«Du wärst trotzdem scharf auf sie.«
Er sah Jinx an.»Kann schon sein. Aber ich würde sie nicht lieben. Hätte sie keinen Verstand, würde ich mich am Ende langweilen.«
«Bei manchen Männern dauert>am Ende< Jahre«, zog Vic ihn auf.
«Ihr wollt wohl unbedingt Krach mit mir kriegen. Hört schon auf, Frauen können in puncto Aussehen genauso oberflächlich sein wie Männer.«
«Schon«, stimmte Vic Charly zu,»aber sie haben nicht so viel Gelegenheit, es auszuleben.«
«Meine Mutter meint, es ist wahr, was die Leute sagen, daß Frauen Sex benutzen, um Liebe zu kriegen, und daß Männer die Liebe benutzen, um Sex zu kriegen. Ich denke, da kann ich ihr zustimmen.«
«Jinx, seit wann stimmst du deiner Mutter zu?«, fragte Vic und kniff Jinx in den Arm.
«Seit eben. «Jinx wandte sich wieder an Charly.»Erinnerst du dich, als du Victoria das erste Mal gesehen hast?«
«In dem Senkgarten hinter Haus Wren. Die ganze folgende Woche hab ich sie gesucht. Ich hab alle gefragt, die ich kannte, ob sie sie kannten oder gesehen hatten.«
«Sie hätte total plemplem sein können — es wär dir egal gewesen. «Jinx tat entsetzt über seine Oberflächlichkeit.
«Ja, aber als ich sie gefunden hatte, hab ich entdeckt, daß sie schlau und schön ist.«
«Bedankt euch bei mir. Ich hab euch zusammengebracht. Mir habt ihr euer Glück zu verdanken.«
«Bist eine Heilige. «Vic schlang ihren Arm um Jinx' Hals.
«Mal ehrlich — wenn Charly und ich nicht zusammen Physiologie gehabt hätten, wer weiß? Du hast nach der Vorlesung auf mich gewartet, und da wollte er mich kennen lernen. «Jinx seufzte.
«Hättest du mich ihr nicht vorgestellt, würde ich heute noch da draußen herumirren und nach Vic suchen. «Charly lächelte.
Was Jinx sich nicht eingestehen wollte, war, daß ihr Herz einen Schlag ausgesetzt hatte, als Charly sie vor der nächsten Vorlesung angesprochen hatte. Aber als er sich nach ihrer Freundin erkundigte, da wußte sie, daß sie im Hintertreffen war, bevor sie überhaupt eine Chance hatte. Sie versprach, Charly mit Vic bekannt zu machen, und sie hatte ihr Versprechen gehalten. Jinx liebte Vic, sie würde Vic immer lieben, doch es gab Zeiten, da fiel es ihr schwer, nicht sauer auf sie zu sein.
«Vic, weißt du noch, als du Charly das erste Mal gesehen hast?«
«Klar, als du uns vorgestellt hast.«
«Und?«
«Was, und?«Vic zuckte mit den Achseln.
«Weißt du noch, was du gedacht hast?«, fragte Jinx.
Vic, die an männliche Aufmerksamkeit gewöhnt war, erinnerte sich an ihre erste Begegnung mit Charly, doch das hatte für sie nicht denselben Stellenwert wie für ihn. Sie hoffte, daß es ihr nicht anzumerken war.»Ich dachte, netter Typ.«
«Danke. «Charly lächelte.
«Jinx, wenn du rumrennst und auf Teufel komm raus jemanden finden willst, wird das nie was. Es muß sich sozusagen an dich ranschleichen. Der Richtige wird dir schon noch über den Weg laufen.«
«Und er wird intelligente Frauen mögen. «Charly zwinkerte Jinx zu.
Er mochte Jinx. Sie war nett, temperamentvoll. Er mußte sie mögen. Jinx und Vic waren unzertrennlich.
