Cathérine segnete den Schatten der Jasminbüsche, der sie einhüllte und ihre plötzlich aufsteigende Röte verbarg. Es stimmte, sie liebte die Liebe, und wenn sie ihr Herz auch nur einem einzigen Mann auf ewig hatte schenken können, so wußte ihr Körper die verfeinerten Liebkosungen eines Meisters der Wollust doch zu schätzen. Ihre Antwort war nicht ohne Heuchelei.
»Welche Schülerin würde sich bei einem solchen Lehrer nicht als gut erweisen? Ich bin Eure Sklavin, o Herr, und habe nur gehorcht.«
»Wirklich? Ich erhoffte Besseres … aber ich kann für eine Frau wie dich jede Geduld aufbringen. Ich werde dich lehren, mich zu lieben, mit deinem Herzen wie mit deinem Fleisch. Hier wirst du nichts anderes mehr zu tun haben, als mir jede Nacht ein größeres Glück als in der vorhergegangenen zu schenken.«
»Jede Nacht? Und deine anderen Frauen, Herr?«
»Wer könnte sich, wenn er das göttliche Haschisch gekostet hat, mit einem faden Ragout zufriedengeben?«
Cathérine konnte sich eines Lächelns nicht erwehren, aber es schwand schnell. Sie erinnerte sich der wilden grünen, gefährlichen Augen der Ägypterin Zorah. Augen, die sie an die der schrecklichen, unheilvollen Marie de Comborn gemahnten, die sie hatte töten wollen und die Arnaud wie ein bösartiges Tier, das sie war, erdolcht hatte. Es war die Position der Maîtresse en titre, die Mohammed ihr anbot, und Cathérine nahm an, daß die Drohungen Moraymas die Ägypterin nicht von ihrer Mordlust abhalten würden, wenn der Kalif zugunsten Catherines alle anderen Frauen im allgemeinen und Zorah im besonderen vernachlässigte.
»Du erweist mir eine große Ehre, Herr …«, begann sie, doch unter dem Säulengang war ein Trupp Fackelträger erschienen, deren Licht die Nacht durchdrang. Mohammed hatte sich auf einen Ellbogen gestützt und sah sie mit gerunzelter Stirn mißvergnügt näher kommen.
»Wer wagt es, mich zu dieser Nachtstunde zu stören?«
Die Fackelträger geleiteten einen jungen, großen und hageren Mann mit einem kurzen schwarzen Bart und einem Turban aus Purpurbrokat. Seinem arroganten Gesichtsausdruck und seiner prächtigen Kleidung war zu entnehmen, daß es sich um eine Persönlichkeit von hohem Rang handelte, und Cathérine erkannte plötzlich in ihm einen der Jäger, die am Morgen Arnaud begleitet hatten. »Wer ist es?« fragte sie instinktiv.
»Haben-Ahmed Banu Saradj … unser Großwesir«, erwiderte Mohammed. »Es muß etwas Ernstliches vorgefallen sein, daß er es wagt hierherzukommen.«
Mit einem Schlag verwandelte sich der Mann, der sich Cathérine gegenüber so menschlich gezeigt hatte, in den allmächtigen Kalifen, Herrn der Gläubigen, vor dem jeder, ohne Ansehen der Person, sich beugen mußte. Während die junge Frau sich unter die Kissen flüchtete und ihren weißen Körper, den die Augen dieser Männer nicht sehen durften, im tiefschwarzen Schatten verbarg, kleidete sich Mohammed wieder in seine Gandoura und trat aus der Laube. Bei seinem Anblick knieten die Fackelträger nieder, während die stolze Gestalt des Großwesirs in ihrem Brokat sich in den Sand des Baumganges warf. Das Fackellicht ließ ihn wie einen riesigen Rubin funkeln, doch der Widerschein in seinen Augen gefiel Cathérine gar nicht. Der Mann war falsch, grausam, gefährlich.
