»Es fängt wieder an! Zorah muß Unfug getrieben haben!«

»Was fängt wieder an?«

»Die Verrücktheiten der Ägypterin! Wenn der Herr sich eine andere Frau für seine Nacht erwählt, wird sie rasend! Sie muß ihre Wut an etwas oder jemandem auslassen. Gewöhnlich an einer anderen Frau, und das aus keinem anderen Grund, als um kratzen, beißen und beleidigen zu können. Die Wutanfälle Zorahs klingen erst ab, wenn Blut fließt.«

»Und das läßt du zu?« rief Cathérine empört.

»Zulassen? Du kennst mich nicht! Nun geh hinein: Dort ist die Tür. Dienerinnen erwarten dich. Ich werde gleich wiederkommen, um zu sehen, wie du untergebracht bist! Ihr anderen folgt mir!«

Damit meinte sie die beiden ebenholzschwarzen Eunuchen in brandroten Gewändern, die am Eingang zum Innenhof schweigend Wache standen. Wortlos setzten sie sich in Bewegung, zogen gleichzeitig nach Art von Dienern, die an solches Einschreiten gewöhnt waren, die Nilpferdpeitschen aus ihren Gürteln. Cathérine sah dem Trio nach, das sich durch die duftenden Alleen mit der Eile entfernte, die das Schicksal bestimmt, wenn es zuschlagen will. Bald war die junge Frau unter dem dichten, von Orangen schimmernden Blattwerk allein. Einen Augenblick war sie froh, allein zu sein, und beeilte sich nicht hineinzugehen. Die Nacht war zu schön mit ihren Düften und dem gedämpften Echo einer melancholischen Musik, das aus den erleuchteten Gebäuden zu ihr drang.

Dieser Teil zog Cathérine an wie ein Geliebter. Unbeweglich im Schatten der Sträucher verharrend, konnte sie ihre Augen nicht abwenden. Dort lagen, da gab es gar keinen Zweifel, die Gemachter Zobeidas! Um sich davon zu überzeugen, genügte es, die zehn schwarzen Eunuchen zu sehen, die unter dem Säulengang lässig, aber aufmerksam Wache hielten. Sie trugen im Gürtel keine geflochtenen Lederpeitschen, sondern große, blitzende Krummschwerter, die jedem, der sich zu nähern wagte, nichts Gutes versprachen.

Indessen brannte Cathérine darauf zu sehen, was in diesen Gemächern vorging, deren sanfter Lichtschein durch das von Jasminblüten gesternte Blattwerk drang und den roten Sand des Gartens liebkoste. Ein fast tierischer Instinkt sagte ihr, daß Arnaud sich hinter diesem Bollwerk aus Marmor und Blumen befinden mußte, so nahe, daß sie, wenn er gesprochen hätte, zweifellos seine Stimme hätte hören müssen. Sie spürte es vielleicht am Zusammenkrampfen ihres Herzens, am bitteren Geschmack der Eifersucht in ihrem Mund. Die Liebkosungen des Sultans waren ihrem Gedächtnis schon so ziemlich entschwunden, durch eine plötzliche, jähe und zerstörerische Wut auf die gewöhnliche Stufe einfacher Förmlichkeit zurückgeführt. Es war schließlich nur armselige Rache, schmutzige Berechnung, die sich mit dem Verrat ihrer unbefriedigten Sinne verbündet hatte. Und Cathérine empfand entsetzt, unvermindert und quälend den wilden Stich der Eifersucht wieder, die so alt und so primitiv wie die Liebe selbst war.

Über das zarte Spiel der Instrumente hob sich eine Frauenstimme in die Nacht, warm, ernst, voll Leidenschaft, derart erregend, daß Cathérine sich vor Ergriffenheit nicht rührte, nur gespannt horchte. Sie verstand die von dem herrlichen, samtdunklen Organ schmachtend gesungenen Worte nicht, aber ihr Instinkt, ihre Fraulichkeit sagten ihr, daß dies die glühendste Liebeserklärung war …

Sie horchte einen Augenblick, durch die geheimnisvolle Stimme derart bezaubert, daß sie gar nicht merkte, daß die Lichter in Zobeidas Pavillon fast alle erloschen. Der Garten wurde dunkler, rosiger, und heller schienen ihr die wenigen noch erleuchteten Fenster. Die Sängerin hatte den Ton gedämpft, trillerte beinahe nur noch … Und Cathérine, unfähig, der Neugier zu widerstehen, die sie verschlang, näherte sich unmerklich dem Pavillon der Prinzessin.

