Was ist es denn, was Ihr Euch von mir ersehnt, mein tapferer Junker?
Ich hatte schon einige lärmerfüllte Straßen überquert, als ich merkte, dass ich verfolgt wurde. Ein- oder zweimal fiel mir eine schattenhafte Gestalt hinter mir auf, und ich musste an mich halten, die Person nicht zur Rede zu stellen. Mit der Hand am Dolch, der an der Hüfte hing, setzte ich meinen Weg fort, wobei ich das dichte Gehölz des Jagdforstes sorgsam mied. Sobald ich in die King Street eingebogen war, die unter einem Torbogen hindurch Whitehall querte, blieb ich stehen, um die Kappe zurechtzurücken. Und als ich schließlich den Schatten hinter mir spürte, sagte ich: »Irgendein Narr will sich wohl ein Messer in den Bauch rammen lassen.«
Schweigen folgte. Ich spähte über die Schulter. »Wieso versteckst du dich?«, fragte ich, und ein beschämt errötender Peregrine antwortete: »Weil du meinen Schutz brauchst.«
»Aha. Also hast du den Überfall beobachtet.« Ich hakte die Finger in den Gürtel. »Du hättest um Hilfe rufen oder – besser noch – loslaufen und welche holen können. Oder habe ich dir nicht genug gezahlt?«
»Das wollte ich ja auch«, stieß er hervor. »Am Anfang. Aber ich hielt es für besser, dir zu folgen, falls sie dir eins überziehen und dich in den Fluss werfen. Früher habe ich mein Geld damit verdient, dass ich Leichen aus dem Fluss geborgen habe. Und es war dein Glück, dass ich das getan habe, denn ich war nicht allein.«
»Ach?« Ich blickte mich schnell nach allen Seiten um. »Hat jemand dir geholfen, die Leichen rauszufischen?«
»Nein.« Er trat dich an mich heran und flüsterte: »Es folgt dir noch jemand. Ich hab ihn aus dem Unterholz kommen sehen, als sie dich gefasst hatten. Er ist um das Haus herumgeschlichen, als du drin warst, hat durch die Fenster gespäht und … aua!« Peregrine jaulte auf, als ich ihn am Kragen packte und in eine Seitenstraße stieß.
Er zappelte. Ich hielt ihm den Mund zu. »Sei still, du Dummkopf. Vielleicht beobachtet der Kerl uns immer noch. Willst du, dass wir beide im Fluss enden?«
Seine Augen weiteten sich. Ich ließ meine Hand sinken. Den Blick unablässig auf den Eingang zur Gasse gerichtet, flüsterte ich: »Weißt du, wer er ist?«
Er nickte und fummelte ein Taschenmesser aus seinem Wams hervor. Ich musste grinsen. Genau so eines hatte ich als Junge auch besessen – bestens geeignet, um Äpfel zu schneiden oder Eichhörnchen zu jagen. »Kennt er dich?«
»Nein. Jedenfalls nicht mit Namen. Er ist vor ein paar Tagen zu den Stallungen gekommen und hat zwei Pferde einstellen lassen. Heute hat er einen Kapuzenumhang getragen, aber ich habe ihn trotzdem wiedererkannt. Als er ging, hat er einen der Köter getreten. Das arme Vieh hat doch bloß mit dem Schwanz gewedelt und wollte gestreichelt werden, und er hat ihm einen Tritt verpasst.« Peregrine schnitt eine Grimasse. »Ich hasse Leute, die Tiere quälen.«
»Ich auch.« Ich nahm die Kappe ab und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Unser geheimer Verfolger hatte sich nicht gezeigt, obwohl die Sackgasse, in der wir uns befanden, mit Unrat übersät war und sich insofern ideal für einen Überfall eignete.
