«Nein. «Mignon befühlte die Goldkugelohrringe.

«Herzchen, die silbernen hier sind genauso groß. Ich denke, was die Größe angeht, hast du Recht. Du hast einen guten Geschmack, Mignon. Du weißt genau, was dir steht und auch allen anderen.«

«Zelda, wenn sie die silbernen nimmt, entzünden sich ihre Ohren.«

Zelda stellte fest, wer immer Mignons Ohren durchstochen hatte, hatte es an genau den richtigen Stellen getan.

«Ich hab auch ein bißchen Geld«, verkündete Chris und langte in die Tasche ihrer Shorts.

«Kommt nicht in die Tüte. «Vic faßte sie am Handgelenk.»Du bist der Gast, und die Eskapade meiner kleinen Schwester darf dich nichts kosten.«

«Ich kann ihr Kredit geben. Sie kann ihn abstottern«, schlug Zelda vor.»Ich weiß, daß sie's tun wird. Auf Mignon ist Verlaß.«

«Lisa Baptista hat in der ganzen Stadt Kredit«, sagte Mignon zu Vic.

«Nicht bei uns. «Mehr wollte Zelda nicht sagen.

«Mignon, kauf nicht auf Pump. Wenn wir nicht alles auf einmal bezahlen können, mußt du kleinere Ohrringe nehmen.«

«Die sind ja klitzeklein. «Mignon hatte sich auf die goldenen Kugeln versteift, die genau die richtige Größe für ihre Ohren hatten.

«Bitte, nimm mein Geld. Ich schulde es Mignon für die vergnügliche Unterhaltung. «Chris drückte Vic ihr Geld in die Hand und hielt es mit der anderen Hand dort fest.

Ein feuriger Blitz durchzuckte Vic. Sie starrte Chris sprachlos an.

Mignon, die die Reaktion ihrer Schwester beobachtete, sagte:»Chris, wir können dein Geld nicht annehmen. Das ist nicht recht.«

«Ich bestehe darauf. «Chris drückte Vics Hand und ließ sie dann los.

Vic ließ das Geld fallen. Noch nie im Leben hatte sie so etwas gefühlt, weiße Hitze, gepaart mit blauer Kälte. Sie wußte, es war sexuell. Sie wußte, daß sie das bei Charly nie empfunden hatte. Sie wußte nicht, was sie machen sollte, und sie wußte nicht, ob Chris dasselbe fühlte.

Mignon hatte das Geld aufgehoben, fünfzehn Dollar.

Zelda konnte die Savedges gut leiden. Fast jeder mochte sie.»Mignon, wir müssen sie in deine Ohren stecken, bevor es zu spät ist und wehtut. «Sie holte eine Flasche mit Alkohol unter dem Ladentisch hervor.»Chris, behalt dein Geld. Bitte erzählt niemandem von diesem Rabatt. Das ist unser Geheimnis.«

«Zelda. «Vics Stimme brach ab.

«Euer Vater war gut zu mir. Und so wird's gemacht. «Zelda rieb sorgsam die Rückseite des Ohrrings ab. Sie nahm eine kleine Schere aus einer Schublade und schnitt die Wachsstrippen durch.»Hast du die Operation ausgeführt?«, fragte sie Vic.

«Nein. Hojo.«

«Hat sie gut gemacht. Die Frau hält mich beschäftigt. «Sie lachte.»Sie liebt Schmuck.«

«Sie verdient nicht genug, um eure Sachen zu kaufen«, sagte Mignon. Sie zuckte zusammen, als sie versuchte, die Ohrringe durchzustecken.

«Mit einem Spiegel geht's besser, Herzchen. «Zelda legte einen Handspiegel vor sie hin.»Bring's schnell hinter dich, und dann mußt du die Ohrringe immer drehen. Reib sie vorne und hinten mit Alkohol ab, ohne sie rauszunehmen. In einer Woche dürfte alles in Ordnung sein. Wie's aussieht, heilt es bei dir schnell ab.«»Mignon, du weißt nichts über Hojos Finanzen. Du bist diejenige ohne Geld, nicht sie.«

Zelda bewunderte Mignon.»Bildhübsch siehst du aus.«

«Nun übertreib mal nicht«, sagte Vic, die sich einigermaßen von dem Blitzschlag in ihrem Körper erholt hatte.

