Ich ließ mir meine Unruhe nicht anmerken. Hatte die Herzogin einen ihrer Untergebenen auf mich angesetzt? Wenn ja, dann hörte sie gerade von meinem Zwangsbesuch in Cecils Herrenhaus.

»Wie sieht er denn aus? Groß oder klein? Dick oder dünn?«

»Etwas größer als du«, meinte Peregrine, »und irgendwie spitzgesichtig wie ein Frettchen.«

»Ein Frettchen?« Ich musste grinsen. »Das kann ich mir gut merken. Ausgezeichnet, Peregrine. Tut mir leid, dass ich dir die Münze nicht zurückzahlen kann, die du für die Weste ausgegeben hast, aber was nicht ist, kann ja noch werden, stimmt’s?« Ich fuhr ihm durch das Haar und wollte mich schon abwenden, als ich ihn höhnisch auflachen hörte.

»Ich will dein Geld nicht. Münzen kann ich mir genug beschaffen. Es gibt immer Lords und Ladys, die für Spitzeldienste bezahlen. Was ich will, ist, für dich zu arbeiten. Ich hab genug vom Stallausmisten. Ich glaube, du würdest einen guten Herrn abgeben.«

Ich war verblüfft, obwohl ich es natürlich hätte kommen sehen müssen. Der Junge hatte seit unserer ersten Begegnung an mir geklebt wie eine Klette. Ganz gleich, wie ich meine Lebensumstände einschätzte, für ihn war ich jemand, den zu beeindrucken sich lohnte – der Junker des Sohns des Herzogs, der ihm verpflichtet war, weil er mich vor einem möglicherweise bösen Verfolger gerettet hatte, und der stets ein paar Münzen für ihn übrig hatte.

Aber dann fiel mir eine Lösung ein.

»Sehr schmeichelhaft.« Ich lächelte. »Aber leider kann ich mir dich nicht leisten.«

»Wieso nicht? Ich koste nicht viel, und du bekommst doch sicher ein ordentliches Gehalt. Sekretär Cecil bezahlt seine Leute immer gut, und … Hör auf!« Er duckte sich vor der wohlverdienten Kopfnuss.

Ich sah mich um. Die Stallknechte waren zu beschäftigt, um auf uns zu achten, zumal uns die Zwischenwände der Boxen verbargen. Trotzdem war nicht auszuschließen, dass sich ein Lauscher in der Nähe befand.

Ich zog Peregrine dicht an mich heran. »Ich habe dir nie gesagt, wer mich entlohnt«, zischte ich.

Er zuckte zurück. »Ach, nein? Ich … ich muss mir gedacht haben …« Er kaute auf der Unterlippe. Ich konnte förmlich beobachten, wie sein helles Köpfchen sich die Ausreden zurechtlegte. »Du wurdest zu seinem Haus gebracht …« Er stockte. Das klang nicht überzeugend, und er wusste es.

Ich musterte ihn mit regloser Miene, bis er zum Boxentor schaute. In der Sekunde, bevor er losrannte, bemerkte ich die Panik in seinem Gesicht. Ich sprang vor und packte ihn am Kragen. Obwohl er aus kaum mehr als Haut und Knochen bestand, war er erstaunlich kräftig, aber schließlich schaffte ich es, ihn mir unter den Arm zu klemmen wie einen ungebärdigen Welpen.

»Ich glaube«, keuchte ich, »es ist an der Zeit, dass du mir sagst, für wen du arbeitest.«

»Für niemand!«

Ich verstärkte den Druck und griff mit der freien Hand demonstrativ nach meinem Dolch. »Ich darf’s nicht sagen!«, wimmerte er in schrillem Diskant. »Wenn ich’s tue, bringt er mich um!«

Das klang schon besser. Ich lockerte den Griff und wartete noch einen Moment, bevor ich ihn losließ. Es sprach für ihn, dass er nicht noch einmal zu flüchten versuchte.

