»Das ist mir gleichgültig«, flüsterte Kate und schlug mit der Faust auf die Matratze. »Sollen sie doch jemand anders finden. Du hast genug aufs Spiel gesetzt. Nicht einmal Ihre Hoheit würde mehr von dir verlangen.«

»Trotzdem würde ich mehr tun. Und du auch. Wie könntest du nicht? Du liebst sie.«

»Und du?«, fragte sie stockend. »Liebst … du sie?«

Ich drückte Kate an mich. »Nur als meine Prinzessin. So viel verdient sie, glaube ich.«

In meinen Armen liegend, murmelte Kate: »Es heißt, ihre Mutter hätte unter einem Fluch gestanden. Manchmal frage ich mich, ob Elizabeth denselben Fluch in sich trägt. Robert Dudley hat sich ihr zu Füßen geworfen. Sein Vater ebenfalls. Doch als sie ihnen einen Korb gab, stürzten sie sich auf sie wie die Wölfe. Ist es möglich, dass der Zauber, den sie ausübt, Männer genauso schnell in Hass verfallen lässt, wie er sie zur Liebe treibt?«

»Ich bete um ihretwillen zu Gott, dass das nicht der Fall ist. Du auch?«

Sie seufzte. »Jetzt gerade nicht.«

22

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich allein im Bett. Erst war ich beunruhigt, aber dann lachte ich leise vor mich hin. Vergnügt fuhr ich mir mit der Hand durch das zerzauste Haar. Der Klapptisch war weggeräumt worden, die Hocker standen in einer Reihe vor der Wand. Säuberlich gefaltet lagen meine Kleider auf einem Stoß vor dem Bett. Kate musste sie mir gebracht haben, als ich noch schlief. Ansonsten wies der Raum keinerlei Spuren ihrer Anwesenheit auf.

Ich wollte gerade aus dem Bett schlüpfen, als die Tür aufging. Mit Handtuch, einem Waschzuber und einer kleinen Kiste beladen, erschien Kate. Wieder trug sie ihr goldbraunes Cape. Das Haar hatte sie sich zu Zöpfen geflochten, sodass man meinen konnte, sie hätte eine ereignislose Nacht hinter sich. Als sie ihre Last abstellte, umarmte ich sie und erstickte ihren matten Protest mit meinen Lippen. Einen Moment lang drückte sie sich an mich, doch dann schob sie mich weg.

»Das genügt.« Sie trat ein paar Schritte zurück und nahm das Tablett an sich. »Unten wartet Walsingham. Er will dich gleich nach dem Frühstück sehen.«

»Frühstück? Ich brauche andere Nahrung viel dringender.« Wieder griff ich nach ihr.

Leicht und flüchtig wie Löwenzahnsamen schwebte sie davon. »Du wirst dich mit dem begnügen müssen, was du gestern Nacht bekommen hast. Mehr gibt es nicht von mir, solange du mir nicht ein Haus baust.« Sie warf mir das Handtuch zu.

»Und das sagt mir die übermütige Frau, die mir erst gestern geschworen hat, dass sie restlos glücklich ist?«

»Eine Frau kann es sich immer anders überlegen. Und jetzt benimm dich, wenn ich dich wasche.«

Folgsam nahm ich eine scherzhafte Büßerhaltung ein, auch wenn es mich enorme Anstrengung kostete, sie nicht zu umarmen, während sie mich von oben bis unten einseifte, ohne darauf zu achten, was sie alles abschrubbte. Erst als sie den Verband öffnete, um ihn zu wechseln, stieß ich einen Aufschrei aus. »Tut es weh?«, fragte sie.

»Ein bisschen.« Ich riskierte einen Blick auf die Wunde. Sie war so hässlich, wie ich erwartet hatte. »Faulig?«

»Am Anfang war sie das. Aber du hattest Glück. Die Kugel hat dich nur gestreift und nichts als ein paar Hautschichten abgerissen.« Sie nahm einen Glastiegel mit einer grünen Salbe darin aus der Truhe und trug die Tinktur auf meiner Schulter auf. Regungslos stand ich da und ließ es geschehen. Wie Mistress Alice verstand sich offenbar auch Kate auf heilende Kräuter.