Während sie zurückfuhren, um Jinx abzuholen, erzählte Vic Chris, daß ihr Vater Urkunden für die Leute aufsetzte, Testamente, was immer gebraucht wurde. Er half oft Leuten, die nicht viel bezahlen konnten.

«Für Dad stehen die Menschen an erster Stelle, Geld an zweiter.«

«Das ist eine großartige Eigenschaft. «Chris drehte sich um, ihre blonden Haare schimmerten im Licht.»Sie stehen dir gut, Mignon.«

Vic mußte Chris dauernd ansehen. Sie schaute auf die Straße und dann wieder zu Chris. Als Chris ihren Blick erwiderte, brach Vic in Lachen aus. Chris lachte auch.

Als Vic, Chris, Mignon und Jinx nach Surry Crossing kamen, hatte R. J. den Grill angeheizt und die Steaks mariniert.

Mignon dachte, sie könnte an ihr vorbeischlüpfen, aber R. J. kannte ihre Jüngste nur zu gut. Mignon war zu still und bewegte sich zu schnell.

«Mignon, komm mal her.«

«Ich wollte deine Rosen düngen«, sagte Mignon, aber als sie den Blick ihrer Mutter bemerkte, trottete sie zu ihr.

«Ach, Mignon.«

8

Einigermaßen gestärkt von ihrer Lucky Strike, hatte R. J. sich so weit gefaßt, daß sie imstande war, sich um die Steaks zu kümmern. Schlimm genug, daß Mignon sich Ohrlöcher hatte stechen lassen, aber noch viel schlimmer war es, daß sie es hinter ihrem Rücken getan hatte.

Frank würde zum Abendessen nicht zu Hause sein. Weil im Club die Damenmeisterschaften ausgetragen wurden, war er mit Randy Goswell, Arnold Burgess und Ted Baptista, losgezogen, um auf einem neuen Golfplatz bei Norfolk zu spielen. Die Jungs wollten sich amüsieren.

Die gescholtene Mignon trug die Ohrstecker, weil Vic ihre Mutter überzeugt hatte, daß es schlimmer wäre, sie herauszunehmen. Sie machte ihr plausibel, daß Mignon sich mit sechzehn sowieso Ohrlöcher stechen lassen würde. Es war nun mal geschehen, und warum eine Entzündung riskieren? Vic hatte ihre Mutter beiseite genommen und darauf hingewiesen, daß Mignon gut in der Schule war, nicht trank oder rauchte und sich bislang nicht mit dem anderen Geschlecht herumgetrieben hatte. Von Drogen ganz zu schweigen. R. J. zog an ihrer Zigarette, während ihre Älteste ihre Fürsprache beendete.

«Na schön. Ich bin überstimmt. «Sie holte Luft, die Spitze ihrer Zigarette setzte einen roten Punkt hinter ihren Satz.»Herzchen, du hast einen klugen Kopf auf deinen Schultern.«

Sie lachten, als R. J. Vic auf die breite Schulter klopfte und sie dann sacht zum Steg schob, wo Jinx und Chris die Boote beobachteten.

«Mom, wozu die vielen Teller?«, rief Mignon vom Hof.

«Regina und Lisa essen mit uns.«

«Was ist mit Teddy und Boo?«Das waren Jinx' Brüder, einer älter als Mignon, einer jünger.

«Sie assistieren im Club.«

«Cool. «Daß Mignon in Teddy verknallt war, der in die Abschlußklasse der Highschool ging, verriet sie niemandem.

«Weiß Jinx, daß ihre Mutter kommt?«Mignon brachte Gewürze nach draußen.

