.»Wirklich beängstigend, welch großen Wert wir auf gutes Benehmen legen.«
Chris lachte.»Ich könnte Sie überraschen, Mrs. Savedge.«
«Das will ich hoffen. «R. J. lächelte.
«Ich bin in die Hockey-Juniorliga aufgenommen«, warf Mignon ein.
«Das war letzte Woche. «Vic schlug Mignon auf die Hand, als sie rüberlangte, um Vic die Hälfte von ihrem Sandwich zu mopsen.»Wenn du weiter so viel ißt, wirst du Torhüterin.«
«Torhüterinnen müssen schnell sein.«
«Tja, dann wird dein fetter Arsch wohl auf der Bank sitzen.«
«Vic«, mahnte R. J.
«Ist doch wahr«, sagte Vic.»Aber fetter Arsch hätte ich nicht sagen sollen. Wie war's mitüppiges Hinterteil<?«
«Wirklich, sehr witzig, ich könnte sterben vor Lachen. «Mignon war stinksauer.
«Laßt euch von uns nicht bremsen«, sagte Jinx, die praktisch zur Familie gehörte.
Als Mignon merkte, daß sie ins Hintertreffen geraten war, versuchte sie etwas anderes, um im Rampenlicht zu bleiben.»Chris, haben Mom und Tante Bunny dir die Geschichte des Hauses erzählt?«
«Haben wir. mehr oder weniger. «R. J. gab noch einen Löffel Zucker in ihren Tee.
«Warum das Haus gelb gestrichen ist?«
«Hm, nein«, sagte R. J.
Mignon erklärte eifrig:»1834 hat Robert Vance eine schöne Frau aus Wien in Österreich geheiratet, und sie hatte blaues Blut in den Adern. Sie hat das Haus gelb gestrichen, weil das die Farbe der kaiserlichen Bauten in Wien ist.«
«Muß eine Prinzessin gewesen sein. «Jinx sah Vic verschmitzt an.
«Ja, in unserer Familie fließt blaues Blut. «Vic schlug einen scherzhaften Ton an.»Mignon, die Kartoffelchip-Prinzessin.«
Mignon warf Jinx und Vic einen wütenden Blick zu.
«Es ist sehr schön, das Gelb mit den charlestongrünen Fensterläden«, bemerkte Chris.
«Prinzessin Bockmist«, flüsterte Vic Mignon zu, wobei sie das WortPrinzessin in die Länge zog.
«Ich hasse dich«, flüsterte Mignon zurück.
«Küßchen, Küßchen. «Vic schürzte die Lippen, und Mignon warf ihr blitzschnell eine Essiggurke ins Gesicht.
«Mignon. «R. J. bemühte sich um einen strengen Ton.
«Ich wollte, es wäre eine große Eiswaffel. Kaltes Erdbeereis, das ihr die Nase hochsteigt.«
Vic wischte sich das Gesicht ab.»Ich mag kein Erdbeereis.«
«Eben«, trällerte Mignon.
«Ich bin meinen zwei Nichten ja so dankbar. «Bunny beugte sich zu Chris vor.»Sie haben mich von jeglichem Kinderwunsch geheilt.«
«Mich haben sie auch geheilt«, meinte R. J. lakonisch.
Alle lachten. Bei Mignon dauerte es eine Sekunde, aber dann lachte sie mit.
Bunny warf einen Blick auf ihre goldene Rolex mit dem Jubilee-Armband. Bunny hatte ein Faible für teure Spielsachen.»Ich muß meinen Wagen abholen. «Sie sah Vic an.»Herzchen, fährst du mich zur Firma? Deine Mom hat alle Hände voll zu tun.«
«Klar, Tante Bunny. Chris, komm mit. Du kriegst Aussichten und Ansichten zu sehen. Jinx?«
«Klar, außer«, sie sah R. J. an,»Sie brauchen mich hier, um aufräumen zu helfen. «Sie hielt kurz inne.»Wo ist Piper?«
«Im Tabakschuppen«, antwortete R. J.»Ein Murmeltier oder ein Fuchs oder ein Stinktier, ich weiß es nicht genau, hat da einen Bau unter der Rückwand, und sie liegt auf der Lauer. Ich brauch dich nicht zum Aufräumen, aber danke für das Angebot, das meine reizenden pflichtbewußten Töchter unterlassen haben.«
«Mom, ich hätte dich gefragt«, protestierte Mignon.
