Ihre Augen wurden kalt. »Ihr beherrscht die Kunst der Doppelzüngigkeit, wie ich sehe.«
Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen. Ihr Gesichtsausdruck war schroff, abweisend. Elizabeth hatte mich zur Vorsicht gemahnt. Ich suchte noch fieberhaft nach der richtigen Antwort, als mit einem Mal die Tür aufflog und Rochester auf der Schwelle erschien. »Eure Majestät, wir haben diesen Hundesohn draußen herumlungern sehen!« Er trat ein, in seinem Schlepptau drei Männer, die einen jungen Burschen hinter sich herschleiften. Sie schleuderten ihn mit dem Gesicht voran zu Boden, woraufhin seine Kappe herunterrutschte. Mary stupste ihn mit der Fußspitze an. »Dein Name?«
Ich konnte meine Erleichterung nicht länger verbergen, als er den Kopf hob.
»Eure Majestät, manche nennen mich Durot, aber Ihr kennt mich als Fitzpatrick.«
24
»Barnaby Fitzpatrick, der Diener meines Bruders?«, rief Mary.
Ich warf ein: »Eure Majestät, er tut sein Möglichstes, um Euch den Sohn des Herzogs, Lord Robert, vom Leib zu halten. Welche Nachricht er auch bringt, sie muss wichtig sein.«
Barnaby rappelte sich auf. In dem mit braunem Walnussöl eingeriebenen Vogelnest auf seinem Kopf kamen auch Strähnen in seiner natürlichen Haarfarbe zum Vorschein. Auf Marys Nicken hin meldete er: »Robert Dudley und seine Männer sind Euch dicht auf den Fersen. Ich bin als Späher vorausgeschickt worden, weil ein örtlicher Schafhirte Stein auf Bein geschworen hat, Euch in diese Richtung reiten gesehen zu haben. Eure Majestät haben weniger als eine Stunde, um noch zu entkommen.«
»Wo ist dein Beweis?«, forderte Rochester.
»Werter Haushofmeister«, schnappte Mary, bevor Barnaby antworten konnte, »Master Fitzpatrick hat meinem Bruder viele Jahre lang treu gedient. Für Edwards Vergehen hat oft genug er die Peitsche zu spüren bekommen. Ich benötige keine weiteren Beweise.«
Gefolgt von Huddleston, kehrte sie zum Tisch zurück. Eilig sammelte sie ihre Landkarte und die Dokumente ein und warf alles Huddleston zu. »Wir brechen nach Framlingham Castle auf. Das ist einer der Sitze der Howards. Sie sind Anhänger des wahren Glaubens. Wenn Gott mit mir ist, werde ich dort Unterstützer hinter mich scharen. Wenn nicht, ist es von dort nicht mehr weit zur Küste. Mylord Huddleston, Ihr müsst mitkommen. In Eurem eigenen Haus seid Ihr nicht länger sicher.«
So weiß wie die Papiere, die er an sich presste, hastete Huddleston hinter Rochester und den anderen Männern her, die schon, Befehle schreiend, aus dem Saal liefen. Während in dem Herrenhaus ein großes Durcheinander ausbrach, rief Mary mit herrischer Stimme: »Clarencieux! Finch!« Sogleich tauchten aus den hinteren Winkeln des Saals zwei Frauen mit einem Umhang und einem kleinen Mantelsack in den Händen auf. »Das sind meine treuen Dienerinnen«, erklärte Mary, während ihr die Frauen den Umhang über die Schultern legten. »Ihr müsst sie mit Eurem Leben verteidigen.«
Sie fragte uns nicht, wie es uns dabei erging, wenn uns eine solche Aufgabe auferlegt wurde. Im Geiste schon gekrönt, betrachtete sie es als Selbstverständlichkeit, dass wir gehorchen würden.
