»Ihr wirkt überrascht. Das verstehe ich nun wirklich nicht. Der Apfel fällt doch nicht weit vom Stamm, wie es so schön heißt.«

Mit einem Mal richtete er sich mit solcher Wut vor ihr auf, dass ich mich unwillkürlich dazwischenwerfen wollte, doch Barnabys Pranke schloss sich wie ein Schraubstock um meine Schulter und hielt mich zurück. Und Kate, die bis dahin regungslos geblieben war, warf einen drohenden Blick in meine Richtung. Gleichwohl griff ich nach meinem Dolch. Unterdessen wanderte Kates Hand unter ihren Umhang, wo sie zweifellos einen ähnlich scharfen Gegenstand verbarg. Das bestätigte mir, dass sie ihrer Herrin treu ergeben war.

Robert packte Eizabeth wütend am Arm und riss sie mit solcher Brutalität an sich, dass sich ihre Haare lösten, über ihre Schultern fielen und die Perlen über den Boden des Pavillons kullerten.

»Du lügst! Du lügst, und du spielst mit mir! Wie eine läufige Hündin. Und trotzdem will ich dich, so wahr mir Gott helfe!« Er umfasste ihren Nacken und presste seine Lippen auf die ihren. Sie riss sich mit einer schneidenden Bemerkung los, die wie ein Peitschenhieb durch die Luft gellte, und versetzte ihm mit der flachen Hand einen Schlag quer über das Gesicht. Dabei kratzten ihre Ringe ihm die Haut auf und zerfetzten seine Lippen.

»Lasst mich auf der Stelle los!«, zischte sie. »Oder ich dulde Euch nie wieder in meiner Nähe, das schwöre ich bei Gott!«

Ihre Worte trafen ihn noch härter als der Schlag. Benommen und mit blutenden Lippen stand Robert da, dann wich er zurück. Eine Weile beäugten sie sich wie zwei Ringer, beide schwer atmend, aber schließlich löste sich die Wut in seinem Gesicht nach und nach auf, und seine Augen nahmen einen kummervollen Ausdruck an.

»Dann zieht Ihr es nicht in Erwägung? Ihr würdet ihn nicht heiraten, um mir eins auszuwischen?«

»Wenn Ihr das glaubt, seid Ihr noch verblendeter als er«, entgegnete sie, doch jetzt zitterte ihre Stimme, als kämpfte sie gegen eine Unsicherheit an, die ihr die Kraft zu rauben drohte. »Als ob ich, von Geburt und Erziehung eine Prinzessin, jemals einen Dudley von niedrigerem Geblüt seine Brunst in meinem Bett austoben ließe. Lieber sterbe ich!«

Er zuckte zusammen. Dann versteinerten seine Züge. Es war ein schrecklicher Moment, der nichts weniger als das Ende ihres seit Kindertagen bestehenden Vertrauens bedeutete. Noch nie hatte eine Frau Robert Dudley gedemütigt. Bisher hatte er jede, die er gewollt hatte, auch bekommen. Doch bei all seinem Einfallsreichtum, seiner Eitelkeit und seiner Verstellungskunst begehrte er nur eine Frau wirklich, und die hatte ihn gerade mit einer Kaltschnäuzigkeit zurückgewiesen, die ihn wie ein Lanzenhieb mitten ins Herz traf.

Er straffte sich. »Ist das Euer letztes Wort?«

»Es ist mein einziges Wort. Ob König oder Gemeiner, ich werde keines Mannes Opfer sein.«

»Und was, wenn dieser Mann Euch seine Liebe erklärt?«

Sie schnaubte. »Wenn das gerade die Liebe eines Mannes war, dann möge mir Gott mehr davon ersparen.«

»Von mir aus!«, brüllte er. »Dann verliert Ihr eben alles – Land, Krone, Freiheit! Sie werden Euch alles wegnehmen und Euch nichts mehr lassen außer Eurem verdammten Stolz. Ich liebe Euch. Ich habe Euch immer geliebt, aber da Ihr nichts davon wissen wollt, lasst Ihr mir keine andere Wahl, als dem Befehl meines Vaters zu gehorchen. Dann verfolge ich eben Eure Schwester, verhafte sie und sperre sie in den Tower. Und, Elizabeth, so wahr Gott mein Zeuge ist, wenn er mich das nächste Mal an die Spitze eines Trupps Soldaten stellt, kann ich Euch nicht versprechen, dass dann nicht ich vor Eurem Haus in Hatfield stehen und an die Tür klopfen werde.«