«Ach ja?«Vic kniff Mignon.
«Ich hab dich nichts sagen gehört.«
«Wie konnte ich? Du hast geredet. Oh, wie ist das schön, nach Haus kommen und meine Schwester sehn.«
«Du bist gemein. «Mignon rümpfte die Nase, genoß aber sichtlich die Aufmerksamkeit.
Mit fünfzehn hatte sie noch ein bißchen Babyspeck auf den Rippen, aber den älteren Familienangehörigen war klar, daß Mignon sich zu einer hübschen Frau mausern würde, vielleicht nicht so schön wie ihre Mutter und ihre Schwester, aber durchaus attraktiv. Sie war ungeduldig, weil sie es noch nicht sehen konnte. Sie hatte das Gefühl, ewig zu brauchen, um erwachsen zu werden.
«Wenn's ein Fuchs oder ein Stinktier ist, kann man's riechen. «Vic stand auf und räumte ihren und Chris' Teller ab.
«Nicht unbedingt. «R. J. kannte sich mit Tieren aus.»Tiere können ihren Geruch an- und abstellen. Außerdem ist der alte Räuchergeruch im Schuppen noch sehr stark, und ich stecke meine Nase in keine Öffnung von einem Tierbau. Was, wenn da Junge drin sind?«
«Gute Frage«, erwiderte Vic und steuerte auf die Hintertür der Küche zu.»Aber es ist zu spät in der Saison, glaub ich.«
«Mom, wenn du aufhören würdest zu rauchen, würde dein Geruchssinn besser funktionieren«, meinte Mignon selbstgefällig.
«Ich weiß. «R. J. seufzte.»Ich kann jederzeit mit dem Rauchen aufhören, wenn ich will. Hab ich schon oft getan.«
«Also ich verzichte nicht auf meine Glimmstengel«, erklärte Bunny trotzig.»Eine Frau braucht ab und zu eine kleine Dosis, um sich den Tag zu verschönern. Besser als sich Pillen verschreiben zu lassen wie Nora Schonfeld und etliche andere, die ich euch nennen könnte.«
Nora Schonfeld war die sexy jüngere Frau, mit der Don in diesem Frühjahr ein Techtelmechtel gehabt hatte. Auf Bunnys Drängen hatte er ihr jedoch den Laufpaß gegeben.>Drängen< war Bunnys Beschönigung. Bei der Erwähnung des Namens sagte keine ein Wort. Kein einziges Wort.
Nach dieser kurzen peinlichen Pause meinte Vic, die ihrer Mutter mit jedem Tag ähnlicher wurde:»Aber du bist klüger als Mom, du rauchst wenigstens Filterzigaretten.«
«Dafür raucht sie doppelt so viele wie ich. «R. J. lachte.
«Tja… mag schon sein. «Bunny wurde lebhaft.»Aber ich mag meine Kools mit Menthol. Mir gefällt das Pinguin-Logo.«
«Ist doch alles Humbug«, meinte R. J. und lachte.»Die Kunststoff-Filter und die Chemikalien, die dem Tabak zugesetzt werden, machen ihn erst richtig schädlich, das schwör ich. Wenn du schon rauchst, dann rauch eine saubere Zigarette und damit hat sich's.«
Auf der Fahrt nach Surry kamen sie an Boonie Ashleys Verbrauchermarkt vorbei, drei Kilometer vom Haus entfernt. Der viel zu kleine Parkplatz war gedrängt voll; die Leute nahmen auf dem Heimweg schnell noch ein Brot mit — lieber noch ein Sechserpack Bier.
«Boonie ist das größte Klatschmaul«, klärte Mignon Chris auf. Sie hatte sie unterwegs auf Sehenswürdigkeiten hingewiesen. Zwischen historische Informationen streute sie Leckerbissen wie:»Hier hat Vic Dads Auto zu Schrott gefahren.«
«Männer sind viel schlimmere Klatschmäuler als Frauen«, verkündete Bunny über den Fahrtwind hinweg.»Sie nennen es bloß anders. Und wie sie jubeln, wenn einer von ihnen Mist baut. Mmm, mmm. «Sie intonierte dies, wie es für Südstaatenfrauen typisch war, das erste» Mmm «hoch und das zweite tiefer.
In Virginia waren ganze Frauenregimenter imstande, sich völlig ohne Worte zu verständigen.Mmm, mmm konnte so gut wie alles bedeuten.
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