Sofern Frank die Beziehung nicht verstand, behielt er es für sich. Er zeigte nie Mißbilligung. Er blieb, der er immer gewesen war, ein Virginia-Gentleman. Er hatte Chris gern. Er liebte Victor.

Als Bunny dann von ihrem hohen Ross gestiegen war, wurden sie und Chris Freundinnen. Beiden war ein Hang zum Perfektionismus eigen, der sie miteinander verband, da sie den kleinsten Makel in Persönlichkeit, Planung oder Prozedere bei anderen blitzschnell erkannten. Chris führte die Bücher der Gärtnerei. Bunny konnte keinen einzigen Fehler finden. Dann hatten die zwei die Idee, den Gärtnereibetrieb zu erweitern und Gartenmöbel, Plastiken und Spaliere zu verkaufen. Dieser Nebenzweig wurde sehr erfolgreich.

Charly hielt Wort und besuchte Victor, wann er konnte. Er schickte jeden Monat Geld. Nach seinem Examen am William and Mary College hatte er sich für das Auswahlverfahren gemeldet und war in der allerletzten Runde von den Kansas City Chiefs genommen worden. Er hatte hart trainiert und Jungs ausgestochen, die für Hochschulen mit starken Spitzenmannschaften wie Ohio State, Notre Dame und Nebraska gespielt hatten. Schon in der zweiten Spielsaison war er Stammspieler. Er richtete einen Collegefonds für seinen Sohn ein.

Er heiratete außerdem eine schöne Frau. Ihre äußere Ähnlichkeit mit Vic blieb niemandem verborgen — am wenigsten ihr selbst. Die Ehe ging schief. Er bezahlte sich dumm und dämlich, um sich scheiden zu lassen.

Er rief Vic einmal in der Woche an und berichtete ihr von seinem Leben. Er sprach mit Chris über ihren gemeinsamen Sohn. Er war jetzt berühmt, wurde gut dafür bezahlt, daß er mit einem Ei aus Leder unter dem Arm herumlief. Und er war todunglücklich.

Vic gab Jinx Charlys Nummer. Jinx hatte an der Universität von Virginia ihr juristisches Examen abgelegt und arbeitete in einer renommierten Kanzlei in Washington. Sie hatte sich auf Steuerrecht spezialisiert, weil sie erkannt hatte, daß dies ein gutes Sprungbrett in die Politik war. Als sie in Kansas City auf einer Konferenz war, rief sie Charly an. Sie war attraktiv, hochintelligent, nett und besaß jenes Selbstvertrauen, das Menschen eigen ist, die ihre Arbeit lieben. Zwei Jahre später heirateten sie. Diese Ehe ging gut.

Als Charly sich mit vierunddreißig vom Football verabschiedete, bevor seine Knie völlig kaputt waren, zog er nach Washington, nahm eine Stelle in einer Maklerfirma an und merkte, daß er seine Arbeit so sehr liebte wie Jinx die ihre. Er kam auch seinem Vater näher, da sie nun in derselben Branche arbeiteten.

Don führte die Autohandlung weiter. Sie gehörte ihm zur Hälfte, aber er erkannte zu seinem Erstaunen, daß er ohne Bunny nicht leben konnte. Er bat sie, ihn zurückzunehmen. Sie hatte es nicht eilig damit, weil es ihr gefiel, frei zu sein, wie sie es ausdrückte. Sein inständiges Flehen machte sie schließlich mürbe. Aber da Bunny nun mal Bunny war, handelte sie eine harte Bedingung aus. Er konnte die Dodge/Toyota- Vertragshandlung leiten, aber sie wollte die Mercedes und Nissan-Vertretungen bekommen und selbst leiten. Er war einverstanden. Sie heirateten wieder.

Bunny verkaufte ihre Hälfte des Gärtnereibetriebs an Vic und Chris, die bis dahin Angestellte gewesen waren. Sie räumte ihnen günstige Zahlungsfristen ein, und Chris rechnete aus, daß sie die Schulden in acht Jahren abbezahlt haben würden.

Mignon durchlief das William and Mary College und studierte dann an der Universität von New York Medizin. Sie spezialisierte sich auf plastische Chirurgie, lebte in New York City und verdiente ein Heidengeld. Sie heiratete einen Mannschaftskameraden von Charly. Mignon erblühte zu einer überaus reizvollen Frau. Sie und Vic hingen sehr aneinander.

Edward Wallace wurde achtundachtzig Jahre alt. Yolanda verschied lange vor dem alten Mann. Als sie starb, ging er in seinem Kummer hin und kaufte mehrere Jerseykühe, was Sissy endgültig den Rest gab. Weitere Besuche bei Frank Savedge brachten das ein für alle Mal in Ordnung, aber der alte Mann wurde schwach und kaufte ihr einen cremefarbenen Cadillac mit meergrüner Innenausstattung, den Bunny nach zig Telefonaten zu einem supergünstigen Preis bekam. Daraufhin mußte er Georgia auch einen kaufen, einen schwarzen. Sie wurden eine Drei-Cadillac-Familie.

Als Edward das Zeitliche segnete, vermachte er Vic und R. J. sein Vieh und seine Farmgeräte. Mutter und Tochter weinten, als sie es erfuhren. Edward war den Savedges während aller Mühsal ein wahrer Freund gewesen. Er hatte Georgia und Sissy zum Schweigen gebracht, als sie wegen Vic und Chris aus der Haut fuhren. Er hatte außerdem noch weitere Leute zum Schweigen gebracht. Auch er war ein Virginia-Gentleman, einer von der Art, der die Leute verwirrte, weil er äußerlich voreingenommen und verschlagen wirken konnte, innerlich aber stets fair war. In diesem Sinne war er ein wahrer Gentleman; denn er sah die Welt nicht in Gruppen- oder Fallkategorien. Er nahm die Welt Mensch für Mensch.