»Das ist ein französisches Hausmittel«, erklärte sie. »Rosmarin, zerstoßene Pistazien und Rosenöl. Es beschleunigt die Heilung.« Mit flinken Fingern legte sie mir einen frischen Verband an und verknotete ihn in der Achselhöhle. »So, das muss genügen. Das mag zwar unbequem sein, aber ich denke, an ein paar Tagen mehr im Bett wirst du nicht vorbeikommen.«

Ich zwickte sie sanft in die Nasenspitze. »Du kennst mich zu gut.«

Sie half mir in meine Kleider: Hemd, neues Lederwams, Hose und ein Gürtel mitsamt Tasche. Und zu meiner Verwunderung stellte sie ein nagelneues Paar Stiefel in meiner Größe vor mich hin.

»Peregrine hat sie am Markt gekauft. Sich selbst hat er eine Kappe und einen Umhang besorgt. Er sagt, er wird dein Page sein, wenn du erst einmal reich bist.«

»Da wird er aber lange warten müssen.« Ich drehte mich zu ihr um. »Vorzeigbar?«

»Ein Prinz!« Sie trug Brot, Käse und ein dunkles Ale auf. Gemeinsam aßen und tranken wir, doch ich spürte, dass sie besorgt war.

»Hast du schlechte Nachrichten?«, fragte ich schließlich.

»Bei Walsingham sind sie das fast immer. Aber ich habe keine Ahnung, was er diesmal will. Er hat bloß gesagt, dass ich dich holen soll.« Sie schnitt eine Grimasse. »Jetzt, da ich nicht länger benötigt werde, bin ich in seinen Augen nur noch eine unwissende Frau. Da hat es auch nichts zu besagen, dass ich mindestens ebenso fähig bin wie die Radaubrüder, die er in seine Dienste nimmt, Schlösser öffnen und, was Intrigen betrifft, es mit jedem Höfling aufnehmen kann.«

»Ganz zu schweigen von deinem Temperament. Wenn ich er wäre, würde ich mich vor dir in Acht nehmen.«

»Wenn sich jemand in Acht nehmen muss, dann du.« Kate stellte sich dicht vor mich, wie an jenem Nachmittag in der Galerie des Greenwich Palace. »Was immer er von dir will, du kannst sicher sein, dass es gefährlich wird.«

»Ich dachte, er hätte geholfen, mir das Leben zu retten«, hielt ich ihr vor.

»Das hat er auch. Aber das bedeutet nicht, dass ich es ihm anvertrauen würde. Er ist eine Schlange und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Wie ich das sehe, kann nicht einmal Cecil ihn kontrollieren.« Ihre Stimme begann zu beben. »Versprich mir, dass du dich auf nichts Gefährliches einlässt. Ich habe gesagt, dass ich zu Ihrer Hoheit nach Hatfield gehe, und das werde ich auch, aber ich will mich nicht vor Sorge um dich verzehren.«

»Das verspreche ich dir«, gelobte ich mit einem feierlichen Nicken. »So, und jetzt zeig mir den Weg.«

Sie deutete auf die Tür. »Die Treppe hinunter und dann nach rechts. Er ist im Herrenzimmer. Am anderen Ende der Vorhalle.« Sie wandte sich ab. »Ich bin im Garten und hänge Wäsche auf.«

Bei der Vorstellung von Kate als Wäscherin musste ich unwillkürlich grinsen, während ich die Treppe hinuntereilte und mir den Weg durch das Landhaus suchte. Es war eher spärlich eingerichtet, was nach dem Überfluss am Hof eine wohltuende Abwechslung darstellte. Ich durchquerte die Vorhalle und blieb vor einer Tür stehen. Das musste das Herrenzimmer sein. Ich holte tief Luft.