Ich zückte meine Geldbörse, um Peregrines Hand mit Münzen zu füllen. »Hör gut zu. Ich kann mich hier nicht länger amüsieren, so gern ich’s auch wollte. Aber du kannst deine Aufgaben offenbar vernachlässigen, sonst wärst du ja nicht hier. Also kannst du vielleicht herausfinden, wohin er will, ohne dir dabei Ärger einzuhandeln.«
»Ich schleiche ja schon den ganzen Tag um ihn herum. Vertrau mir, ich bringe alles heraus, was du wissen willst. Wenn nötig, kann ich schlau sein wie eine Schlange.«
»Das glaube ich gern. Also, pass auf, ich sage dir jetzt, wie wir vorgehen.« Ich erklärte ihm eilig meinen Plan, dann führte ich ihn zu der Straße zurück, wo ich ihn plötzlich von mir stieß.
»Und komm mir ja nicht wieder unter die Augen! Das nächste Mal verfüttere ich dich an die Schweine, du diebischer Spitzbube!«
Peregrine rannte davon. Einige Passanten blieben stehen und schüttelten die Köpfe über das Diebesgesindel in ihrer Mitte. Sichtlich erzürnt klopfte ich mein Wams ab, stülpte mir die Kappe auf und setzte meinen Weg mit der erbosten Miene eines Mannes fort, dem man beinahe seinen schwer verdienten Lohn stibitzt hätte.
Ich war erleichtert, als ich Whitehall erreichte. Der große Innenhof war voller Diener und Kammerherren, sodass ich mich diskret nach den Räumlichkeiten der Dudleys erkundigen konnte.
Trotz meiner Entschlossenheit, der Prinzessin beizustehen, und trotz Cecils Vertrauensbekundungen war ich keineswegs sicher, ob ich Lord Robert ins Gesicht sehen konnte, ohne mich auf der Stelle zu verraten. Auch wenn ich ihn dafür verachtete, dass er mich benutzte – würde es mir wirklich gelingen, eine undurchdringliche Miene zu wahren, um ihn am Erreichen seiner Ziele zu hindern? Dass ich nun auch noch verfolgt wurde, machte mich nur noch furchtsamer. Dabei waren meine Nerven schon vorher zum Zerreißen gespannt gewesen. Wenn mein Zusammentreffen mit Cecil beobachtet worden war, konnte ich getrost davon ausgehen, dass der Verfolger keine wohlwollenden Absichten hegte. Nicht allein das Leben der Prinzessin und das ihrer Schwester Mary standen auf dem Spiel, auch mein eigenes hing von meiner Fähigkeit ab, diese Aufgabe zu Ende zu bringen. Im Moment, versuchte ich, mich zu beruhigen, musste ich nur Robert davon überzeugen, dass sein Ansinnen nicht aussichtslos war und lediglich weiblicher Wankelmut für Verzögerungen sorgte. Ansonsten war es angesichts der jüngsten Ereignisse das Beste, nicht zu weit vorauszuschauen.
Ich holte tief Luft und stieß die Tür auf, die Entschuldigung schon auf den Lippen.
Der Raum war leer. Nur das nackte Bettgestell und der zerkratzte Tisch waren noch da. Und auf dem Tisch lagen mein Umhang und meine Satteltasche.
»Endlich«, ließ eine Stimme hinter mir sich vernehmen. Ich fuhr herum.
Prächtig anzuschauen in karmesinrotem Brokat, die geschlitzten Pumphosen extra kurz gehalten, um die muskulösen Schenkel und den dick ausgestopften, mit Girlandenmustern verzierten Hosenlatz zur Geltung zu bringen, kam Lord Robert hereinstolziert.
Ich verneigte mich tief. »Mylord, vergebt mir meine Verspätung. Ich habe mich verlaufen und …«
»Schon gut.« Er wedelte lässig mit der behandschuhten Hand und verteilte dabei eine Wolke von Moschusduft. »Deine erste Nacht am Hof, der viele Wein, Essen bis zum Platzen, vielleicht noch ein, zwei Weiber – wie hättest du da widerstehen können?«
Sein unverschämtes Grinsen ließ kräftige Zähne erkennen; kein sympathischer Anblick, aber dennoch attraktiv. So ungern ich es zugab, ich konnte verstehen, warum ihm die Frauen reihenweise erlagen. Zu meiner Erleichterung deutete das Grinsen außerdem darauf hin, dass er nicht vorhatte, mich zu quälen, bis ich um Gnade winselte.
