Vic parkte, ging zum Haupteingang und klopfte. Im Eingangsbereich durften sich Frauen aufhalten, aber nicht in den Zimmern. Der Trainer meinte, die Isolierung würde den Jungs das Bumsen erschweren. Da hatte er Recht. Er vertrat die alte Theorie, daß Sex vor einem Spiel einen Mann seines Wettkampfdrangs beraubte. Allerdings war wissenschaftlich längst bewiesen, daß das genaue Gegenteil zutraf. Sex steigerte die Testosteronanteile. Vielleicht war es ganz gut, daß er der alten Theorie anhing, weil sonst womöglich eine Reihe von mannstollen jungen Schönheiten als Trainingshilfen engagiert worden wäre.
«Charly!«, brüllte Tareq Nassar, als er Vic hereinließ.
Tareq, ein Cornerback, drahtig und hager, bildete einen starken Gegensatz zu Orion Chalmers, dem rechten Guard, der in einem Sessel in der Eingangshalle lümmelte. Orion sah aus, als hätte er sich an einer Tankstelle mit Luft voll gepumpt.
Charly erschien.»Vic. «Er schloß sie ungestüm in die Arme.»Komm, laß uns spazieren gehen. Bloß weg von diesen Tieren.«
Die Männer in der Eingangshalle johlten, einige pfiffen anerkennend.
Draußen im Zwielicht bemerkte Vic Charlys Beine. Er trug Bermudashorts.»Herrje, du siehst aus wie ein Dalmatiner.«
«Die haben hart zugeschlagen. «Er nahm ihre rechte Hand, als sie über den Campus schlenderten.
«Mom, Dad, Mignon und Tante Bunny lassen grüßen. Oh, Tante Bunny hat wieder bei den Clubmeisterschaften gewonnen. Der Pokal gehört ihr.«
«Super. «Er rieb seine Nase an ihrem Kopf.»Und du siehst super aus. Ich hab dich vermißt.«
«Ich hab dich auch vermißt. «Sie mochte seinen Geruch, sein Aftershave, das, nicht zu kräftig, seinen eigenen Geruch ergänzte.
Die Leute winkten ihnen zu, als sie daherschlenderten, einer halb an den anderen gelehnt, der Inbegriff der jungen Liebe. Er schilderte das Spiel, die Ausbrüche des Trainers im Umkleideraum, die überwiegend den Defense-Linespielern galten. Sie erzählte ihm von Mignons durchstochenen Ohren, von Edward Wallaces mit Schrotkugeln gespicktem Hinterteil. Sie erzählte ihm nicht, wie schlimm es mit dem Geld stand, erwähnte auch nicht die überwältigende Anziehungskraft, die Chris auf sie ausübte.
Ihn zu sehen war eine Erleichterung für sie, seine Vertrautheit beruhigte sie. Neben Jinx war Charly ihr bester Freund.
Doch die Empfindungen, die Chris entfachte, die reine Lust, so etwas hatte sie bei Charly nie gespürt. Bei ihm fühlte sie körperliche Anziehung, Glück, Wohlbehagen und Vertrauen. Als sie mit ihm spazieren ging, war ihr, als könnte sie endlich Atem holen, als hätte sie seit Freitagnachmittag nicht mehr tief durchgeatmet. Sie wußte auch, daß alles war wie vorher, daß nur sie selbst irgendwie verändert war. Sie zwang sich, sich auf das, was er sagte, zu konzentrieren.
«… dabei haben wir erst Mitte September!«Er hob die Stimme.»Sie plant schon voraus, sie sagt, Thanksgiving ist so wichtig für Onkel George, seit Nana tot ist. «Er wedelte mit der Hand vor dem Gesicht, als würde er ein Insekt verscheuchen.»Sie hat gequasselt und gequasselt. Als Kompromiß werde ich Thanksgiving zu Hause sein, in Familie machen, aber am Abend komm ich rüber zu euch. Als Nachtischbesuch sozusagen.«
«Du wirst mein Nachtischbesuch sein. «Sie blieb stehen und küßte ihn auf seine weichen Lippen.
