Die eisige Munterkeit seines Tons jagte mir Schauer über den Rücken. In einer Geste der Großmut breitete er die Hände aus, nun wieder ein Ausbund von Charme und Lässigkeit. »Behalte den Ring. Ich werde ihr einen noch viel schöneren anstecken.«

Er stieß mich gegen die Schulter und schlenderte zur Tür. »Pack deine Sachen zusammen. Wir brechen nach Greenwich auf, aber nicht mit dem Boot. Den Fluss überlassen wir den Weibern und Memmen. Wir reiten unsere Rösser über guten englischen Boden, wie es sich für Freunde und Kameraden ziemt.«

Freunde. Offenbar meinte er, wir wären jetzt Freunde, Verbündete in einem schmutzigen Komplott. Ich verbeugte mich und wandte mich zum Tisch. »Mylord«, murmelte ich.

Er gluckste belustigt. »Ach so, ja, du willst dich noch umkleiden. Dann zieh dich mal zurück. Aber lass dir nicht zu viel Zeit.« Er hielt inne. »Ich hatte ganz vergessen, wie zimperlich du dich immer beim Ausziehen angestellt hast. Wie eine Jungfer.« Erneut verstummte er, und mir pochte das Herz gegen die Rippen. »Was soll’s?«, brummte er dann achselzuckend. »Es ist ja nicht so, als ob du etwas hättest, das ich nicht längst gesehen habe.«

Er verließ den Raum und schloss sogar die Tür hinter sich. Ich wartete, bis ich sicher war, dass er nicht zurückkommen würde, bevor ich hastig mein zerknittertes neues Wams und meine guten Schuhe auszog.

In Hemd und Hose stand ich da. Ich musste einfach nachsehen. Vorsichtig zog ich die Hose bis zu den Oberschenkeln hinunter. Eine große bräunliche Verfärbung zog sich über meine linke Hüfte, die Ränder wie welke Blütenblätter.

Der Fleck war schon seit meiner Geburt da. Obwohl sie nicht ungewöhnlich waren, wurden solche Schönheitsfehler von unwissenden oder abergläubischen Menschen oft als »Satansbiss« oder »Luzifers Fingerabdruck« bezeichnet. Ich hatte früh gelernt, den Makel vor neugierigen Augen zu verbergen, besonders vor denen der Dudley-Jungen, die mich dann nur noch mehr gequält hätten. Nie hatte einer von ihnen mich nackt gesehen.

Mistress Alice hatte gesagt, das Mal sei eine Rose, die vom Kuss eines Engels herrührte, als ich noch im Mutterschoß ruhte. Eine fantasievolle Geschichte, die ich ihr fast geglaubt hätte. Doch als ich heranreifte, war es die Liebkosung einer echten Frau wie die der Magd, die mich in die Lust einführte, womit sie dem Stigma das Beschämende nahm und mich lehrte, dass nicht jeder so empfindlich darauf reagierte wie ich.

La marque de la rose

Erschauernd zog ich mir die Hose hoch und griff nach meiner Lederweste. Das Wams rollte ich zusammen und stopfte es in die Satteltasche. Noch hatte ich Cecil nichts von meinem Mal gesagt, aber ich hatte es vor. Sobald ich meinen Auftrag erfüllt hatte, würde ich ihn bitten, mir zu helfen, die Wahrheit über meine Geburt herauszufinden, koste es, was es wolle. Bis dahin war es schon ein ermutigender Anfang, Robert Dudleys neuer Freund zu sein. Ein Freund war jemand, dem man Vertrauen schenkte, auf den man sich verließ, dem man alles erzählte – jemand, an den man sich wandte, wenn man Beistand brauchte. Und wohin auch immer Robert ging, dorthin würde ihm sein neuer Freund folgen wie ein Schatten.

Und gewiss würde der Schatten, der mir folgte, nie sehr weit entfernt sein.