Wir folgten ihr in den Hof hinaus, wo Bedienstete in aller Eile Satteltaschen vollstopften. Peregrine hielt unsere Pferde bereit. Die Augen traten ihm schier aus den Höhlen, als er Barnaby aus dem Haus rennen und auf sein Ross springen sah. Während Rochester der Königin und ihren Damen beim Aufsteigen behilflich war, schwangen sich Huddleston und Marys männliche Diener allein auf ihre Tiere.
»Wir werden vielleicht noch jemanden brauchen, der uns verteidigt, bevor es Abend wird«, flüsterte Barnaby Peregrine und mir zu.
»Vielleicht auch nicht«, erwiderte ich. »Lord Robert wirkte nicht allzu frisch, als ich ihn zuletzt gesehen habe.«
Barnaby schmunzelte. »Ich habe schon gedacht, ich hätte im Gebüsch eine Ratte rascheln hören. Der Bart steht dir übrigens.«
»Eine in meinem neuen Gewerbe nötige Vorsichtsmaßnahme. Falls jemand fragen sollte: Ich bin Daniel Beecham aus Lincolnshire.« Ich klopfte ihm auf die Schulter – wir waren jetzt Freunde; da war die höfische Etikette nicht mehr so wichtig. »Das war eine ganz schön beeindruckende Stimme, die du da benutzt hast, Durot. Und die Art und Weise, wie du dir die Haare gefärbt hast – alle Achtung. Wie hast du es nur geschafft, in Dudleys Trupp aufgenommen zu werden?«
»Sagen wir es mal so: Ich bin von einem gewissen Earl angesprochen worden, und der hat mir eine Gelegenheit geboten, meinen König zu rächen. Der Rest war ein Kinderspiel. Ich habe dafür gesorgt, dass Robert mich von Anfang an loswerden wollte. Hätte ich gesagt, die Königin sei in Frankreich, hätte er sie bestimmt in Brüssel gesucht. Da kam es ihm gerade recht, dass er mich als Späher vorausschicken konnte. Wahrscheinlich hat er gehofft, irgendein papistischer Meuchelmörder würde mich ihm für immer vom Hals schaffen.«
»Du bist tapfer. Und jetzt hast du mich schon zweimal gerettet. Das werde ich nie vergessen.«
»Bete nur dafür, dass kein drittes Mal nötig sein wird.« Barnaby blickte auf, und schlagartig wurde seine Miene ernst. »Eure Majestät, die Stunde wird nicht länger.«
Ich fuhr herum, und das Herz sackte mir in den Magen. Auf einem Hügel in der Ferne tauchten berittene Soldaten auf, die direkt auf das Herrenhaus zuhielten.
»Hier entlang!«, bellte Barnaby und lenkte sein Pferd in Richtung eines Grates. Flankiert von ihren Bediensteten, galoppierte Mary ihm hinterher. Noch waren Robert Dudley und seine Männer zu weit entfernt, um eine unmittelbare Gefahr darzustellen, doch während wir unter der sengenden Sonne den Gipfel erklommen und uns ein ums andere Mal den Schweiß aus dem Gesicht wischten, stellten wir fest, dass wir bei Weitem nicht schnell genug waren.
Die Frauen keuchten auf. Hinter uns stieg eine schwarze Rauchwolke in den Himmel. Das Herrenhaus, das wir gerade erst verlassen hatten, wurde niedergebrannt.
Huddleston, der an Marys Seite ritt, wurde kreidebleich. »Lasst es brennen«, riet sie ihm. »Ich baue Euch ein schöneres. Dafür habt Ihr mein Wort als Eure Königin.«
Huddlestons verstörte Miene verriet, dass er ihrem Versprechen nicht so recht traute.