»Ich bin enttäuscht von dir. Ich dachte, du wärst mein Freund.«

»Ich bin dein Freund«, erwiderte er mit eindrucksvoller Entrüstung. »Ich hab dir doch geholfen, oder nicht? Ich hab dich gewarnt, dass dich jemand beschattet, und ich bin diesem Knecht der Suffolks bis hierher gefolgt. Niemand hat mich dafür bezahlt.«

»Ach so? Wenn ich mich recht entsinne, habe ich dich bezahlt. Vier Mal, wie mir scheint.«

»Immerhin habe ich mein Leben riskiert.« Er warf sich in Pose. »Und wofür? Vielleicht habe ich mich geirrt. Vielleicht gibst du doch keinen so guten Herrn ab.«

Ich lächelte kalt. »Walsingham war es also, nicht wahr? Er hat dir aufgetragen, mich in den Hohlweg zu lotsen, wo ich überwältigt werden sollte. Du hast meine Entführung nicht zufällig mit angesehen. Du wusstest schon vorher davon. Hat er dir aufgetragen, so zu tun, als wolltest du mich bestehlen, oder ist dir das selbst eingefallen? Gute Idee übrigens – entwaffnend naiv, und doch hervorragend geeignet, um ins Gespräch zu kommen und Freundschaft zu schließen.«

Peregrine scharrte mit den Füßen im Stroh und schlug die Augen nieder, ein Bild der Zerknirschung, das ich ihm keine Sekunde lang abkaufte.

»Dann bist du mir nachgeschlichen«, fuhr ich fort, »und bist angeblich auf diesen gedungenen Suffolk-Mann gestoßen, der sich um uns herumdrücken soll. Gibt es ihn wirklich? Oder ist das auch wieder nur einer von Walsinghams Winkelzügen?«

»Aber sicher gibt es ihn!«, begehrte er wütend auf. »Warum sollte Walsingham uns reinlegen? Ihr arbeitet doch beide für Cecil.«

»Mag sein, aber ich hätte nie gedacht, dass du mir etwas vormachen würdest.«

»Hab ich doch gar nicht!« Sein Protest tönte so schrill durch den ganzen Stall, dass die Pferde nervös mit den Hufen stampften und die Knechte hochschreckten. Betroffen senkte er die Stimme. »Ich hab dir nichts vorgemacht. Und ich bin nicht Walsinghams Lakai. Ja, es stimmt, dass er mir befohlen hat, dich zu dem Hohlweg zu lotsen. Er wusste, dass du im Heu geschlafen hattest, keine Ahnung, woher. Aber ich arbeite nicht für ihn und habe auch kein Geld von ihm bekommen. Er hat mir einfach nur gedroht: Entweder ich tue, was er von mir verlangt, oder … Und als diese Männer dich verschleppten, dachte ich, jetzt geht es dir an den Kragen. Darum bin ich dir gefolgt – für alle Fälle.«

»Für den Fall, dass du meine Leiche aus dem Fluss fischen und meine Börse stehlen könntest?«

Er funkelte mich wütend an. »Für den Fall, dass du mich brauchst! Ich … ich mag dich.«

In seinem Bekenntnis klang so etwas wie unbeabsichtigte Ehrlichkeit durch. An seiner Stelle hätte ich mich genauso verhalten. Ich wusste, wie es sich anfühlte, Angst zu haben und alles zu verlieren. Und Walsingham war nicht einer, der sich mit einem Nein abspeisen ließ, schon gar nicht von einem Dreikäsehoch, den er ebenso gut mit Tritten hätte traktieren können.