GREENWICH 

12

Der Greenwich Palace offenbarte sich als Ansammlung von Türmchen und spitzen blauen Schieferdächern, eingerahmt vom südöstlichen Bogen der Themse. Von der Anhöhe aus, wo wir hielten, um unsere Pferde verschnaufen zu lassen, bot dieser Palast – ein abgeschiedenes Anwesen in waldiger Gegend, weit genug entfernt vom Durcheinander Londons – einen viel lieblicheren Anblick als der gigantische Steinhaufen von Whitehall. Man konnte sich kaum vorstellen, dass hier irgendeine Bedrohung lauern sollte. Und doch glaubte Cecil, der Herzog habe den König hier gefangen gesetzt und beabsichtige, von hier aus gegen Elizabeth vorzugehen.

»Sie ist in Greenwich geboren«, unterbrach Robert meine Gedanken. »Am siebten September 1533.« Er lachte. »Was für ein Theater das war! König Henry marschierte schon seit Monaten durch die Gegend, drosch auf zahllose Köpfe ein, ließ nicht wenige davon abschlagen und posaunte überall herum, dass seine geliebte Königin ihm einen Sohn schenken würde. Doch als Anne Boleyn niederkam, brachte sie nichts weiter zur Welt als eine, wie Henry es ausdrückte, ›wertlose Tochter‹.«

Ich warf ihm einen Seitenblick zu. »Eine wunderschöne Geburtsstätte, Mylord. Sie muss diesen Palast sehr lieben.«

»O ja. Schon als Kleinkind hatte sie hier auf Königin Annes ausdrücklichen Wunsch ihre eigenen Gemächer. Anne wollte ihre Tochter in ihrer Nähe behalten, ganz gleich, was Henry davon hielt.« Robert richtete sich im Sattel auf. »Ob sie wohl schon eingetroffen ist? Es würde ihr ähnlich sehen, uns warten zu lassen.«

Das konnte ich nur hoffen. Je länger die Prinzessin eine Begegnung hinauszögerte, desto mehr Zeit hatte ich, die Lage zu erkunden. Cecil hatte gesagt, es sei anzunehmen, dass Edward im Palast selbst untergebracht war, und zwar in den sogenannten Geheimgemächern, einer Reihe von bewachten, durch einen langen Gang verbundenen Zimmern, die dem Monarchen Ruhe und Ungestörtheit bieten sollten. Je mehr ich über Edwards tatsächlichen Aufenthaltsort in Erfahrung brachte, desto eher konnte Cecil sich über die Pläne des Herzogs klar werden. Außerdem musste ich möglichst bald von Peregrine erfahren, wer mir folgte und warum.

»Dann mal los!«, rief Robert. »Der Letzte am Ziel muss die Pferde füttern!«

Hell auflachend gab er seinem Apfelschimmel die Sporen. Auch Cinnabar reagierte auf den leisesten Schenkeldruck, froh über die Gelegenheit, seine Kraft zu demonstrieren. An tägliche Ausritte in der Umgebung der Dudley-Burg gewöhnt, konnte mein Prachtross sich nur schwer mit den langen Stunden im Stall abfinden. Den Wind im Gesicht, von Cinnabars starken Flanken getragen, überließ ich mich ganz dem Moment, schwelgte in der Erinnerung an die Tage, da ich als Junge ohne Sattel über die Felder geritten war und mich für kurze Zeit so gefühlt hatte, als hätte ich keinerlei Sorgen.

Der Palast türmte sich vor mir auf, roter Backstein, mit grotesken Stuckfiguren gespickt, achteckige Schornsteine, aus denen würziger Rauch quoll, und Irrgärten, die nach Kräutern und Immergrün dufteten. Mit herrischen Gesten, sein Pferd wie einen Keil vorwärtstreibend, steuerte Robert uns zwischen den am Haupttor versammelten Höflingen hindurch. Vorbei an einem Wächter ritten wir in einen gepflasterten Hof, der von Bauten in Tudor-Grün und Weiß umgeben war.

