In beiläufigem Ton erklärte Barnaby: »Peregrine hat mir gesagt, wer Ihr seid. Ihr gehört zu den Bediensteten der Dudleys. Außerdem hat er mir erzählt, dass Ihr ein Freund Ihrer Hoheit seid. Sie ist wie eine Schwester für mich. Und das ist der Grund, warum ich sofort bereit war, Euch zu helfen. Aber ich muss Euch warnen. Wenn Ihr Böses gegen sie im Schilde führt« – zur Bekräftigung seiner Worte schüttelte er seine gewaltigen Fäuste –, »werden Euch die Folgen nicht gefallen.«

Ich nickte. »Vertraut mir ruhig. Ich will ihr nichts Böses. Wenn wir mehr Zeit hätten, würde ich Euch alles ausführlich erklären, aber leider müssen wir schleunigst handeln. Die Prinzessin ist in Gefahr.« Ich richtete mich auf und riss die knisternde Fackel aus ihrer Verankerung in der Mauer.

»Seine Majestät ist in Greenwich, in den Geheimgemächern«, meldete sich Peregrine zu Wort. »Barnaby hat mir gesagt, dass er sich hier schon seit Wochen aufhält. Habe ich dir nicht versprochen, dass ich alles für dich auskundschafte, worum du mich bittest?«

Mein Blick wanderte über die Flamme hinweg zu Barnaby. Der starrte mich mit grimmigem, entschlossenem Blick an. Wir setzten uns in Bewegung. Dabei mussten wir immer wieder durch knöcheltiefes Wasser waten. Als wir die Treppe erreicht hatten, wagte ich zu fragen: »Ist Seine Majestät sehr krank, Master Fitzpatrick?«

»Edward liegt im Sterben«, murmelte Barnaby mit brechender Stimme.

Nach längerem Schweigen erklärte ich: »Das tut mir leid. Nicht nur um ihn, sondern auch, weil Ihre Hoheit doch so sehr hoffte, ihn wiederzusehen. Jetzt fürchte ich, dass das nicht mehr möglich sein wird. Ich kann nur dafür beten, dass sie auf mich hört.«

»Auf mich wird sie hören«, verkündete Barnaby mit einer Selbstsicherheit, die ich als äußerst beruhigend empfand. »Ihre Hoheit, Seine Majestät und ich sind zusammen aufgewachsen. Sie und ich haben zusammen an Edwards Unterrichtsstunden teilgenommen. Wir waren sogar diejenigen, die Edward das Reiten beigebracht haben.« Ein Lächeln flackerte über seine Lippen. »Der alte König Henry brüllte immer vor Lachen, wenn Edwards Lehrer angerannt kamen und jammerten, dass wir bestraft gehörten, weil wir Seine Hoheit in große Gefahr brächten.«

Er richtete seine dunkelblauen Augen auf die meinen. Sein Lächeln erstarrte zu einer Grimasse. »Sie weiß, dass ich nie von Edwards Seite weichen würde, außer man zwingt mich dazu. Und genauso weiß sie, dass ich sogar im Exil einen Weg finden würde, über ihn zu wachen. Auf mich wird sie hören, vor allem, wenn ich ihr über den Herzog berichte.«

Wir erreichten den Park. Noch nie war ich für frische Luft so dankbar gewesen wie jetzt. Über dem Palast stiegen Lichtfontänen in den Himmel und drehten sich Feuerräder, bis sie explodierten, um dann in vielen Farben glitzernde Sterne auf die Zuschauer herabregnen zu lasssen, die eng aneinandergedrängt auf den Balkonen standen und gebannt in den Himmel schauten.

Siedend heiß fiel mir das Rendezvous ein. »Das Feuerwerk! Schnell, wo geht es zum Pavillon?«

Peregrine stürzte nach links davon. Wir folgten ihm sogleich, und nachdem wir durch eine Serie von überwucherten Zierhecken gebrochen waren, erkannte ich vor mir den Pavillon. Im stillen Wasser des Sees spiegelte sich das kunstvolle Spektakel, ja, fast schien es, als brächte er es selbst hervor. Im Näherkommen erspähte ich eine Silhouette in Schwarz, die vor der Balustrade stand. Ein, zwei Schritte von ihr entfernt bemerkte ich eine zweite Person, die in den Park hinaussah.