»Was willst du, Haben-Ahmed? Was suchst du hier zu dieser Nachtstunde?«
»Nur eine Gefahr konnte mich zu dir führen, Herr der Gläubigen, und mich veranlassen, deine so seltenen Ruhestunden zu stören. Dein Vater, der tapfere Yusuf, hat den Djebel-al-Tarik[4] an der Spitze seiner Berberreiter verlassen und ist auf dem Weg nach Granada. Es schien mir nötig, dir dies unverzüglich mitzuteilen …«
»Gut gemacht! Weiß man, warum mein Vater seinen Ruhesitz verlassen hat?«
»Nein, Allmächtiger Herr, man weiß es nicht. Doch wenn du geruhst, deinem Diener einen Rat zu gestatten, so gebietet es vielleicht die Klugheit, daß du Yusuf jemand entgegenschickst, um seine Absichten zu erforschen.«
»Niemand außer mir kann sich erlauben, die Absichten des großen Yusuf zu erforschen. Er ist mein Vater, und mein Thron war der seine. Wenn jemand ihm entgegenreitet, werde ich es sein, so wollen es die Blutsbande … auch, wenn Yusuf mit kriegerischen Absichten hierherkommen sollte.«
»Wäre es in diesem Fall nicht besser, dich zu schützen?«
»Hältst du mich für ein Weib? Geh und gib die Befehle. Man sattle die Pferde, die Mauren sollen sich bereit halten. Nur fünfzig Mann werden mich begleiten.«
»Nicht mehr? Herr, das grenzt an Wahnsinn!«
»Nicht einer mehr! Geh, sage ich. In wenigen Augenblicken bin ich in der Alhambra.«
In gebückter Haltung zog sich Haben-Ahmed, rückwärts gehend, zurück, offensichtlich von tiefstem Respekt erfüllt, aber Cathérine hatte die bösartige Freude in seinen dunklen Augen aufblitzen sehen, als Mohammed seinen sofortigen Aufbruch angekündigt hatte. Mohammed war zu seiner neuen Favoritin zurückgekehrt. Er kniete neben ihr nieder und liebkoste die zerzausten Haare der jungen Frau.
»Ich muß dich verlassen, meine wunderbare Rose, und ich gehe mit schmerzendem Herzen. Aber ich werde mich beeilen, damit nur wenige Nächte vergehen, bis ich dich wiedersehe.«
»Begibst du dich nicht in Gefahr, Herr?«
»Was heißt schon Gefahr? Regieren bedeutet jeden Tag eine neue Gefahr. Sie ist überall; in den Blumen des Gartens, in der Schale Honig, die dir ein Kind treuherzig darbietet, im Duft eines Parfüms … Vielleicht bist du selbst die berauschendste … und die tödlichste aller Gefahren?«
»Glaubst du wirklich, was du sagst?«
»Was dich betrifft, nein! Du hast zu sanfte, zu reine Augen! Es ist grausam, dich verlassen zu müssen.«
Er umarmte und küßte sie lange und leidenschaftlich, dann richtete er sich auf und klatschte in die Hände. Wie herbeigezaubert tauchte die unförmige Gestalt Moraymas aus dem schwarzen Vorhang der Zypressen auf. Der Kalif wies auf die noch in den Kissen kauernde junge Frau.
»Bring sie in den Harem zurück … und gib gut auf sie acht! Du wirst dafür sorgen, daß es ihr während meiner kurzen Abwesenheit an nichts fehlt. Wo hast du sie untergebracht?«
»Im kleinen Badehof. Ich wußte noch nicht …«
»Bring sie im alten Appartement Aminas unter. Und teile ihr alle Dienerinnen zu, die du für richtig hältst, aber wache ganz besonders über sie. Dein Kopf bürgt mir für ihre Gemütsruhe.« Cathérine sah die verstörte Miene Moraymas. Ganz offensichtlich übertraf das Ergebnis ihre Hoffnungen; die Jüdin war auf eine so jähe, offenkundige Gunst nicht gefaßt gewesen. Die Art, wie sie sich nun an die junge Frau wandte, während Mohammed sich zur Säulenhalle hin entfernte, ließ es deutlich erkennen. Cathérine entdeckte einen neuen Respekt, der sie belustigte.