Sie kamen zu der katholischen Kirche St. Bede, blieben stehen, um die große Marienstatue inmitten der tadellos gepflegten Anlage zu bewundern. Der Pastor wohnte gegenüber in einem schmucken weißen Haus, von wo er St. Bede und Maria im Blick hatte.
«Sie guckt immer so friedlich«, bemerkte Jinx.»Männliche Heilige gucken nie so friedlich wie die Muttergottes.«
«Weil sie gegen ihr Testosteron ankämpfen.«»Wenn Raphael heute lebte, würde er dich als Madonna malen. «Charly küßte Vic auf die Wange.
Jinx zog eine Grimasse.»Ich muß gleich kotzen.«
«Zynikerin«, sagte Charly.
«Ich werde Patin von Vics Kindern. Sie brauchen eine Zynikerin in ihrem Leben. Wahrscheinlich guckt die heilige Muttergottes deswegen so friedlich. Weil die Kinder aus dem Haus sind.«
«Laß das bloß nicht deine Mutter hören…«
«Sie kriegt's nicht zu hören, wenn du's ihr nicht erzählst. «Jinx kniff Vic in den Arm.»Übrigens, was machst du am Wochenende?«
Vic atmete tief aus. Sie hatte Charly noch nicht gesagt, daß sie nach Hause mußte. Er paßte ihm gar nicht, wenn sie ein Footballspiel versäumte. Er seinerseits besuchte ihre sämtlichen Lacrosse-Spiele. Vic und Jinx hielten jedes Frühjahr das Lacrosse-Team zusammen.
«Ich bin zu Hause.«
Charly machte ein langes Gesicht.
«Dad hat unser ganzes Geld verspekuliert. Wieder mal. «Sie sah zuerst nacheinander die beiden und dann die heitere Madonna an.»Mutter ist gestern vorbeigekommen. Sie hat kein großes Trara gemacht, aber ihr wißt ja, wie das ist. Als es ihm das letzte Mal passiert ist, war ich in der siebten Klasse. Es war die Hölle.«
«Kannst du die Studiengebühren bezahlen?«Charly legte seine große Hand auf ihre Schulter und drückte sie leicht.
«Hab ich schon. Das hat das meiste von dem Geld verschlungen, das ich diesen Sommer bei Onkel Don verdient habe. «Sie atmete wieder aus, diesmal lauter.»Ich hab genug für meine Bücher, aber ich glaube, ich muß mir einen Job suchen. Lacrosse kann ich vergessen.«
«Sag das nicht«, bat Jinx mit einem dringlichen Ton in der Stimme.»Es ist noch viel Zeit bis zum Trainingsbeginn. Wir lassen uns was einfallen.«
«Hey, das ist keine Beerdigung. Wenn ich nicht Lacrosse spielen kann, dann eben nicht. Ich kann Mom und Mignon nicht im Stich lassen.«»Es muß eine andere Möglichkeit geben«, sagte Jinx.
«Mit Dope dealen?«, schlug Vic vor und zog die Augenbrauen hoch.
«Mmm, keine gute Idee.«
«Charly, du bist zu anständig. «Jinx betrachtete das unbeteiligte, selige Gesicht der Madonna.»Ich glaube, in einer gestreiften Kluft würde sie scharf aussehen.«
«Gefangene tragen heute Orange«, klärte Vic sie auf.
«Orange, hell und fröhlich. «Jinx überlegte einen Moment.»Vielleicht braucht jemand eine Mitarbeiterin, ein Professor, der seine wissenschaftliche Hilfskraft verloren hat.«
«Ja, aber ich bin kein höheres Semester.«
«Man könnte 'ne Ausnahme machen«, meinte Jinx hoffnungsvoll.
«Uns wird schon was einfallen«, beruhigte Charly sie.
Sie kehrten um. Charly gab Vic noch einen Kuß und machte sich dann auf den Weg zu seiner Vorlesung.
Vic und Jinx gingen in Vics Apartment, das gleich um die Ecke von Jinx' Unterkunft lag. Die zwei Freundinnen konnten nie weit voneinander entfernt sein, aber sie konnten nicht zusammen wohnen. Sie hatten schon früh herausgefunden, daß sie dann nie etwas getan kriegten.
