»Wie du ihn verteidigst!« fuhr Arnaud bitter dazwischen. »Ich frage mich, weshalb du dieser holden Neigung nicht gefolgt bist …«
»Erstens, weil man mich daran hinderte!« entgegnete Cathérine wieder zornig. Sie fügte hinzu, ihre Schuld ehrlich eingestehend: »Ohne den jungen Bernard hätte ich seinen Heiratsantrag vielleicht angenommen, doch ich schwöre bei Gott, der mich hört, daß Pierre de Brézé, als er nach Montsalvy ging, um die Verurteilungsurkunde zu suchen und dem König davon zu berichten, keinen Grund hatte zu glauben, daß ich ihn heiraten würde. Und wegen dieses unverantwortlichen Schritts habe ich endgültig mit ihm gebrochen!«
»Eine schöne, rührende Geschichte!« bemerkte der Ritter trocken. »Was hast du nach diesem Bruch getan?«
Cathérine mußte ihre ganze Geduld zusammennehmen, um nicht zu bersten. Der aggressive, inquisitorische Ton Arnauds erbitterte sie maßlos. Er spielte seine Rolle als in seiner Ehre gekränkter Bruder ein wenig zu gut, verlangte Rechenschaft und Erklärungen ohne das geringste Mitgefühl, als wären sie nicht Jahre hindurch in Liebe verbunden gewesen. Selbst der Brief, den er ihr hinterlassen hatte, als er Montsalvy verließ, offenbarte nicht soviel Bitterkeit und Gehässigkeit … Im Gegenteil, er war voll Sanftmut und Liebe gewesen. Vielleicht, weil er ernstlich glaubte, daß diese abscheuliche, erniedrigende Lepra sein Leben bald beenden würde, hatten ihm seine Tapferkeit und der Adel seines Charakters den Mut verliehen, verständnisvolle, verzeihende Worte zu schreiben. Als er sein Leben und seine Gesundheit wiedergewonnen hatte, war gleichzeitig sein Starrsinn wieder zurückgekehrt, unter dem Cathérine schon immer zu leiden gehabt hatte …
Sie überwand sich, und es gelang ihr zu lächeln, ein unendlich müdes und trauriges, doch sanftmütiges Lächeln. Sie streckte ihm die Hand entgegen.
»Komm mit mir! Bleiben wir nicht unter dem Säulengang, wo uns alle hören können. Gehen wir … da, zum Ende dieses Teichs, zu dem Steinlöwen, der die ganze Weisheit der Welt zu verkörpern scheint …«
Die Nacht verbarg den Anflug eines Lächelns, das einen kurzen Augenblick die strengen Züge Arnauds entspannte.
»Hast du denn die Weisheit so nötig?« fragte er, und am Klang seiner Stimme merkte sie, daß sein Zorn ein wenig nachließ. Daraus schöpfte sie neue Hoffnung. Auch ließ er sich widerstandslos mitziehen. Einen Augenblick gingen sie schweigend an der marmornen Einfassung entlang, auf die sich Cathérine, den Rücken an den Marmorlöwen gelehnt, setzte. Arnaud blieb stehen. Ihnen gegenüber leuchteten der Säulengang und der Turm, Rosen in der tiefblauen Nacht, unwirklich wie eine Luftspiegelung und leicht wie ein Traum. Die Geräusche des Palastes hatten sich beinahe gelegt, nur die Nachtvögel des Gartens und die Springbrunnen schienen noch zu leben. Eine schwache Brise ließ auf der Wasseroberfläche den zarten Widerschein des Palais zittern, und wie vorhin, im Löwenhof, war Cathérine von der zauberhaften Schönheit der Alhambra überwältigt.