Sie überlegte nicht mehr. Die Vorstellung von der tödlichen Gefahr, der sie sich aussetzte, war ihr völlig entschwunden. Nur ihr Selbsterhaltungstrieb gab ihr ein, ihre Pantoffeln abzustreifen, mit nackten Füßen über den weichen Sand zu gehen, sich unter die Büsche zu ducken, um von den Wachen nicht bemerkt zu werden. Langsam schlich sie auf ein Fenster zu, das von einer exotischen Pflanze umrankt wurde, und duckte sich tief ins Gebüsch. Dornen stachen sie grausam, aber sie gab keinen Schmerzenslaut von sich, beachtete die Verletzungen nicht. Schließlich hatte sie das Fenster erreicht …

Vorsichtig, ganz vorsichtig richtete sie sich auf. Ihre Augen sahen jetzt über die Einfassung aus grüner Jade, und sie mußte sich in die Hand beißen, um nicht aufzuschreien. Direkt vor sich sah Cathérine Arnaud.

Er saß mit gekreuzten Beinen zwischen den Kissen eines riesigen Diwans aus rosenfarbenem Brokat, der mindestens die Hälfte eines kleinen, intimen und reizenden Zimmers einnahm, dessen mit grünem Kristall verkleidete Wände einen an das Innere eines riesigen Edelsteines denken ließen. Seine gebräunte Haut, sein schwarzes Haar und die weite schwarze, goldbestickte Hose, seine einzige Bekleidung, hoben sich seltsam von diesem Hintergrund weiblicher Verspieltheit ab. Mit seinen breiten Schultern und seinen kräftigen Muskeln paßte er nicht in dieses verweichlichte Milieu. Neben ihm stand eine tiefverschleierte Sklavin, die ihm den großen goldenen Becher sofort wieder füllte, den er ohne Unterlaß leerte. Er war schöner als je, doch stellte Cathérine verblüfft fest, daß sein Blick leicht flackerte. Sie begriff, daß er ziemlich betrunken war, und es versetzte ihr einen Schock. Noch nie hatte sie ihren Gatten in der Gewalt des Weins gesehen. Mit seinen geröteten Wangen und blitzenden Augen erinnerte er sie bestürzend an den barbarischen Gilles de Rais. Es war ein Unbekannter, den Cathérine hier sah.

Aber sie erkannte alsbald die Frau, die nicht weit von ihm halb ausgestreckt zwischen silberbestickten Kissen lag. Sie war die Sängerin, sie strich mit langen, schlanken Fingern zärtlich-lässig über die Saiten einer kleinen, runden Gitarre. Es war Zobeida in Person … und sie war atemberaubend schön.

Eine verschwenderische Fülle milchweißer Perlen bedeckte ihren Hals, ihre Schultern, ringelte sich um ihre schlanken Arme, um ihre zarten Gelenke, verlor sich in ihrem gelösten schwarzen Haar, sonst aber war sie nur in eine Wolke dünnen, jadefarbenen Flors gehüllt, der nichts von dem Zauber ihres vollkommenen Körpers verbarg. Und Cathérine mußte zornig feststellen, daß ihre Nebenbuhlerin noch verführerischer war, als sie sie, wenn auch flüchtig, noch in Erinnerung hatte. Auch sah sie, daß Zobeida ihren Gefangenen keinen Augenblick aus den Augen ließ, wohingegen er sie nicht beachtete. Er blickte irgendwohin, in die Leere, die die Trunkenheit gewahrt, aber eine freudlose Leere, wie Cathérine instinktiv ahnte.

Plötzlich ging die hartnäckige Gleichgültigkeit Arnauds über die Geduld der Maurin. Gereizt warf sie das Instrument beiseite, schickte die Sklavin mit einem herrischen Fingerschnalzen hinaus, erhob sich und streckte sich neben Arnaud aus, den Kopf auf die Knie ihres Geliebten legend.