«Herrje, hier ist ja nichts drin. «Jinx sah sich im Apartment ihrer Freundin um.
«Ein Bett, ein Küchentisch, vier Stühle und unzählige Bücher. Mehr brauch ich nicht.«
«Vic, das ist deprimierend.«
«Das Wohnzimmer ist sehr geräumig. Ich finde es nicht deprimierend. Ich finde es spartanisch-elegant.«
«Kein Geld.«
«Hm, ja. Ich bin jetzt richtig froh, daß ich nichts gekauft habe. Ich meine, nach Mutters Besuch. Ich hab ein kleines bißchen in Reserve.«
«Aber auf Kirchenbasaren und in Gebrauchtmöbelläden finden wir bestimmt was. Nicht hier. Über den James rüber nach Surrey County. Alles was das Heim begehrt. Da drüben treiben wir ganz sicher was auf. Und dann hätten wir ja noch meine Mutter, die Fürstin der Boulevardpresse. Ich kann ihr ein paar Sachen abluchsen.«
«Hab ich dir schon mal gesagt, daß du meine beste Freundin bist?«
«Nicht oft genug. «Jinx setzte sich auf die Fensterbank im Wohnzimmer und sah aus dem weit geöffneten Fenster. Sie seufzte.»Ich mach mir nichts aus dem Footballspiel. Ich komm mit zu dir nach Hause.«
«Deine Mutter wird nicht begeistert sein.«
«Meine Mutter hat eine tief verwurzelte Angst, daß ich nicht in den richtigen Kreisen verkehre. Ich hab keine Verabredung für das Spiel, da kann ich genauso gut nach Hause und gucken, ob ich bei ihr ein paar Sachen loseisen kann, sobald sie über den Schock weg ist, mich zu sehen.Ihre Collegezeit«, sagte Jinx,»war eine endlose Folge von Verabredungen, Partys, Bällen — herrje. Ich bin nicht sie. Sie war eine Schönheit.«
«Hey, Jinx, du siehst klasse aus.«
«Du siehst mich, seit wir auf der Welt sind.«
«Du mußt dir sagen, daß du klasse aussiehst. Anschauung ist alles.«
«Du hast genug für uns beide. Aber im Ernst, meine Mutter macht mich wahnsinnig. Sie glaubt immer noch, man geht aufs College, um zu heiraten. Ich kann nicht behaupten, daß deine Mutter weit davon weg ist, aber wenigstens ist sie so vernünftig, nicht zu drängen. Und außerdem hast du Charly.«
«Weil Tante Bunny schon genug drängt. Bei denen ist es anders zugegangen, nehm ich an. Weißt du, sie denken immer noch, du bist so gut wie der Mann, mit dem du zusammen bist.«
«Wir hätten in Wyoming oder Montana studieren sollen. Wir sind zu nahe an zu Hause geblieben.«
«Ja. «Vic setzte sich Jinx gegenüber auf die Fensterbank.»Aber es kostet ein Vermögen, in einem anderen Staat zu studieren, und die Unis sind richtig weit weg. Ich würde sie bloß gerne mal sehen.«
«Wir könnten abhauen. «Jinx meinte es beinahe ernst.
«Verlockend. Verdammt, es ist unser letztes Jahr, und ich habe einfach keine Ahnung, was ich mal werden soll, außer. «Vics Stimme verlor sich.
«Wir machen erst mal hier unseren Abschluß. Wenn wir gut abschneiden, können wir weitermachen. Nicht, daß ich es unbedingt wollte, aber es zögert die Entscheidung hinaus«, sagte Jinx.
«Willst du nicht auch eine Aufnahmeprüfung für Jura machen?«
«Ja. Wenn's zum Schlimmsten kommt, kann ich in die Kanzlei von deinem Dad eintreten.«
«Das wäre allerdings das Schlimmste, ganz klar.«
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