«Ein schöner Gedanke. «Er umarmte sie, ließ sie los.»Hey, Vic, ich komm um vor Hunger.«
«Haben sie dir nichts zu essen.?«
Er unterbrach sie.»Doch, aber ich bin am Verhungern. Vielleicht hab ich 'nen Bandwurm.«
«Nee. Du mußt dich für die vielen Muskelrisse entschädigen, die vielen blauen Flecke. Du siehst wirklich wie ein Dalmatiner aus.«
«Ich frag mich, ob ich nicht ein echtes Arschloch bin. Ich liebe meine Mutter, aber sie treibt mich zum Wahnsinn.«
«Charly, sie ist. «, Vic wägte ihre Worte,». eine beherrschende Frau.«
«Allerdings. «Er nahm wieder ihre Hand und machte dann zwei Schlenkerschritte nach rechts, gefolgt von zweien nach links.
Charly war schrecklich gern mit Vic zusammen. Er hatte das Gefühl, ihr alles sagen zu können, ohne daß sie ihn verurteilen würde. Er hatte sich noch bei keinem anderen Menschen so frei gefühlt. Sie brachte ihn zum Lachen. Sie ließ ihn wünschen, ein besserer Mensch zu sein, damit sie stolz auf ihn sei. Er lauschte gern ihren Geschichten von Surry County, ihrer Einschätzung der Leute. Er staunte oft über ihren Scharfblick, der treffend war. Charly war von ihnen beiden der bessere Redner, und sie zog ihn damit auf, daß er der ideale Politiker sei. Ein Gouverneursposten wäre nicht das Schlechteste, doch er wollte viel Geld verdienen. In der Politik verdient ein Mann nicht richtig viel, er muß vielmehr eigenes Geld mitbringen. Was immer die Zukunft bereithielt, er stellte sich Vic an seiner Seite vor. Und obwohl er eine Menge erben würde, wollte er selbst Geld verdienen. Vic sollte stolz auf ihn sein.
13
DasKlackklackklack ihrer Absätze auf dem glänzenden schwarzen Fußboden des Autohauses sandte eine Einladung aus. Hojo wiegte sich verführerisch auf den offenen halbhohen Riemchensandaletten.
Das geschwungene Empfangspult erinnerte Hojo an die Kommandobrücke eines Schlachtschiffs. Sie liebte es, ihren Posten einzunehmen. Da sie weit über Bodenhöhe saß, konnte sie auf die Verkäufer hinuntersehen und sich insgeheim über die leuchtenden kahlen Stellen auf ihren Köpfen lustig machen. Sie fühlte sich über alle erhaben.
Sie stieg zu ihrem Platz hinauf, nahm einen Drehbleistift und notierte Verkaufszahlen. Empfangsdame zu sein hatte seine Vorteile, einer davon war, daß es wenig Streß gab. Aber sie war nicht dumm. Sie wußte, Verkäufe waren Geld wert. Ihr Gehalt mochte wohl ein bißchen steigen, aber sie würde nie eine Provision einstreichen, wenn sie auf ihrem Hintern saß und den Laden überblickte. Still und heimlich befaßte sie sich mit dem Geschäft und den Produkten. Sie wollte der erste weibliche Autoverkäufer bei McKenna-Dodge/Toyota werden.
Die Eingangstür ging auf. Hojo schenkte Bunny und J.R. ein strahlendes Lächeln. Wie die meisten Frauen musterte sie unwillkürlich R. J. deren dezente Art sich zu kleiden perfekt zu ihr paßte. Hojo hing dem festen Glauben an, mehr sei mehr. Dennoch bewunderte sie R. J. da sie begriff, daß R. J. ihren Stil gefunden hatte und dabei blieb. Hojo sah sich noch als im Fortschritt begriffen, und mit fünfundzwanzig glaubte sie daran, daß sie Fortschritte machen konnte und würde.
«Guten Morgen, Mrs. McKenna, Mrs. Savedge.«
«Morgen, Hojo. «Bunny lächelte nicht, als sie zur Rückseite des erhöhten Empfangsbereiches ging und die drei Stufen hinaufstieg, die zu Hojo auf das Podest führten.