Ich winkte Barnaby zur Seite. »Wir sind eine zu leichte Beute. Wir müssen uns trennen.«
Barnaby nickte. »Was schlägst du vor?«
»Du setzt den Weg mit Ihrer Majestät und dreien Ihrer Leute fort. Lass Peregrine die anderen über eine abweichende Route führen. So zwingen wir Robert und seine Männer, sich aufzuteilen. Je weniger hinter ihr her sind, desto größer ihre Chancen, Framlingham zu erreichen.«
»Guter Plan.« Barnaby zögerte. »Und was machst du?«
Ich bedachte ihn mit einem kalten Lächeln. »Ich habe eine überfällige Verabredung. Ich brauche deinen Bogen.«
Peregrine regte sich fürchterlich auf, ließ sich aber am Ende davon überzeugen, dass die Rettung seiner Königin es erforderte, bei seinen eigenen Vorstellungen zurückzustecken. Zu meiner Überraschung befürwortete Rochester meinen Vorschlag. Mary stimmte ebenfalls zu, bestand aber darauf, dass ich zu ihr zurückkehrte, sobald ich die Umgebung erkundet hatte. Letzteres war mein Vorwand gewesen, mit dem ich begründet hatte, warum ich zurückbleiben wollte. So galoppierten nun die zwei Gruppen in unterschiedliche Richtungen davon, die Königin und ihre Eskorte weiter ins Bergland hinein, Peregrine und seine Begleiter in Richtung Essex.
Ich selbst erklomm eine Anhöhe, wo ich Cinnabar weiden ließ. Bevor ich irgendetwas unternahm, betete ich für die Sicherheit der anderen, insbesondere der Königin, die ich mehr bewunderte, als es meinem Auftraggeber vielleicht recht war.
Ich entdeckte eine Ansammlung von Felsen, hinter denen man sich gut verbergen konnte. Dann konzentrierte ich mich wieder auf den verschlungenen Weg und zog vorsorglich einen Pfeil aus dem Köcher.
Es dauerte nicht lange. Gerade als dicke Wolken am Himmel aufzogen und die Sonne verdeckten, mühten sich vier Männer mit staubbedecktem, schweißnassem Gesicht den Pfad hinauf. Robert war nicht dabei. Den Grund dafür sollte ich bald erfahren. Einen Steinwurf von meinem Versteck entfernt stiegen die Männer ab, öffneten einen Weinschlauch und begannen zu reden. Offenbar setzten sie eine Debatte fort, die sie schon seit einiger Zeit führten.
»Er ist vom selben teuflischen Stolz durchdrungen wie sein Vater«, nörgelte einer. »Ich habe die Nase voll davon, dass die Dudleys, diese Emporkömmlinge, uns ständig herumkommandieren. Warum hat er nicht einfach jemand anders zu den Soldaten zurückgeschickt? Ich sag Euch den Grund: Er will sich nicht die Hände beschmutzen, falls Mary am Ende doch noch gewinnt und er plötzlich ihrer Gnade ausgeliefert ist. Soll er es doch allein machen, sag ich. Papistin oder nicht, Bastard oder eheliches Kind, sie ist immer noch unsere rechtmäßige Königin, gleichgültig, was Northumberland sagt. Vergesst nicht, dass der alte Henry den Vater des Herzogs wegen Hochverrats geköpft hat. Verrat liegt ihnen im Blut.«
Zwei seiner Gefährten grunzten zustimmend, spähten aber vorsichtig zu der gepflegten Gestalt hinauf, die in einigem Abstand auf dem Weg stand und die Nase in die Brise reckte, als ließe sich so Marys Fährte erschnuppern.
»Was sagt Ihr, Stokes?«, fragte einer.
Der Mann der Herzogin drehte sich mit wehendem Samtumhang um, sodass kurz das dunkelrote Futter zum Vorschein kam. »Ich denke, dass jeder von uns seinem Gewissen folgen muss, Master Hengate. Aber ich wette, dass Ihr nicht der Erste seid, der dieser Tage die Autorität der Dudleys infrage stellt.«
Hinter dem Felsbrocken versteckt, musste ich unwillkürlich grinsen. Bei ihm konnte man sich darauf verlassen, dass er auf die Neutralität seiner Herrin pochte. Die Herzogin war väterlicherseits Marys Cousine, und ihre Tochter war drauf und dran, sich Marys Krone aufzusetzen. Lady Suffolk konnte sehr viel verlieren, falls Mary am Ende doch noch triumphierte, unter anderem den eigenen Kopf.
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