Sie reckte das Kinn vor. »Sollte das geschehen, werde ich dankbar dafür sein, ein vertrautes Gesicht zu sehen.«

Eine wütende Verbeugung, dann drehte sich Robert um und rannte die Treppe in Richtung Palast hinunter. Binnen Sekunden hatte ihn die Nacht verschluckt. Kaum war er verschwunden, begann Elizabeth zu schwanken. Kate stürzte zu ihr.

»Möge Gott mir helfen«, flüsterte sie. »Was habe ich getan?«

»Das, was Ihr tun musstet«, erklärte Kate. »Das, was die Würde von Eurer Hoheit erfordert.«

Elizabeth starrte sie an. Ein zittriges Lachen entwich ihr. »Junker Prescott!«

Ich richtete mich auf und klopfte mir totes Laub von der feuchten Hose. Beim Näherkommen bemerkte ich in Elizabeths Augen eine Angst, zu der sie sich nie bekennen würde. »Ihr habt mir gesagt, mein Leben sei in Gefahr. Anscheinend hattet Ihr recht. Was machen wir nun?«

»Diesen Ort verlassen, Hoheit«, sagte ich rasch. »Und zwar, bevor Lord Robert seinem Vater alles beichtet. Sobald er das getan hat, werden sie Euch ergreifen müssen. Ihr wisst ohnehin schon zu viel.«

»Merkwürdig«, murmelte sie, während Kate ihren Umhang von der Balustrade nahm und ihr über die schmalen Schultern legte. »Offenbar kennt Ihr ihn nicht so gut, wie man das unter Jungen, die zusammen aufgewachsen sind, eigentlich tun sollte. Robert wird mit dieser Sache nie zu seinem Vater rennen. Ich habe ihn an seiner verwundbarsten Stelle getroffen und verletzt, und das wird er mir nie vergeben oder vergessen, aber er wird nicht mithilfe des Herzogs nach Rache streben. Nein, seit heute hasst er Northumberland noch mehr als ich. Vielleicht tut er, was ihm sein Vater befiehlt, und führt Mary als Jagdbeute heim, denn das verlangt allein schon sein Mannesstolz, aber freiwillig wird er niemals die Meute seines Vaters auf mich hetzen.«

»Was immer er tun wird, wir können nicht warten, bis wir es wissen.« Ich wandte mich an Kate. »Gibt es Anweisungen von Cecil, die wir kennen müssen?«

Eine Geringere als Kate wäre angesichts meines Tonfalls zurückgeprallt, doch sie sah mir fest in die Augen. »Ich soll Ihre Hoheit zur Pforte bringen. Dort warten Pferde und Geleitschutz auf uns. Aber mit Euch hat niemand gerechnet.«

Elizabeth räusperte sich. »Mich überwältigen die Sorgen und die Anstrengungen, die man mir zugemutet hat, aber ich habe nicht die geringste Absicht, meinen Araberhengst, Cantila, zurückzulassen, damit der Herzog ihn reiten kann. Dafür ist er mir als Freund zu wertvoll.« Ihre Lippen kräuselten sich. »Apropos Freunde, habt Ihr nicht gesagt, Ihr hättet welche hier in der Nähe?«

Wie auf Kommando sprang Peregrine aus seinem Versteck. »Ich hole sofort das Pferd Eurer Hoheit!« Hinter ihm erhob sich Barnaby, sank steif auf die Knie und offenbarte mit einer Verneigung das in seinem Haar hängen gebliebene Laub. »Mylady«, sagte er mit einer Wärme, wie sie nur in Jahren der Vertrautheit entstehen kann.