»Dieser Ort ist für das Glück und die Liebe geschaffen … warum müssen wir uns hier gegenseitig quälen? Ich habe nicht so viele Meilen zurückgelegt, um dir weh zu tun oder daß du mir weh tust …«
Aber Arnaud ließ sich immer noch nicht erweichen. Einen Fuß auf den Marmorrand gestellt, sagte er warnend, die Augen abgewandt: »Hoffe nicht, meinen Geist auf die blumigen Pfade der Poesie locken zu können, Cathérine! Ich erwarte von dir einen genauen Bericht darüber, was sich seit deinem Aufbruch von Carlat ereignet hat.«
»Das ist eine lange Geschichte«, seufzte die junge Frau. »Ich hoffte, du würdest mir die Muße lassen, sie dir später in Ruhe zu erzählen. Vergißt du, daß wir hier in Gefahr sind, wenn nicht du, dann zumindest ich?«
»Weshalb du? Bist du nicht die Geliebte des Kalifen?« entgegnete er sarkastisch. »Wenn Zobeida zu mir hält, wird niemand es wagen, dir etwas zu tun …«
Cathérine wandte den Kopf ab, um ein ärgerliches, schmerzliches Zucken zu verbergen.
»Du weißt immer, was du sagen mußt, um zu verletzen, nicht wahr?« murmelte sie schmerzerfüllt. »Hör also zu, da du es willst, da ich den Mann, den ich verlassen hatte, nicht mehr wiederfinde und dein Vertrauen in mich gestorben ist …«
Die Hand Arnauds legte sich schwer auf Catherines Schulter, preßte sie, daß es schmerzte:
»Nicht so viele Ausflüchte, Cathérine! Versuche zu verstehen, daß ich alles wissen muß! Muß! Ich muß wissen, wie meine Frau, das Wesen, das mir das Liebste auf Erden war, dazu kam, nachdem sie in den Armen eines Waffenbruders Trost gesucht hatte, ihren Körper einem Ungläubigen zu verkaufen!«
»Und was anderes hast du getan?« rief Cathérine wütend. »Wie nennst du das, was du seit Monaten im Bett Zobeidas tust? … Was ich mit eigenen Augen, verstehst du, durchs Fenster des Innenhofes neulich nachts habe sehen können?«
»Was hast du gesehen?« fragte er hochmütig.
»Ich habe gesehen, wie ihr euch, du und sie, in enger Umschlingung auf dem Boden wälztet. Ich habe gesehen, wie du sie mit der Reitpeitsche schlugst, um danach deine Lust an ihr zu befriedigen … Ich habe ihr Keuchen gehört, habe deine Liebkosungen gezählt: zwei brünstige Tiere! Es war gemein! Außerdem warst du betrunken … aber ich glaubte, ich müßte sterben!«
»Schweig! Ich wußte nicht, daß du da warst!« fuhr er sie mit bewundernswerter männlicher Logik an. »Aber du, du, Cathérine, was hast du denn anderes im Djenan-el-Arif getan? Und du wußtest, daß ich da war, warst mir ganz nahe …«
»Dir nahe?« gab Cathérine böse zurück. »Du warst mir nahe, im Bett Zobeidas zweifellos? Du dachtest an mich, nur an mich?«
»Du glaubst nicht, wie wahr das ist! Ich mußte die Wut auslöschen, die mich jedesmal befiel, wenn ich an dich dachte, wenn ich dich mir in den Armen Brézés vorstellte, neben Brézé lebend, mit ihm sprechend, ihm zulächelnd, ihm deine Lippen bietend … und das übrige! Ein Frauenleib ähnelt einer Flasche Wein: Er kann einen Augenblick Vergessen schenken …«
»Bei dir dauern die Augenblicke offenbar lang! Vielleicht hätte es andere Mittel gegeben, deiner würdigere, um zu vergessen!« warf Cathérine ein, jede Vorsicht außer acht lassend. »Hättest du nicht versuchen können zu fliehen? Nach Montsalvy, nach Hause zu den Deinen?«
»Damit man dich als Bigamistin verurteilt und dem Scheiterhaufen überantwortet hätte? Die Eifersucht hätte mich weniger verzehrt, wenn ich dich weniger geliebt hätte … aber ich wollte dich nicht sterben sehen!«