Hojo zog nach Charlotte, North Carolina, und immatrikulierte sich an der Universität von North Carolina. Entschlossen, etwas aus sich zu machen, studierte sie Betriebswirtschaft, dann kehrte sie nach Surry County zurück. Sie nahm eine Stelle in der Chevrolet-Vertragshandlung an und zahlte schließlich den Besitzer aus, einen alternden, alkoholabhängigen Verwandten von Boonie Ashley. Hojo wurde die schärfste Konkurrentin von McKenna, da sie auch noch die General-Motors-Vertretung übernahm. Sie heiratete nie, begnügte sich mit einer Riege von Männern, die sie nach Belieben fallen lassen konnte. Was sie auch tat. In dieser Hinsicht wurde sie zu einer kundigen Konsumentin.

Als Angestellte der Firma Surry Crossing Gartenbau hatte Vic morgens, mittags und abends geschuftet. Seit sie Teilhaberin geworden war, schuftete sie noch mehr, aber da sie nach wie vor die meiste Zeit im Freien verbrachte, war sie glücklich.

Sie liebte Chris und Victor. Kinder zwingen einen zu einer Menge Dinge, die man sonst nie tun würde. Sie war ganz froh, weil Victor sie vermutlich davor bewahrte, egozentrisch zu werden oder sich zu stark aufs Geschäft zu konzentrieren. Dennoch war Chris besser zur Mutterschaft geeignet als Vic. Vic fürchtete ständig, daß Chris Victor zu sehr behütete.

Als Chris ein zweites Baby wollte, wandte Vic ein, sie könnten kein zweites Kind ernähren. Da war Victor zwei Jahre alt. R. J. verstand Chris' Wunsch viel besser als Vic und erwärmte Vic für die Idee. Dank künstlicher Befruchtung wurde ein kleines Mädchen geboren, das Chris Sean nannte, was wieder mal zu einem Streit führte, da Vic sagte, Sean sei ein Jungenname. Wie dem auch sei, Sean eroberte alle Herzen, und der kleine Vic wurde der große Bruder, eine Aufgabe, die er sehr wichtig nahm.

An einem heißen Tag im Juli trank Vic mit Don ein Bier, während ihr Wagen gewartet wurde. Sie sagte:»Herrgott, Frauen sind schreckliche Nervensägen. «Sie hatte an diesem Morgen einen niederschmetternden Streit mit Chris gehabt. Don lachte nur verständnisvoll.

Trotzdem hielten sie und Chris zusammen. Wie die meisten Paare waren sie im Laufe der Zeit durch Geld, Besitz und vor allem durch die Kinder aneinander gebunden. Vic wünschte manchmal, Chris wäre nicht so verdammt pingelig, und sie wünschte sich aufrichtig, Chris würde mehr an Sex liegen. Bei den meisten Menschen nutzt sich diese Wildheit ab, jedoch nicht bei Vic. Als die Jahre dahingingen, wurde ihr klar, sie hatte keinen Sexhang, sie hatte einen Sexüberhang. Sie hatte ein paar Affären, aber zu ihrem Glück wurde sie nie erwischt. Manchmal meinte sie, sie sei mit einer anderen Frau im Bett, weil sie mehr Sex brauchte. Dann wieder meinte sie dort zu sein, nur um positive Energie zu tanken, um Urlaub zu machen. Jetzt hatte sie mehr Verständnis für das frühere Verhalten ihres Onkels Don.

Sie liebte Charly, aber sie bereute es nicht ein einziges Mal, ihn nicht geheiratet zu haben. Er hätte keine bessere Partnerin finden können als Jinx, die ihre beste Freundin blieb.

Piper starb an Altersschwäche. Ehe ein Jahr vergangen war, hatten sie wieder einen Golden Retriever in Surry Crossing.

Frank starb 1996 auf den Stufen des Gerichts an einem Herzinfarkt. Er bekam ein Begräbnis mit allen militärischen Ehren. Gegen Ende seines Lebens hatte er sogar aufgehört, das Wall Street Journal zu lesen. Er hatte sich damit abgefunden, daß er das Geld, das er verloren hatte, nie wieder hereinholen und seinen Fehler nie wieder gutmachen würde. Das brauchte er freilich auch gar nicht; denn die Liebe, die er anderen still und großzügig schenkte, war Wiedergutmachung genug.

Don McKenna hielt die Grabrede, und er sagte etwas, das Vic im Gedächtnis behielt. Es wurde ihr Mantra.

Er sagte:»Die meisten Menschen glauben an>leben und leben lassen<, aber Frank glaubte an>leben, leben lassen und leben helfen. <«

Tempus fugit.

Als Victor 2001, dank seiner hervorragenden Leistungen ein Jahr vor der Zeit, am William and Mary College Examen machte, nahmen die Savedges, Harrisons, Wallaces und McKennas stolz an der Feier teil. Er war ein gut aussehender Junge, ein erstklassiger Sportler und wollte anschließend am Auburn College Veterinärmedizin studieren.

Nach der Examensfeier führte er sie alle zu St. Bede. Dort erwartete sie die heilige Jungfrau Maria, die dem Anlaß entsprechend in Robe und Barett gekleidet war. Ihr Gesichtsausdruck kam Vic ungewöhnlich heiter vor.