Hojo deckte ihre Papiere automatisch mit dem Unterarm zu. R. J. blieb unten stehen.
«Hojo, Sie haben Mignon Ohrlöcher gestochen, stimmt's?«Bunny verschränkte die Arme.
«Mit einer Nadel und Eiswürfeln. Sie hat kein bißchen gejammert. «Hojo lächelte.
«Wie kamen Sie dazu, so etwas zu tun?«Bunny gefiel sich darin, gegenüber den Angestellten einen strengen Ton anzuschlagen, ob es ihnen paßte oder nicht.
«Sie hat mich darum gebeten. «In Hojos Amethyst-Ohrringen spiegelten sich die Lichter der Deckenschiene.
«Sie ist erst fünfzehn«, blaffte Bunny.
«Das hab ich nicht gewußt. Sie ist ein großes Mädchen. «Hojo ließ sich von Bunny nicht einschüchtern.
«Sie ist groß«, bestätigte R. J.»Hat sie nicht gesagt, warum sie wollte, daß Sie es machen? Die meisten Mädchen gehen doch wohl ins Einkaufszentrum, um sich die Ohren mit so einem Dingsda durchstechen zu lassen, ich weiß nicht, wie nennt man das, Pistole? Da hätte sie allerdings ihren Ausweis vorzeigen müssen, und das mag erklären, warum sie zu Ihnen kam.«
Hojo stand auf und beugte sich zu R. J. hinunter.»Mrs. Savedge, sie hat gesagt, daß ihr meine Ohrringe gefallen und daß sie die Ohren von Courtney in der Schule gesehen hat, deshalb wollte sie, daß ich es mache.«
Courtney, sechzehn Jahre alt, war eine Klasse über Mignon.
«Das zeugt von schlechtem Urteilsvermögen. «Bunny ließ die Arme sinken.
Hojo atmete ein, zählte bis drei und antwortete dann gelassen:»Ich wußte nicht, daß Mignon erst fünfzehn ist, und ich wußte nicht, daß Mrs. Savedge dagegen war, daß sie sich Ohrlöcher stechen läßt.«
«Bunny, die Erklärung genügt mir. «R. J. sah aus dem Fenster auf die neuen Transporter, die glänzten wie bunte Gummibärchen.»Hojo, wir haben Ihnen diese Fragen gestellt, um zu erfahren, ob Mignon mir die Wahrheit gesagt hat. Das hat sie.«
«Wie geht's ihren Ohren?«, fragte Hojo eine Spur zu beflissen.
«Gut. Vic und ihre Freundin Chris haben ihr Goldstecker gekauft. Sie sieht wirklich niedlich aus. Ich wollte, daß sie wartet, bis sie sechzehn ist, das ist alles. Sie haben nichts Unrechtes getan. Mignon versteht es, die Leute um den Finger zu wickeln.«
«Sie ist der reinste Wirbelwind. «Hojo beugte sich weiter hinunter, ihre Brüste berührten die Pultplatte.»Vic ist so ruhig, und Mignon sprudelt nur so über.«
Bunny stieg wieder hinunter.»Bin gleich zurück, R. J. «Sie ging in Dons Büro, das voll gehängt war mit Fotografien von Bunny als Siegerin bei diversen Golfturnieren und von Don, der Seglerfische und Barrakudas in die Höhe hielt, die er alljährlich im Januar während seiner Flucht nach Florida gefangen hatte.
«Mmm, mmm, mmm. «Hojo sang die Laute halb, drei lange Töne, die weniger von Mißbilligung als von Belustigung kündeten.
R. J. zeigte auf einen feuerwehrroten Dodge-Halbtonner und lächelte zu Hojo hinauf.»Ein schönes Stück.«
«Wir sollten Fotos für Anzeigen aufnehmen. Sie würden ein prima Model abgeben. Sie und Vic könnten Werbung machen, verstehen Sie, so wie in dieser Mutter-Tochter-Reklame für Seife und so.«
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