»Barnaby Fitzpatrick!« Sie seufzte. »Wie ich mich freue!« Mit einem schiefen Lächeln wandte sie sich Peregrine zu. »Arbeitest du nicht in den Stallungen von Whitehall? Wo ist mein Hund?«

Peregrine blickte sie mit unverhohlener Bewunderung an. »Urian ist in Sicherheit. Er ist bei Cantila im Stall. Ich bringe ihn mit, wenn Ihr wollt. Braucht Ihr sonst noch etwas? Es wäre mir eine Ehre.«

»Er macht keine leeren Versprechungen«, ergänzte ich, dann warf ich Peregrine einen Blick zu. »Mein Freund, Cinnabar ist auch dort, falls du das vergessen haben solltest. Und sein Sattel liegt unter dem Stroh.«

Peregrine nickte verlegen. »Dann ist das also geregelt«, stellte Elizabeth fest. »Unser Freund hier holt meinen Hund und die Pferde und trifft uns bei der Pforte. Ich habe einen Freund außerhalb von Greenwich, wo wir Zuflucht finden, falls der Herzog Truppen nach uns entsendet. Im Augenblick halte ich es nicht für allzu klug, nach Hatfield zurückzukehren.« Sie hielt inne. Und als ich sah, wie ihre Züge sich anspannten, überlief mich ein kalter Schauer. Auch wenn ich schon ahnte, was sie sagen würde, brachte es mich dennoch aus der Fassung.

»Aber bevor wir irgendwohin reiten, muss ich Edward sehen.«

18

Ohrenbetäubende Stille folgte Elizabeths Worten. Ich rätselte darüber, warum ich unter Schock stand; schließlich war es nicht so, als käme ihr Verhalten völlig überraschend. Und obwohl ich mich fragte, warum ich überhaupt noch versuchte, sie vom Gegenteil zu überzeugen, sagte ich: »Das ist unmöglich. Wir können da nicht hinein. Dafür werden die Gemächer Seiner Majestät zu gut bewacht. Selbst wenn wir uns Zugang verschaffen könnten, kämen wir nicht wieder hinaus.«

Elizabeth blickte mich völlig unbeeindruckt an. »Bevor wir aufgeben, sollten wir vielleicht Master Fitzpatrick fragen, der in all den Jahren immer am Fuß des Bettes meines Bruders geschlafen hat. Er wird wissen, wie unmöglich das ist.« Sie wandte sich an Barnaby. »Gibt es einen Zugang zu Edwards Gemächern, über den wir zu ihm gelangen können, ohne ertappt zu werden?«

Fassungslos hörte ich Barnaby antworten: »Es gibt einen Geheimgang zu seinem Schlafgemach. Seine Majestät, Euer verstorbener Vater, hat ihn früher gern benutzt. Bei meiner letzten Überprüfung hatte der Herzog dort noch keine Wache aufgestellt. Aber ich muss Euch warnen: Wenn er das nachgeholt hat, führt der einzige Weg ins Freie durch die Gemächer. Und die sind verseucht mit seinen Speichelleckern.«

»Ich riskiere es trotzdem.« Elizabeth starrte mich mit bohrendem Blick an. »Versuch nicht, mich zurückzuhalten. Wenn du mir helfen möchtest, kannst du das gern tun. Wenn nicht, kannst du mich am Torhaus treffen. Aber ich muss das tun. Ich muss meinen Bruder sehen, bevor es zu spät ist.« Sie schwieg. »Ich … ich muss von ihm Abschied nehmen.«

Ihre Worte zerrten an meiner Seele. Das verstand ich nur zu gut.

Barnaby trat vor. »Ich zeige Eurer Hoheit den Weg.« Und mit einem kurzen Blick auf mich erklärte er: »Ich geleite Euch sicher zu Seiner Majestät und zurück zum Torhaus.«

»Danke, Barnaby.« Elizabeth wandte die Augen nicht von mir ab. Seufzend fügte ich mich in die Niederlage. Dann warf ich einen prüfenden Blick auf die hell erleuchteten Palastfenster. Das Feuerwerk war zu Ende. Aus rasend schnell aufziehenden Sturmwolken fielen die ersten Tropfen. Bald würde das Fest seinen Höhepunkt erreichen, und der von überreichlich fließendem Wein berauschte Hofstaat würde in fiebriger Ekstase tanzen, während das Brautpaar verdrießlich auf dem Podest hockte. Und da der König nicht wie versprochen seine Aufwartung machte, würde der Herzog die Feiernden mit seiner Anwesenheit beehren und außerdem die Adeligen im Auge behalten müssen. Insofern boten sich jetzt in der Tat die besten Voraussetzungen, sich in die königlichen Gemächer zu stehlen. Warum erfassten mich dann trotzdem schreckliche Vorahnungen?