»Du mußt mir meine Schleier holen«, sagte sie zu ihr. »Ich kann mir nicht diese Kissen um den Leib binden …«
»Ich hole sie dir, Licht des Morgens, bemühe dich nicht! Die kostbare Perle des Kalifen darf sich nicht mehr anstrengen. Ich werde mich um alles kümmern. Dann lasse ich Träger und eine Sänfte kommen, um dich in dein neues Appartement zu führen …«
Sie wollte sich schon davonmachen, doch Cathérine hielt sie zurück.
»Auf keinen Fall! Ich will zurückkehren, wie ich hergekommen bin, zu Fuß. Ich liebe diese Gärten, und die Nacht ist so schön! Aber … sag mir, liegt dieses Appartement, das man mir zuweist, sehr weit von dem der Prinzessin Zobeida entfernt?« Morayma machte eine erschrockene Bewegung und zitterte sichtlich.
»O nein! Sie liegen ganz nahe beieinander. Das ist es ja, was mich beunruhigt. Die Sultanin Amina hat es gemieden und sich in den Alkazar Genil geflüchtet, um von ihrer Feindin weiter entfernt zu sein. Aber unser Herr will nicht glauben, daß seine Lieblingsschwester ihm nicht gleicht. Du wirst dich sehr in acht nehmen müssen, sie nicht zu reizen, Licht des Morgens, sonst hängt dein Leben nur an einem seidenen Faden … und mein Kopf wird unverzüglich unter dem Krummschwert des Henkers rollen. Meide besonders die Privatgärten Zobeidas. Und wenn du zufällig den fränkischen Herrn treffen solltest, den sie liebt, wende dich ab, ziehe deinen Schleier dicht vor dein Gesicht und fliehe, fliehe, wenn dir dein Leben lieb ist …«
Und sie rannte Hals über Kopf davon, als wären ihr die Mongolen Zobeidas bereits auf den Fersen. Cathérine mußte lachen, als sie Morayma so aufgeregt mit fliegenden Schleiern auf ihren kurzen, in großen Pantoffeln steckenden Beinen wie eine aufgescheuchte Ente davonwatscheln sah. Die neue Lieblingsfrau hatte keine Angst. Mit einem einzigen Schlag hatte sie sich einen Platz nach ihrer Wahl erobert, und in wenigen Augenblicken würde sie sich in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Feindin einrichten … Arnaud ganz nahe! Sie würde ihn sehen können, dessen war sie sicher, und bei diesem Gedanken rann das Blut schneller durch die Adern. Sie vergaß darüber sogar die bezaubernden Stunden, die sie in diesem traumhaften Garten verbracht hatte. Die Liebesnacht mit Mohammed war der Preis, den sie hatte zahlen müssen, um endlich mit den Fingerspitzen das so lange Ziel berühren zu können. Und dafür war es, alles in allem, ein geringer Preis …
Einige Augenblicke später verließ Cathérine, wieder in ihre zarten Gewänder gehüllt, hinter Morayma, die munter vor ihr hertrottete, den Djenan-el-Arif.
Die Wächter hatten schon vor einiger Zeit Mitternacht ausgerufen, als Cathérine und Morayma die von bewaffneten Eunuchen bewachten Grenzen des Harems überschritten. Ein Labyrinth von blumenüberwachsenen Gewölben, von Galerien und Durchgängen führte sie auf einen weiten Innenhof, dessen Pflanzen- und Blumengewirr schmale Alleen durchschnitten. Ein Teil der Gebäude dieses Gartens wurde durch unzählige Öllämpchen erleuchtet, aber im fast dunklen Hintergrund brannte nur eine Lampe über einem graziösen Torbogen, auf den Morayma jetzt zusteuerte. Die beiden Frauen waren noch nicht weit gekommen, als im Innern des Harems ein ungeheurer Lärm von Schreien, Gezeter und Beschimpfungen losbrach! Eine wahre Revolution! Morayma hob den Kopf wie ein altes Schlachtroß, das die Trompete hört, runzelte die Stirn und brummte:
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