«Nein. Seit wann fragst du so viel? Mignon, du weißt, es gehört sich nicht, so viele Fragen zu stellen.«

«Ja, Ma'am. «Eine Pause, dann:»Freust du dich denn nicht, daß ich wißbegierig bin?«

Kopfschüttelnd lief R. J. zum Grill. Kaum stand Mignon mit dem Rücken zu Piper, schon schnappte die Hündin sich ein Steak vom Stapel, indem sie sich auf die Hinterbeine stellte, und flüchtete dann in Windeseile.

«Miststück. «R. J. schüttelte den Kopf. Sie beschattete die Augen und betrachtete die drei College-Studentinnen, die auf dem Steg saßen, von der tief stehenden Sonne mit Gold übergossen.»Jung müßte man sein«, dachte sie.

R. J. war durchaus kein verbitterter Mensch, und sie ertrug ihre Enttäuschungen mit Gleichmut. Sie liebte Frank trotz seiner Schwächen, aber die Geldsorgen zehrten an ihren Nerven. Manchmal fühlte sie sich innerlich alt. Alt und müde.

Chris saß zwischen Vic und Jinx; alle drei hatten die Füße im Wasser und die Sonne im Gesicht.

«Nee. «Jinx schüttelte den Kopf.

«Warum nicht?«Chris atmete den schweren Flußgeruch ein.

«Die amerikanischen Männer haben zu viel Angst vor den Frauen. Sie werden einer Frau niemals politische Macht geben«, erklärte Jinx.

«Lauf, Piper!«Vic sah soeben den Hund das Steak stibitzen.

Alle lachten.

«Du hast kein Wort gesagt. «Chris stieß Vic an.

«Politik«, Vic zuckte die Achseln,»interessiert mich nicht besonders.«

«Sie wird immer tun, was Charly ihr sagt. «Jinx wußte, daß sie Vic damit provozierte.

«Quatsch. «Jinx hatte ins Schwarze getroffen.

«Nach einer Footballprofi-Karriere wird er für ein öffentliches Amt kandidieren.«

Vic sah auf die Uhr.»Herrje, ich hab vergessen, mir die Übertragung von dem Spiel anzuhören. «Sie zuckte mit den Schultern.»Na wenn schon.«

«Du gehst ganz schön lässig mit ihm um«, sagte Chris. Ihr Tonfall enthielt keine Verurteilung.

«Weil Vic so irrsinnig schön ist, daß sie jeden haben kann, den sie will. «Jinx seufzte. Sie wünschte, sie wäre so schön.»Charly ist auf dem Campus eine große Nummer. «Sie verwendete den alten Ausdruck mit einem leicht spöttischen Ton in der Stimme.»Aber Vic ist auf ihre Art größer.«

«Jinx, nun mach mal halblang. «Vic ertrug es nicht, wegen ihres Aussehens gelobt zu werden. Es war schließlich nicht ihr Verdienst.

«Hm, ich vermute, sie könnte so gut wie jeden verführen«, meinte Chris.

Chris spritzte mit dem Fuß Wasser auf Vic.

Hitze, drückende, unkontrollierbare Hitze flackerte durch Vics Körper. Sie sah Chris tief in die Augen. Chris zwinkerte Vic diabolisch zu, die lächelte und sich dann wegdrehte.

Chris, die in einer Familie mit strengen Prinzipien aufgewachsen war, hatte überlebt, indem sie ihrem Rebellionsgeist freien Lauf ließ. Sie hatte nicht gewußt, wonach sie suchte, bis sie Vic begegnet war. Da war ein Teil ihres privaten Puzzles an seinen Platz gerückt. Sie wußte, daß sie mit Vic zusammen sein wollte.

«Wir müssen morgen den Sportteil gründlich studieren, damit du nachher so tun kannst, als hättest du die Übertragung gehört. «Jinx hatte Freunde in einem kleinen Segelboot entdeckt und winkte ihnen zu.

«Ich lüg ihn nicht an. Ich hab's einfach vergessen. «Vic sah die Insassen eines Bootes winken und winkte zurück. Sie wechselte das Thema.»Ob Tante Bunny das Turnier gewinnt?«