Er richtete seinen Zorn gegen Chris.»Was kannst du ihr geben?«

«Mich.«

«Vic, du brauchtest dir für den Rest deines Lebens keine Sorgen zu machen. Es ist mir ernst. Ich will dich heiraten. Ich will das Kind mit dir großziehen. Niemand wird es erfahren. Meine Eltern nicht. Deine Eltern nicht. Ich werde lernen, mit deiner Beziehung zu Chris zu leben. Ich weiß nicht wie, aber ich werde es lernen.«

«Es kann nicht funktionieren.«

«Warum nicht?«, schrie er.

«Weil ich dich nicht auf diese Art liebe, Charly. Weil es nicht fair ist.«

«Ich hab dir doch gesagt, ich.«

«Du hast gesagt, du willst lernen, Chris zu akzeptieren. Das ist ein wunderbares Geschenk, aber ich kann es nicht annehmen, genauso wenig wie deinen Ring.«

«Behalt den Ring, verdammt noch mal!«Es war das erste Mal, daß Charly vor Vic fluchte.

«Chris und ich werden das Kind aufziehen. Sie möchte das Baby haben.«

«Vic, du bist vom College geflogen. Wie kannst du ein Kind ernähren? Und du, Chris? Ihr braucht mich.«

Die drei schwiegen einen Moment, dann wiederholte Charly:»Ihr braucht mich.«»Charly, du kannst nichts tun. Du mußt dein eigenes Leben leben.«

«Es ist auch mein Kind.«

«Möchtest du, daß dein Name auf der Geburtsurkunde steht?«, fragte Chris.

«Bist du sicher, daß es von mir ist?«Neuerlicher Zorn flammte in ihm auf.

«Da ich nie mit einem Mann geschlafen habe außer mit dir, ist es von dir, es sei denn, es war eine unbefleckte Empfängnis. «Chris zahlte es ihm mit gleicher Münze heim.

«Du bist also lesbisch, hast Vic verführt.«

«Quatsch. Sie hat mich nicht verführt«, sagte Vic.

«Du bist einfach eines Morgens aufgewacht und hast festgestellt, daß du eine Frau liebst?«Charly schüttelte den Kopf.

«Komischerweise ja. Ich liebe sie, Charly, und so schmerzlich es für dich sein mag, es ist die Wahrheit. Ich kann nicht vorgeben, dich auf diese Art zu lieben. Würde ich das tun, würdest du dir dauernd Fragen stellen, würdest unglücklich sein. Du würdest dich fragen, ob ich an diesem Tag mit ihr geschlafen habe. Männer konzentrieren sich anscheinend vor allem auf das Sexuelle.«

«Als ob das bei euch anders wäre!«Es fehlte nicht viel, und er hätte sie eine Heuchlerin genannt.

«Das bringt uns keinen Schritt weiter«, warf Chris klugerweise ein.»Charly, ich habe Vic nicht verführt. Es kam bei uns ganz spontan. Und ich liebe sie. Nein, ich kann ihr kein Geld geben, kein soziales Prestige, nichts von alledem. Ich wünschte, ich könnte es. Ich weiß nicht, was wir tun werden. Ich weiß nicht, wie wir ein Kind ernähren können, geschweige denn uns gegenseitig. Aber wie dem auch sei, ich liebe sie und will mein Bestes für sie tun.«

«Das sagt sich so leicht. Sie bringt ein viel größeres Opfer als du.«

«Charly, das ist unfair. Ihr Körper ist betroffen, nicht meiner.«

«Warum kannst du es nicht abtreiben lassen?«Charly fuchtelte aufgebracht mit den Händen in der Luft herum.

«Ich kann diesem Kind nicht das Leben nehmen. «Hastig fügte Chris hinzu:»Für mich ist das keine Alternative. Was andere Frauen tun, ist ihre Sache.«

«Gott, wenn du's doch wärst, Vic. «Charly hätte am liebsten die Hände vor die Augen gehalten und geweint. Er tat es aber nicht.