»Gebt mir einen Moment mit ihr«, bat ich Barnaby. »Ich will sie nicht überrumpeln.« Er zeigte mit einem Nicken sein Einverständnis, und während er und Peregrine sich niederkauerten, wagte ich mich in das von Mondlicht und künstlichem Feuer erhellte Freie.

Die Gestalt in Schwarz wandte sich zu mir um. Ich trat näher und sank vor ihr auf die Knie. Kate, die an ihrer Seite stand, schnappte erschrocken nach Luft. Ich hatte noch keinen Gedanken daran verschwendet, dass ich mit meiner verschmutzten Kleidung, den Blutergüssen, Schnittwunden und meinem blutverkrusteten Gesicht einen fürchterlichen Anblick bieten musste.

Es sprach für Elizabeth, dass sie sich eines Kommentars enthielt, auch wenn ihr die Sorge deutlich anzumerken war. »Junker Prescott, erhebt Euch bitte.« Sie hielt kurz inne. »Ist es nicht ein bisschen spät für ein Bad im See?«

Ich grinste schief. »Ein Unfall, Eure Hoheit. Es sieht schlimmer aus, als es ist.«

»Gott sei Dank.« Ihre Augen glänzten. Ihr mit eingeflochtenen Perlen geschmücktes Haar lockte sich in ihrem Nacken. Sie wirkte entwaffnend jung, und die Strenge ihres schwarzen Umhangs mit der Halskrause und den Seidenbündchen an den Handgelenken betonte ihre zierliche Figur. Nur ihre Hände verrieten sie, diese zarten Finger, die nervös ein Taschentuch kneteten.

»Nun?«, forderte sie mich auf. »Werdet Ihr sprechen? Hat ein Unfall auch Euren Herrn aufgehalten?«

»Eure Hoheit, leider überbringe ich eine Nachricht über Seine Majestät, Euren Bruder. Und über Eure Cousine, Lady Jane.« Ich zögerte und benetzte meine ausgetrockneten Lippen. Auf einmal wurde mir klar, wie unwahrscheinlich, ja grotesk meine Geschichte klingen würde, zumal ich keinerlei Beweise in Händen hatte. Und dann erfasste mich auch noch eine beunruhigende Vorahnung, dass sie bereits genau wusste, was ich ihr mitteilen würde.

»Ich höre«, sagte sie.

»Seine Majestät, Euer Bruder, liegt im Sterben«, erklärte ich leise. »Der Herzog hält seine Krankheit geheim, damit er Lady Jane und seinen Sohn Guilford auf den Thron setzen kann. Er plant, Euch und Eure Schwester, Lady Mary, gefangen zu nehmen und im Tower unter Hausarrest zu stellen. Wenn Ihr in Greenwich bleibt, kann niemand für Eure Sicherheit bürgen.«

Ohne die Augen von mir abzuwenden, fragte Elizabeth: »Kate, trifft das zu?«

Kate Stafford trat vor. »Leider ja.«

»Und du wusstest Bescheid? Cecil … wusste Bescheid?«

»Nicht über alles.« Kate wich meinem Blick nicht aus, obwohl sie gerade bestätigt hatte, dass sie mit Cecil zusammenarbeitete. »Aber ich habe nicht die geringsten Zweifel an Junker Prescotts Wort. Er hat offenbar gute Gründe, das zu melden.«

Elizabeth nickte. »Auch ich habe nicht die geringsten Zweifel. Seit dem Tag, als Northumberland mir die Bitte nicht gewährte, Edward zu besuchen, hege auch ich den Verdacht, dass etwas dieser Art im Gange ist. Wahrscheinlich kann ich von Glück reden, dass ich noch frei bin.« Sie hielt inne. Ihre Augen ruhten weiter auf mir. »Wisst Ihr, warum man mich noch nicht verhaftet hat?«

Ich nickte. »Ich glaube, Seine Lordschaft hat es noch nicht gewagt. Er fürchtet, es könnte Eurer Schwester zu Ohren kommen und sie dazu veranlassen, außer Landes zu fliehen. Damit wäre auch erklärt, warum er meinem Herrn, Lord Robert, befohlen hat, zuerst sie gefangen zu nehmen. Es heißt, jemand am Hof würde sie mit Informationen versorgen.«