Knechte führten schweißnasse Pferde in die Stallungen, während Edelleute in Ledercapes die Handschuhe abstreiften und sich ins Innere des Palastes begaben.

Robert sprang aus dem Sattel und löste seine Taschen vom Sattel. »Ich habe die Wette gewonnen«, verkündete er. »Kümmere du dich um die Pferde, und warte dann in meinen Räumlichkeiten am Innenhof auf mich. Ich muss mich erst bei meinem Vater melden.« Damit ließ er mich bei den schnaubenden Rössern stehen. Natürlich hatte er nicht bemerkt, dass ich Cinnabar absichtlich gezügelt hatte, um hinter ihm zurückzubleiben.

Ich führte die Pferde in einen Stall. Gehetzte Knechte versorgten eine Unmenge von Reittieren, sattelten sie ab, rieben sie trocken, häuften ihnen Heu und Hafer in die Futterkrippen.

Keiner nahm von einem weiteren Knecht unter ihnen Notiz. Ich erkannte den schimmernden Rappen des Herzogs, der gesondert von den anderen in einer eigenen Box untergebracht war, von wo es durch ein Seitentor zu einem weiteren Wildpark hinausging. Ich führte auch unsere beiden Pferde hinein. Wie sein Sohn hatte Northumberland es verschmäht, zu Wasser zu reisen. Ich konnte es ihnen nachfühlen; große Flussläufe waren mir von jeher unheimlich gewesen – eine Kindheitsangst, die ich nie so recht hatte überwinden können.

Ich begrüßte den Rappen mit einem Zungenschnalzen, als ich Roberts Apfelschimmel und meinen Cinnabar neben ihm einstellte. »Genieße deinen Aufenthalt«, murmelte ich Cinnabar zu. »Wer weiß, wo wir das nächste Mal unterkommen.« Dankbar für den Auslauf schnaubte er.

Ein livrierter Reitknecht näherte sich mir. »Werdet Ihr Futter brauchen?«

Ich nickte und angelte in meinem Wams nach einer Münze. »Ja, bitte, und …« Ich stockte, starrte den Burschen an. »Wo, in Gottes Namen, hast du die grüne Weste her? Gestohlen?«

Peregrine grinste. »Geborgt. Die Knechte hier in Greenwich sind ja so leicht zu bestechen. Die ziehen sich nackt aus, wenn sie ein Goldstück glänzen sehen.«

»Tatsächlich?« Ich wandte mich zu den Pferden um und senkte die Stimme. »Hast du ihn gefunden?«

Meinem Beispiel folgend, machte Peregrine sich ebenfalls bei den Pferden zu schaffen und schüttete ihnen Heu auf.

»Ja, er ist hier.«

»Im Palast?«

»Ja. Als du mich fortgeschickt hast, bin ich ihm zu einer Taverne gefolgt, wo er sein Pferd angebunden hatte. Er hat sich nicht mal die Zeit genommen, etwas zu trinken, und hat sich gleich auf den Weg gemacht. Prompt ist er im Zug der Bediensteten aus Whitehall stecken geblieben. Das bot mir eine Gelegenheit, auf einen Karren aufzuspringen. Er ritt neben uns her, hielt aber Abstand, als ob er besser riechen würde. Dabei hatten wir es richtig lustig, mit Bier in rauen Mengen und Gesang. Gleich nach der Ankunft begab er sich in die Gemächer der Königin. Die Wachen am Tor haben ihn ohne Kontrolle durchgewunken. Er muss wohl einen besonderen Status haben.«

»Die Gemächer der Königin?«, fragte ich. »Aber Seine Majestät ist doch gar nicht verheiratet.«

Peregrine schüttelte den Kopf, als wäre ich ein hoffnungsloser Fall. »Ja, schon, aber man nennt sie eben so, weil die Ehefrauen vom alten Henry dort gewohnt haben. Und rate mal, wer jetzt dort untergebracht ist? Jane Grey und ihre Mutter, die Herzogin von Suffolk. Sicher steht unser Mann im Sold der Suffolks.«