«Was würde das ändern?«Vic berührte seinen Unterarm.

«Du würdest mich heiraten.«

«Nein. Ich würde trotzdem Chris heiraten.«

«Das kann nicht dein Ernst sein.«

«Ist es aber.«

«Ich kapier das nicht. Ich kapier das einfach nicht. «Er starrte auf ihr schönes Gesicht.

«Es tut mir Leid. Ich wollte dir niemals wehtun. Ich kann es dir nicht verdenken, wenn du mich haßt, aber eines Tages wirst du es vielleicht verstehen.«

«Ich verstehe nur, daß du mich nicht heiraten willst und daß du dein Leben ruinierst. Ich begreife nicht, daß du Chris willst.«

«Wäre es einfacher, wenn sie ein Mann wäre?«

«Ja. Mit einem anderen Mann könnte ich mich schlagen.«

«Aber wenn ich dich wegen eines anderen Mannes verlassen würde, ob du dich mit ihm schlägst oder nicht, ich weiß nicht, ob der Schmerz sehr viel anders wäre.«

«Okay. «Er holte tief Atem.»Alles passiert auf einmal. Eine ganze Menge. Wollen wir es nicht erst mal ruhen lassen? Laßt uns nach Weihnachten darüber reden. Man weiß nicht, was wird. «Er hielt inne.»Wissen es deine Eltern?«

«Daß Chris schwanger ist?«

«Nein. Das mit dir und Chris.«

«Nein.«

«Vic, sie werden es vielleicht nicht so gut aufnehmen, wie du denkst.«

«Das wird nichts ändern an dem, was Chris und ich tun werden. Wir werden zusammenleben. Wir werden das Kind zusammen aufziehen.«

«Schon gut. Schon gut. «Er hob die Hände.»Aber manchmal bringt die Zeit die Dinge ins Lot.«»Charly, ich hoffe, ich bete, daß du mein Freund bleibst und daß du lernen wirst, Chris ein Freund zu sein.«

Chris, die auf einer anderen Schiene dachte, sagte:»Wir sind alle durcheinander. Es ist ein schwerer Schock. Und ich will dir auch nicht wehtun, Charly. Ich möchte Vic nicht verlieren. Und ich hoffe, die Zeit wird dir helfen, aber woher weiß ich, ob die Zeit dich nicht nur wütend macht? Woher weiß ich, daß du nicht eines Tages versuchen wirst, uns das Kind wegzunehmen?«

Daran hatte Vic nicht gedacht. Das wäre ihr nie in den Sinn gekommen. Ihr Verstand funktionierte nicht auf diese Weise.

«Wenn Vic und ich heiraten würden, hätte das Kind es gut.«

«Aber ich bin die Mutter.«

«Woher weiß ich, daß du Vic das Kind nicht wegnimmst? Was, wenn du sie verläßt?«

«Ich werde sie nicht verlassen. «Chris' Wangen färbten sich rot.

«Woher weißt du das? Welche Chance haben zwei Frauen in der Welt? Zwei arbeitslose Frauen mit einem Kind?«

«Welche Chance hat irgendwer am Anfang? Die Liebe ist alles, was wir haben. Alles, was irgendwer hat. Vielleicht mit dem einen Unterschied, daß wir von vornherein wissen, wie unfair die Welt ist«, erwiderte Vic.

«Vic, willst du dein Leben ruinieren?«

«Ich würde mein Leben ruinieren, wenn ich dich heiraten würde, und deins obendrein.«

Das drang endlich zu ihm durch.

«Herrgott. «Charly kämpfte mit den Tränen.

«Es tut mit Leid. «Vic wünschte inständig, sie hätte schon früher den Mut gehabt, es ihm zu sagen. Dann wäre der Schmerz nicht so groß gewesen. Sie gelobte sich, nie wieder so ein Feigling zu sein, wenn es um Gefühle ging. Sie wollte nie wieder jemanden so verletzen, wie sie jetzt Charly verletzte.