»Dessen bin ich mir sicher«, bestätigte Elizabeth. »Schließlich sprechen wir von John Dudley. Inzwischen hat er sich mehr Menschen zu Feinden gemacht, als Mary das jemals könnte.«

»Dann dürfen wir Euer Glück nicht länger herausfordern. Ich habe Freunde, die Euch helfen können, ihm zu entkommen. Selbst der Gefährte Seiner Majestät, Master Fitzpatrick …«

»Nein.«

Einen Moment lang schienen sogar die letzten Explosionen des Feuerwerks innezuhalten.

»Nein?« Ich war überrascht. Sicher hatte ich mich verhört.

»Nein.« Ihr Gesicht zeigte feste Entschlossenheit. »Ich verlasse Greenwich nicht. Noch nicht.«

»Nach allem, was wir gerade vernommen haben, kann Eure Hoheit doch nicht planen hierzubleiben!«, rief Kate. »Das wäre Wahnsinn. Wir haben Master Cecil versprochen, dass Ihr …«

»Ich weiß, was wir versprochen haben. Ich habe gesagt, dass ich seinen Rat in Erwägung ziehen würde. In Erwägung ziehen, Kate, nicht beherzigen. Und jetzt muss ich mein Vorhaben ausführen. Ich könnte nicht in dem Bewusstsein weiterleben, das versäumt zu haben.«

»Mylady«, begehrte ich auf und bekam dafür die volle Wucht ihres Blicks zu spüren. »Ich bitte Euch«, fuhr ich gedämpfter fort, »überlegt es Euch noch einmal. Was Ihr auch tut, Ihr habt es nicht in der Hand, den Herzog von seinem Weg abzubringen. Ebenso wenig könnt Ihr hoffen, Seine Majestät zu retten. Unter den augenblicklichen Bedingungen müsst Ihr zusehen, dass Ihr Euch selbst rettet, um Englands willen.«

Sie schürzte die Lippen. »Ich höre Cecil durch Euch sprechen, und das gefällt mir ganz und gar nicht. Bleibt Euch selbst treu, Prescott. So seid Ihr mir lieber – frech, tollkühn und zu allem entschlossen, was eben nötig ist.«

Ich hätte vielleicht gelächelt, wäre die Lage nicht so ernst gewesen. »Gut. Frech, wie ich bin, muss ich dann darauf hinweisen, wie gefährlich es für Euch wäre, die Verabredung mit meinem Herrn einzuhalten. Lord Robert strebt nach höheren Zielen, als es Eure Hoheit ahnt. Er wird Euch auf jede ihm mögliche Weise täuschen. Er hat sich geweigert, Eure Schwester zu verfolgen, weil er glaubt, dass Ihr seinen Hochzeitsantrag annehmt.«

Auf ihrem Gesicht ging eine Veränderung vor sich, fast unmerklich zwar, doch ich nahm sie wahr. Die zarte Haut um ihre Mundwinkel straffte sich, und durch ihre Augen zuckte ein dunkler Strahl.

»Und ich«, sagte sie sanft, »weiß am besten, wie ich mit ihm umzugehen habe.« Sie reckte das Kinn vor. »Außerdem ist es jetzt zu spät. Da kommt er.«

Ich wirbelte herum. Kate riss mich zurück. »Schnell!«, zischte sie. »Versteckt Euch!«

Ich kletterte über die Balustrade und landete mit einem – wie es mir vorkam – ohrenbetäubenden Lärm in den Hagedornbüschen auf der anderen Seite. »Sehr anmutig«, murmelte Peregrine. Er und Barnaby waren lautlos herangeschlichen. Beide waren mit Dolchen bewaffnet. Peregrine reichte mir einen. Mein alter Dolch, den mir Master Shelton geschenkt hatte, fiel mir wieder ein. Ich hatte mit Stokes noch ein Hühnchen zu rupfen, allein schon wegen des Diebstahls des guten Stücks. Was meine Kappe betraf, war sie anscheinend endgültig verloren.