Dann stieß ich entschlossen die Tür auf. Wie Kate drängte sich auch mir bei Walsinghams Anblick der Vergleich mit einer Schlange auf. Daran vermochte auch sein angeblicher Beitrag zu meiner Rettung nichts zu ändern. Viel eher zermürbte es mir die Nerven, dass der Mann mir seit meiner Ankunft in Whitehall wie ein Schatten gefolgt war. Bis zu jener Nacht auf der Mauer des Greenwich Palace hatte er immer nur beobachtet, ohne jemals einzugreifen. Seine Motive waren mir alles andere als geheuer, doch ich verbarg mein Unbehagen, als ich seine hagere Gestalt am Pult sitzen sah, vor ihm Urian, den Kopf auf seine Oberschenkel gelegt.

»Junker Prescott.« Seine spinnenartige Hand liebkoste Urian mit hypnotischer Monotonie. »Ihr habt Euch zügig erholt, wie ich sehe. Die Lebenskraft der Jugend und die Fürsorge einer Frau bewirken in der Tat wahre Wunder.«

Sein Ton ließ erkennen, dass er mehr über diese Fürsorge wusste, als mir lieb war. Ich musste an mich halten, um den Hund nicht aus Entsetzen über seine mangelnde Menschenkenntnis wegzuschicken.

»Mir wurde gesagt, dass Ihr mich zu sprechen wünscht?«

»Immer gleich zur Sache kommen.« Seine blutleeren Lippen zuckten. »Warum auch Zeit mit Überflüssigem vergeuden?«

»Hoffentlich hattet Ihr keine freundliche Plauderei erwartet.«

»Ich erwarte nie irgendetwas. Das ist es ja, was das Leben so interessant macht. Die Menschen schaffen es immer wieder, einen zu überraschen.« Er deutete auf einen Stuhl gegenüber dem seinen. »Bitte setzt Euch. Ich benötige nichts als Eure Aufmerksamkeit.«

Da die Schmerzen in meiner Schulter wieder einsetzten, tat ich ihm den Gefallen. Mich hatte schon beim ersten Wortwechsel dieses vage Gefühl von Unbehagen befallen, das ich jetzt endlich identifizieren konnte. Cecil und seine Männer schienen es wie eine ansteckende Krankheit zu verbreiten.

»Jane Grey und Guilford Dudley sind in den Tower gebracht worden«, eröffnete er mir.

Ich schoss kerzengerade hoch. »Verhaftet?«

»Nein. Es ist Tradition, dass die angehenden Herrscher vor ihrer Krönung dort Unterkunft nehmen.« Er musterte mich.

»Ich verstehe«, erklärte ich mit gepresster Stimme. »Sie setzen es also durch. Sie wollen diesem unschuldigen Mädchen ohne Rücksicht auf Verluste die Krone auf den Kopf setzen.«

»Dieses unschuldige Mädchen, wie Ihr Euch ausdrückt, ist eine Verräterin. Sie usurpiert den Thron einer anderen Frau und wartet jetzt mit sämtlichen Würdenträgern am Hof auf ihre Krönung. Bisher hat sie nur in einer Hinsicht Skrupel gezeigt, und das ist ihre beharrliche Weigerung, ihrem Gemahl die Krönung an ihrer Seite zu gestatten – zum Verdruss der Dudley-Sippe.«

Ich unterdrückte meinen Abscheu. Natürlich. Es lag auf der Hand, dass ein Walsingham Jane Grey als Verräterin brandmarken würde. Es war leichter, die Welt durch ein Prisma zu betrachten, das sie so zeigte, wie man sie haben wollte.

»Mit ›einer anderen Frau‹«, sagte ich gedehnt, »meint Ihr vermutlich Lady Mary.«

»Selbstverständlich. Jede Änderung der Erbfolge würde die Zustimmung des Parlaments erfordern. Ich bezweifle allerdings, dass unser stolzer Herzog so weit gegangen ist, einen Antrag auf die offizielle Bewilligung seines Verrats zu stellen. Aufgrund der Gesetzeslage und der von König Henry dem Achten festgelegten Erbfolge ist Lady Mary unsere rechtmäßige Königin.«