Er schloß die Augen und öffnete sie wieder.»Ich werde nicht versuchen, euch das Kind wegzunehmen. Aber ihr nehmt es mir auch nicht weg.«

«Wie meinst du das?«, fragte Chris ganz ruhig.

«Ich bin der Vater. Ich werde Unterhalt für das Kind bezahlen, und ich will mein Kind sehen.«

«Du willst bloß Vic sehen.«

«Natürlich will ich sie sehen. Aber es ist mein Kind, und Chris, ob es dir paßt oder nicht, ihr zwei werdet jede Hilfe brauchen, die ihr kriegen könnt.«

«Und wenn du heiratest?«Chris hätte das ungesagt lassen können, aber sie wollte, daß alles auf den Tisch kam.

«Ich will nur Vic.«

«Charly, ich glaube, sie will darauf hinaus, ob du und deine Frau versuchen würdet, uns das Kind wegzunehmen.«

«Ich hab doch gesagt, daß ich das nicht tun werde. Ich gebe euch mein Wort.«

«Danke. «Vic drückte seine Hand, dann ließ sie sie los.

Erst als Vic und Chris weg waren, konnte Charly endlich weinen.

40

Das emotionale Knistern zwischen Vic und Chris blieb nicht unbemerkt, doch weder R. J. noch ihr Mann hätten die wahre Ursache erahnen können. Die stets großzügigen Savedges nahmen Chris von Herzen gern an den Feiertagen bei sich auf. Jinx und andere junge Menschen, die mit ihren Eltern nicht klar kamen, hatten im Laufe der Jahre oft den Weg zu den Savedges gefunden.

Das Essen mit den McKennas am Heiligen Abend war um sieben Uhr geplant.

Um halb fünf tauchte die Sonne am Horizont unter. Bunny hatte R. J. den ganzen Tag beim Kochen geholfen. Als die letzten Sonnenstrahlen die Landschaft übergossen, rief Don an und sagte, er habe sich ein bißchen verspätet, aber jetzt sei er endlich zu Hause. Er werde duschen, sich rasieren, anziehen und pünktlich bei den Savedges sein.

Um sechs rollte Edward Wallace in einem funkelnagelneuen Cadillac mit Georgia am Steuer durch die Zufahrt. Er brachte Yolanda einen Leckstein und mehrere in Scheiben geschnittene Äpfel, die er unter ihr Futter mischte.

Als er aufbrach, kam Bunny nach draußen, um noch einen Arm voll Holz zu holen.

«Frohe Weihnachten, Edward. Wann wird dein Transporter fertig?«

«Keine Ahnung. Georgia ist mit mir an der Werkstatt vorbeigefahren, aber ich glaube, da ist niemand mehr außer Don.«

«Du mußt dich irren. Er ist zu Hause.«

«Nein, ich hab seinen Wagen an der Seite stehen sehen — und einen neuen Dodge Ram.«

«Nora Schonfeld«, zischte Bunny leise.

R. J. fuhr zusammen, als Bunny in die Küche stürmte und das Holz vor den Küchenkamin warf.»Bunny!«

Bunny kümmerte sich nicht weiter um den Holzhaufen, den sie gerade abgeladen hatte.»Dieser Schuft! Er ist mit Nora Schonfeld im Büro. Edward hat ihr Auto gesehn.«

«Er ist ein alter Mann. Er wird sich geirrt haben.«»Edward ist ein alter Mann, aber ihm entgeht nichts. Ich schnapp mir Don. Dieses Weihnachten wird er nie vergessen!«Sie riß ihre Schürze herunter.

«Vic!«, rief R. J.

«Mom?«Vic kam in die Küche.

«Geh mit deiner Tante Bunny, ja? Sie wird es dir erklären, und du, hm, los, geht schon.«

«Ich brauch keine Aufpasserin!«, wütete Bunny.