»Also gut, nehmen wir mal an, ich glaube dir.« Ich seufzte. »Aber anstellen kann ich dich trotzdem nicht. Ich besitze keine Reichtümer, von denen ich zehren könnte. Und wer weiß, was passiert, wenn dir das nächste Mal jemand ein paar Münzen in die Hand drückt?«

»Von mir aus arbeite ich auch umsonst, um mich zu bewähren. Ich fürchte mich vor nichts. Ich gehe überallhin, wo du mich hinschickst, finde alles heraus, was du wissen willst. Du musst es mir nur sagen.«

Ich milderte meinen Tonfall. »Es tut mir wirklich leid, aber die Antwort ist nein. Dieser Auftrag, den man mir anvertraut hat … das könnte sehr gefährlich werden. Diesem Risiko will ich dich nicht aussetzen.«

»Die Gefahr begleitet mich schon mein Leben lang. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«

»Das weiß ich. Aber ich kann es nicht zulassen.«

»Wieso denn nicht? Das sieht doch jeder, dass du jemanden brauchst, der dir hilft. Du kannst unmöglich hoffen, die Prinzessin zu retten, wenn nicht …« Peregrine schlug sich die Hand auf den Mund und sprang zurück in Cinnabars Box. Zu seinem Glück hatte mein Pferd ein sanftes Gemüt und schlug nur aus, wenn es provoziert wurde.

»Woher weißt du das?«, fuhr ich ihn an. »Und wage es nicht, mich wieder zu belügen, sonst wirst du es bereuen, mich kennengelernt zu haben.«

»Ich habe es zufällig aufgeschnappt. In Cecils Haus stand ein Fenster offen.«

»Du hast alles mit angehört?«

»Ja. Unser Verfolger hätte mich fast gesehen. Er schlich an der Hecke vorbei, in der ich mich versteckt hielt. Ich hätte den Arm ausstrecken und ihn am Umhang packen können.«

Ich erstarrte. »Er hat ebenfalls alles mit angehört?«

»Ich weiß nicht. Sicher nicht alles. Dafür war er nicht lange genug dort. Als Cecils Frau und Sohn in den Garten kamen, hat er sich aus dem Staub gemacht.«

»Cecils Frau und Sohn? Du wusstest, wer sie waren? Du bist wirklich eine kleine Schlange, was?«

Er lachte nervös. »Ja! Bin ich. Siehst du? Die kleine Schlange kann dir von Nutzen sein.«

»Nicht so schnell. Was weißt du sonst noch? Sag’s mir lieber gleich. Ich hasse Überraschungen.«

»Nichts. Ich schwöre es dir bei der Seele meiner Mutter, möge sie in Frieden ruhen, wer auch immer sie war.«

Wer auch immer sie war

Ich zögerte. Ich hätte ihn nach Whitehall zurückschicken sollen, zurück in sein anonymes Halunkenleben, das immer noch harmloser war als alles, was ihm hier blühen mochte.

Doch ich wusste, dass ich das nicht tun würde. Ich sah mich selbst in ihm, das Kind, das ich einst gewesen war. Er hatte eine Chance verdient. Ich hoffte nur, keiner von uns würde Grund haben, es zu bereuen.

»Ich erwarte von dir, dass du deinen Unterhalt auch verdienst«, sagte ich. »Und dass du mir in allem gehorchst.«

Er deutete eine unbeholfene Verbeugung an. »Sehr wohl, Herr. Ich werde alles tun, was Ihr von mir verlangt.«

Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Und lass den Unsinn mit dem Herrn. Mein Name genügt.«

Peregrine strahlte so glücklich, dass es mir das Herz erwärmte. Es war sicher eine ungewöhnliche Art, einen Freund zu gewinnen, aber genau das hatte ich eben getan.

13

Wie sich weiter erwies, war mein Freund außerordentlich gut mit Greenwich vertraut. Schließlich war er schon mehrmals dort gewesen, jeweils mit verschiedenen Aufgaben, unter anderem als Küchenjunge. Da er auch auf Frachtbooten gearbeitet hatte, die Vieh von London die Themse hinauftransportierten, und die Tiere persönlich zu ihren neuen Eigentümern geführt hatte, konnte er auf Anhieb meine Fragen über den Palast beantworten. Und nicht nur das. Er wusste sogar zu berichten, dass der Greenwich Palace – wie die meisten der von den Tudors bevorzugten Residenzen – auf den Überresten einer verfallenen Burg errichtet worden war. Als ich das hörte, erkundigte ich mich natürlich sofort nach den Geheimgemächern und deren Zugängen.