»Und deshalb«, unterbrach Cathérine, absichtlich seine Liebeserklärung übergehend, »zogst du es natürlich vor, in den Genüssen dieses Palastes und in den Armen deiner Geliebten zu ›vergessen‹, zu vergessen, daß du, ein christlicher Ritter, Liebhaber einer Ungläubigen warst und deine Zeit zwischen der Jagd, dem Wein und der Liebe vergeudetest … Das hast du mir in deinem Brief nicht angekündigt. Hätte ich Fortunat nicht getroffen, hätte ich bis ins Heilige Land gehen können, um dich zu suchen, denn ich glaubte, du wolltest, geheilt oder noch krank, den Tod im Dienste Gottes oder des Königs suchen!«
»Erweist du mir die Ehre, mir einen Vorwurf daraus zu machen, daß ich noch lebe? Das wäre wirklich die Höhe!«
»Warum hast du nicht versucht zu fliehen?«
»Ich habe es tausendmal versucht … aber aus der Alhambra entkommt man nicht! Dieses unter Rosen und Orangenbäumen verborgene Palais wird besser bewacht als die sicherste königliche Festung. Jede Blume verbirgt ein Auge oder ein Ohr, jeder Strauch einen Spion. Übrigens, da du Fortunat getroffen hast, muß er dir erzählt haben, mit welcher Aufgabe ich ihn betraut hatte, wenn er nach dem Verlassen Toledos mit meiner Hilfe entwischen würde …«
»In der Tat: Er sagte mir, du hättest ihn zu deiner Mutter geschickt, um ihr von deiner glücklichen Heilung zu berichten!«
»… und von meiner Gefangenschaft in Granada. Er sollte ihr diskret, weil ich glaubte, du seist wieder verheiratet, die Wahrheit mitteilen, sie bitten, sich zum Konnetabel de Richemont zu begeben und ihm das Abenteuer zu gestehen, ihn zu ersuchen, es auf Ehre und Gewissen eines Ritters für sich zu behalten, was er zweifellos getan hätte, ihn aber auch aufzufordern, eine Delegation zum Sultan von Granada zu schicken, um von ihm meine Freilassung gegen Lösegeld zu verlangen. Darauf wäre ich unter einem falschen Namen ins Heilige Land oder in die Staaten des Papstes gezogen, und kein Mensch hätte mehr von mir gehört … zumindest hätte ich einen meiner und meines Namens würdigen Lebensweg gehen können!«
»Fortunat hat mir nichts von alledem gesagt! Alles, was er zu tun wußte, war, mir seinen Haß ins Gesicht zu schleudern und seine Freude, dich endlich in den Armen einer Prinzessin Ungläubig zu wissen, in die du leidenschaftlich verliebst seist.«
»Der Dummkopf! Und obgleich du dies wußtest, bist du weitergezogen?«
»Du gehörst mir an, wie ich dir angehöre, was du auch darüber denken magst. Für dich habe ich auf alles verzichtet, ich wollte aber nicht zugunsten einer anderen auf dich verzichten …«
»Was dir bei den Umarmungen mit dem Kalifen ein angenehmes Rachegefühl eingeflößt haben muß, nicht wahr?« warf Arnaud dickköpfig ein.
»Vielleicht!« gab Cathérine zu. »Meine Bedenken haben sich tatsächlich vermindert, denn ich bitte dich, mir zu glauben, daß es ein langer Weg zwischen dem Hospiz von Roncevaux, wo ich Fortunat traf, und dieser verfluchten Stadt ist! Ich habe Zeit gehabt zu überlegen, mir in aller Muße vorzustellen, was mein schlechter Stern mir noch bescheren würde.«
»Komm nicht immer wieder darauf zurück! Ich darf dich darauf aufmerksam machen, daß ich nach wie vor auf deinen Bericht warte!«
»Was nutzt das jetzt noch? Du willst nichts hören, nichts zugeben! Ich muß ja um jeden Preis in deinen Augen schuldig sein, um dein Gewissen zu beruhigen, nicht wahr? Einfach, weil du mich nicht mehr liebst, Arnaud, und im Bann dieser Frau stehst, so sehr, daß du deine eigene Frau vergißt … und unseren Sohn!«
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