Cathérine, draußen in der Nacht, zitterte, aber Arnaud hatte sich nicht gerührt. Langsam und methodisch, ohne sich ablenken zu lassen, leerte er seinen Pokal. Doch Zobeida wollte ihn zwingen, sich mit ihr zu beschäftigen. Cathérine sah ihre mit Ringen beladenen Hände in langsamer Liebkosung über seinen Körper streichen, zu den Schultern hinauf, sich um seinen Nacken legen und sich dort verschränken, um sein Gesicht zu dem ihren herunterzuziehen, das sie ihm darbot. Der Pokal war leer, Arnaud schleuderte ihn mit verächtlicher Bewegung weit weg, und Cathérine schloß die Augen, weil Zobeida sich zu seinem Mund emporzog, um ihn leidenschaftlich zu küssen.

Da fuhr das Paar auseinander. Arnaud hatte sich jäh erhoben und wischte sich mit der Hand das Blut von den Lippen, die Zobeida gebissen hatte … Von ihm zurückgestoßen, rollte die Prinzessin auf den Teppich.

»Hündin!« grollte er. »Ich werde dich lehren …«

Er riß eine Reitpeitsche von einem niedrigen Tisch und schlug mit ihr auf Rücken und Schultern Zobeidas. Cathérine unterdrückte einen Entsetzensschrei, vergaß ihre Eifersucht angesichts dieses Wutausbruchs, der, wie sie glaubte, nur Arnauds Bestrafung nach sich ziehen konnte. Die stolze Prinzessin dürfte eine solche Behandlung wohl kaum ertragen. Sie würde rufen, würde auf den neben dem Diwan stehenden Bronzegong schlagen und ihre Eunuchen, ihre Henkersknechte herbeibefehlen …

Doch nein …! Mit einem klagenden Wimmern rutschte die ungebärdige Zobeida auf dem Teppich bis zu den nackten Füßen ihres Geliebten, drückte ihre Lippen darauf, umklammerte seine Beine mit ihren perlenglitzernden Armen und hob die tränennassen Augen unterwürfig zu ihm auf. Sie murmelte Worte, die Cathérine nicht hören konnte, deren Zauber aber seine Wirkung auf den Mann ausüben mußten. Cathérine sah die Reitpeitsche den Händen ihres Gatten entfallen. Er packte Zobeida an den Haaren, hob sie zu seinem Gesicht empor und bemächtigte sich ihrer Lippen, während er mit der freien Hand den hinderlichen Musselin herunterstreifte. Das umschlungene Paar rollte auf den Boden, während draußen der Himmel, die Bäume und Mauern sich in einer schrecklichen Sarabande um Cathérine zu drehen begannen.

Keuchend, mit klopfendem Herzen lehnte sie sich an die kalte Wand des Palais, kämpfte sie gegen eine Ohnmacht an. Sie spürte, wie ihr das Leben entrann, glaubte, sterben zu müssen, hier, in dieser Nacht, zwei Schritte von diesem schamlosen Paar entfernt, dessen brünstiges Keuchen sie hörte … Ihre zuckende Hand suchte den vertrauten Dolch an ihrer Hüfte, stieß aber nur auf den zarten Musselin, der sie spärlich bedeckte; sie blickte instinktiv um sich, von einem blinden, primitiven Verlangen zu töten ergriffen. Oh, wenn sie nur eine Waffe fände, sich wie eine Rachegöttin vor ihren treulosen Gatten stellen und dieses Geschöpf niedermachen könnte, das es wagte, ihn mit ihrer verächtlichen Liebe, der Liebe einer Sklavin, zu lieben! … Aber Catherines Hand fand keine Waffe, nur einen Brombeerstrauch mit scharfen Dornen, die sich ihr grausam in die Handflächen bohrten, so daß sie einen Schmerzensschrei unterdrücken mußte. Dies jedoch brachte sie wie durch ein Wunder wieder zu klarem Bewußtsein. Im selben Augenblick drang eine Stimme von den Alleen her an ihr Ohr und gab ihr den Sinn für die Wirklichkeit zurück. Sie erkannte das näselnde Organ Moraymas, verließ verstohlen ihr Versteck, schlängelte sich zwischen den Büschen und Sträuchern hindurch und trat schließlich auf die Hauptallee hinaus, als Morayma auch dort ankam.