Er hob eine Augenbraue. »Du hast allerdings das Packen vergessen, ganz zu schweigen von der guten Nachricht.«
»Mylord?« Natürlich. Darum sah er so selbstzufrieden drein.
Seine dunklen Augen glitzerten. »Ja, ich habe Nachricht von meinem Vater erhalten, dass Ihre Hoheit beschlossen hat, zu Guilfords Hochzeitsfeierlichkeiten in unserer Mitte zu bleiben. Offenbar kann sie mir nicht widerstehen. Und das verdanke ich dir.« Mit einem dröhnenden Lachen legte er mir den Arm um die Schultern. »Wer hätte gedacht, dass du so gut Süßholz raspeln kannst! Wir sollten dich als Botschafter ins Ausland schicken.«
Ich zwang mich zu einem Grinsen. »Ganz recht, Mylord. Es möge Euch als Beispiel dafür dienen, wie man eine Dame umwirbt.«
»Pah!« Er schlug mir auf die Schulter. »Du bist mir vielleicht ein Spaßvogel. Aber lass dir eines gesagt sein: Du hast noch einen weiten Weg vor dir, bevor du irgendetwas anderes als Tavernendirnen umwerben kannst. Ich dagegen werde bald einer Prinzessin von königlichem Geblüt den Hof machen.«
Selbstverständlich nahm er an, die Prinzessin würde sich aus Interesse an ihm nach Greenwich begeben. Aber wenigstens hatte ich jetzt etwas, das ich Cecil berichten konnte. Robert hatte seine Absichten ausdrücklich bestätigt. Ich konnte ihm kaum ins Gesicht sehen; hinter dieser beneidenswerten Fassade verbarg sich die Seele eines Schurken.
»Glauben Mylord, dass sie …?« Ich beließ es bei der Andeutung.
»Mir entgegenkommt?« Er spielte mit den Fransen seines Handschuhs. »Ja. Wie denn nicht? Mag sie auch eine Prinzessin sein, vor allem aber ist sie Nan Boleyns Tochter, und Nan hatte immer ein Auge auf die Mannsbilder. Doch wie ihre Mutter wird sie mich zappeln lassen. So sind sie eben, die Boleyns. Sie wird mich betteln lassen, bis ich für würdig erachtet werde – wie Nan es schon bei Henry tat. Aber das macht gar nichts. So haben wir umso mehr Zeit, meinen Köder auszulegen.«
In diesem Moment hasste ich ihn. Am liebsten hätte ich ihm diese unerträgliche überhebliche Miene poliert. Stattdessen fand ich beträchtliche Genugtuung darin, den Ring aus der Tasche zu ziehen. Ich hielt ihn ihm hin. »Das will ich hoffen, Mylord, denn den hier wollte sie nicht von mir in Empfang nehmen.«
Sein selbstgefälliges Grinsen erstarrte. Er schaute auf den Ring in meiner Hand. »Hat sie gesagt, warum?«, fragte er mit tonloser Stimme.
»Sie sagte, Ihr wärt zu sehr von Euch eingenommen. Oder zu wenig von ihr.« Ich wusste, das hätte ich nicht sagen dürfen. Ich hätte seine Illusion anfachen sollen, statt sie zu untergraben. Aber ich konnte nicht anders. Robert Dudley hatte es verdient, dass man ihn von seinem hohen Ross herunterholte.
Einen Moment lang sah es so aus, als würde er meine Hand beiseiteschlagen. Dann lachte er verkrampft auf. »Na gut, da hat sie also mein Treuepfand verschmäht. Natürlich! Die hehre Jungfrau – beruft sich immer auf ihre Sittsamkeit. Das ist ihre Lieblingsrolle. Gönnen wir ihr einstweilen ihren Spaß, nicht wahr?«
"Die Tudor-Verschwörung" отзывы
Отзывы читателей о книге "Die Tudor-Verschwörung". Читайте комментарии и мнения людей о произведении.
Понравилась книга? Поделитесь впечатлениями - оставьте Ваш отзыв и расскажите о книге "Die Tudor-Verschwörung" друзьям в соцсетях.